Kreis Olpe. Vor allem energieintensive Betriebe wie Gießereien schlagen Alarm: Weiter steigende Strompreise wirkten sich fatal aus.

Die Nacht vom 9. auf den 10. September 2021, Null Uhr. „Offenbar“, sagt Dr. Ludger Ohm vom Gießereiunternehmen Ohm & Häner (Olpe/Drolshagen), war das eine windarme Nacht, und Photovoltaik fällt um diese Uhrzeit natürlich weg.“ Mit der Folge, dass in besagter Nacht und zu diesem Zeitpunkt ohne konventionelle Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke rund 70 Prozent der benötigten Energiequellen in Deutschland gefehlt hätten. Eine Vorstellung, die nicht nur beim Diplom-Ingenieur für Gießereitechnik für Unbehagen sorgt, auch andere energieintensive Unternehmen im Kreis Olpe, die Gebrüder Kemper in Olpe oder die Papierfabrik Grünewald in Hofolpe, sind existenziell auf ein verlässliches und leistungsstarkes Stromnetz angewiesen. Und auf bezahlbare Energie obendrein.

Ohm: „Atomkraftwerke sollen bereits 2022 endgültig abgeschaltet werden, der Kohleausstieg ist für 2038 programmiert. Wie aber soll so schnell Ersatz her? Wir sind im Industrieland Deutschland darauf nicht vorbereitet, ein Zusammenbruch des Stromnetzes hätte fatale Folgen.“

In die Materie eingearbeitet

Ohm ist es wichtig, nicht als Angstmacher verstanden zu werden. Er will aber auch nicht tatenlos zusehen, wie die Politik eher hysterisch denn faktenorientiert agiere: „Es gibt nun mal in der Nacht Phasen, wo die erneuerbaren Energieträger, beispielsweise Wasser- und Biokraftwerke, gerade mal 12 Prozent unseres Stromverbrauches decken. Viele Menschen glauben zwar, dass wir nachts keinen Strom brauchen, das ist aber nicht so. Zwei Drittel des Stromverbrauches, den wir zur Tagesspitze gegen 12 bis 13 Uhr in Deutschland benötigen, wird auch nachts aus den Leitungen gezapft. Für die Industrie, die Straßenbeleuchtung oder andere Dinge.“

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Ohm hatte sich in die Materie eigens eingearbeitet, weil er zu einem großen Treffen der bundesdeutschen Gießerei-Industrie Ende Juni eingeladen worden war: „Das fand per Videoschalte aus Düsseldorf statt, es waren aber knapp 400 Teilnehmer zugeschaltet. Das Interesse war also sehr groß, und ich hatte die Aufgabe, aus der Perspektive der Aluminium-Gießer zu referieren.“

Ohm weiter: „Es ging u. a. um die Transformation der Energieversorgung unserer Branche. Dazu muss man wissen, dass über 60 Prozent aller Gießereien in Deutschland noch mit fossilen Energieträgern, Gas, Kohle und Koks, ihre Öfen direkt betreiben, auch in der Eisen-Industrie.“

„Klimaschutzbemühungen werden konterkariert“

Ohm & Häner habe die Guss-Produktion überwiegend auf Strom umgestellt: „Im Werk II in Drolshagen-Germinghausen haben wir in mit Strom beheizte Schmelzöfen investiert. Weil Strom aber immer teurer wurde, mittlerweile dreimal so teuer ist wie Flüssiggas, wurde 2018 erstmals wieder in einen Gasofen investiert, der mit fossilen Brennstoffen betrieben wird. Eigentlich eine Rolle rückwärts.“ Wenn die Entwicklung so weitergehe, „rechnen wir damit, dass der Strom ab Frühjahr/Sommer 2022 viermal so teuer sein wird.“ Obwohl Gas aus der Nordstream-Pipeline und Fracking-Gas der USA dafür sorge, dass sich der Gaspreis moderat nach oben bewege. Selbst der aufs Gas eingeführte CO 2-Preis mit 25 Euro auf die erzeugte Tonne CO 2 mache Gas zwar um rund 25 Prozent teurer, aber: „Strom ist trotzdem immer noch fast dreimal so teuer wie dieses Gas.“ Ohms politische Bilanz: „Das konterkariert doch die grundsätzliche politische Zielsetzung, CO 2 einzusparen. Fossile Energieträger werden so noch lange Zeit günstiger sein als elektrischer Strom.“

Weiter an der CO 2-Preisschraube zu drehen, um das auszugleichen, würde für die eingangs erwähnten Gießereien das Aus bedeuten: „Ein CO 2-Preis, der Kostenparität zwischen Gas und Kohle auf der einen und Strom auf der anderen Seite herstellen würde, müsste um mehr als das Zehnfache ansteigen, auf 250 bis 300 Euro je Tonne. Für die konventionell betriebenen Gießereien wäre das nicht zu stemmen.“

Forderung: Atomkraftwerke später abschalten

Es gebe nur zwei denkbare Alternativen: „Entweder den Kohleausstieg herauszögern oder die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängern.“ Denn Strom werde demnächst u. a. für Elektroautos und Digitalisierung in Massen gebraucht: „Nur noch auf Erneuerbare Energie zu setzen, wird nicht ausreichen. Und mit Blick auf den Klimaschutz müsste gerade Strom schnell billiger werden. Allein unsere Produktion benötigt pro Jahr 25 Millionen Kilowattstunden. Wir dürften damit einer der größten Energieverbraucher im Kreis Olpe sein. Und wir müssen verlässlich wissen, wo die Reise hingeht.“ Aber: „Keiner sagt uns, was kommt.“ Während er sich mit der Thematik eingehend beschäftigt habe, sei ihm klar geworden, „was die Politiker quer durch fast alle Parteien teilweise für einen Unfug von sich geben.“

Flüssiges Alu 750 Grad heiß

Während Ohm das sagt, stehen wir gerade vor zwei strombetriebenen Aluschmelzöfen im Werk Germinghausen: „Das flüssige Aluminium, dass Sie hier sehen, wird auf etwa 750 Grad erhitzt. 95 Prozent unserer Produkte sind aus solchem Aluminium. Die beiden Öfen hier benötigen in einer Stunde rund 1000 Kilowattstunden Energie. Und die Öfen laufen im Dreischichtbetrieb.“

Zum Vergleich: Ein Vier-Personen-Haushalt in einem Mehrfamilienhaus benötigt rund 4500 Kilowattstunden. Pro Jahr.