Attendorn. Das Attendorner Unternehmen Beulco wird für seine Innovationskraft ausgezeichnet. Roboter und 3D-Drucker haben längst Einzug gehalten.

Auf diese Auszeichnung sind die Verantwortlichen des Attendorner Familienunternehmens Beulco besonders stolz. Der mittelständische Spezialist von hochqualitativen Produkten für die Wasserversorgung überzeugte die Jury vor über einem Jahr beim Innovationswettbewerb TOP 100 und gehörte zu den 100 innovativsten Unternehmen Deutschlands. Gepunktet hat Beulco aus Attendorn mit seiner neuen Digitalisierungsstrategie, wissenschaftlich begleitet vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund.

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Doch bis in die Top 100-Unternehmen war es für die Sauerländer ein steiniger Weg. Daran erinnerte Gesellschafter Axel Beul am Donnerstag, als Beulco vor zahlreichen Gästen die Themen „Digitalisierung und Innovation“ in Theorie und Praxis vorstellte. Denn als der Attendorner den Familienbetrieb 2009 „komplett übernehmen musste“, sah es für die Firma nicht gut aus. „Ich habe Handwerker gesucht, die das sinkende Schiff flicken mussten, damit es an der Oberfläche blieb“, blickte er zurück.

Ein Glücksgriff namens Jürgen Christian Schütz

Als Glücksgriff entpuppte sich Jürgen Christian Schütz, seit 2010 in der Firma und seit 2016 Geschäftsführer. Schütz, der nach wie vor jeden Tag zwischen seinem Wohnort in Hessen und seinem Job in Attendorn pendelt, hatte ein Unternehmen „mit so viel Tradition und Substanz“, aber „in einer außergewöhnlichen Situation“, vorgefunden. Die Aufgabe war herausfordernd. „Ich hätte nie gedacht, dass es so lange dauert“, gab der Geschäftsführer zu. Mit einer neuen Strategie und Struktur, so Axel Beul, ging es nach und nach bergauf.

Schon lange beschäftigt sich das über 70 Jahre alte Unternehmen mit dem Thema Digitalisierung und hat nach und nach die Produktion und Arbeitsabläufe umgestellt. Davon konnten sich die Besucher bei einem Rundgang ein Bild machen. „Die Firma hat Lust auf Digitalisierung“ verteilte Prof. Dr. Michael Henke vom Fraunhofer-Institut IML ein dickes Lob und sprach von einer „herausragenden Erfolgsgeschichte“. Seit einigen Jahren arbeitet Beulco mit den Wissenschaftlern aus Dortmund zusammen. Herausgekommen ist bei dieser „Kooperation auf Augenhöhe“, so der Institutsleiter, unter anderem ein führerloses Transportsystem innerhalb des Betriebes.

Minister telefonisch zugeschaltet

Eigentlich wollten Beulco-Firmenchef Axel Beul und Geschäftsführer Jürgen Christian Schütz NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart als Ehrengast in der umgewandelten Firmenhalle begrüßen.

Der FDP-Politiker musste kurzfristig absagen, weil er an diesem Donnerstag mit dem Zug zu Sondierungsgesprächen nach Berlin fuhr.

Trotzdem kam Pinkwart in Attendorn zu Wort und würdigte in einem Telefon-Interview die innovativen Leistungen der Mittelständer aus Südwestfalen und gratulierte Beulco zur Aufnahme in den Kreis der 100 innovativsten Unternehmen Deutschlands.

Längst Einzug gehalten haben beim Experten für Trinkwasserversorgung Roboter und 3D-Drucker. Inzwischen stellt Beulco im 3D-Druckverfahren Roboter-Greifarme aus gehärtetem Kunststoff selbst her und spart dadurch eine Menge Geld, wie der Technische Leiter Lutz Schopen berichtete.

Abfüllung von Desinfektionsmitteln

Neues Leben könnte bald in die 2015 geschlossene ehemalige Gießerei einziehen. Sobald die Genehmigungen vorliegen, soll hier die Abfüllung von Desinfektionsmitteln laufen. Ein neues Geschäftsfeld, dass Geschäftsführer Jürgen Christian Schütz und seine Leute unter teilweise abenteuerlichen Bedingungen innerhalb kurzer Zeit aus dem Boden gestampft haben. „Das haben wir in sechs Wochen gestemmt“, berichtete stolz Ralf Weidner aus der Geschäftsleitung. In die noch aus Plastik bestehenden Flaschen komme nur Wasser und Salz rein, betonte er stolz – kein Alkohol und keine Chemie. Weil man bei Beulco auf eine nachhaltige Produktion setzte, sollen die Kunststoffflaschen bald ersetzt werden.

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„Wir hatten noch keinen Vertrieb, keine Kunden und keine Zulassung. Aber wir kriegen das hin“, blickte Schütz zurück. Die Herausforderungen waren zu Beginn der Corona-Pandemie enorm. Der komplette europäische Markt mit Kunststoffflaschen war leergekauft, 98 Prozent des Flugverkehrs eingestellt. Am Ende wurde in China ein Hersteller gefunden, der viele Millionen Flaschen produzieren konnte. Mit gecharterten Frachtflugzeugen wurden die Fläschchen nach Deutschland geflogen. So ist quasi „über Nacht“ ein völlig neuer Geschäftsbereich für den von zuhause Armaturenhersteller entstanden. Ohne „das Herzblut und die Leidenschaft der Belegschaft“, weiß Geschäftsführer Schütz, wäre der Weg der digitalen Transformation nicht möglich.