Brün/Siegen. Das Schwurgericht hat den Haftbefehl gegen die 65-Jährige, die in Brün auf ihren schlafenden Ehemann eingestochen haben soll, aufgehoben.
Mit einer Überraschung endete der vierte Verhandlungstag im Prozess wegen versuchten Mordes gegen eine 65-Jährige. Das Schwurgericht hob den Haftbefehl des Amtsgerichtes Olpe vom 18. Februar dieses Jahres gegen die Frau, die in Brün dreimal auf ihren schlafenden Ehemann (67) eingestochen haben soll, auf. Staatsanwalt und Verteidiger hatten dies zuvor in ihren Plädoyers beantragt.
„Das Motiv bleibt nach wie vor im Dunkeln. Die Angeklagte war ganz erheblich alkoholisiert, zur Tatzeit waren es 2,9 Promille“, sagte Staatsanwalt Rainer Hoppmann. Die 65-Jährige habe ihrem schlafenden Mann mit einem 20 Zentimeter langen Küchenmesser drei Stiche in den Oberkörper versetzt. Dies sei zwar nicht lebensgefährlich gewesen, doch seien Leber und Lunge nur knapp verfehlt worden. Ihre fehlende Erinnerung könne zutreffend oder auch eine Schutzbehauptung sein, so Hoppmann.
Der Ehemann habe vor Gericht einen störrischen Eindruck gemacht: „Auch er kann keinen Auslöser, kein Motiv erkennen.“ Seine damals zeitnah bei der Polizei gemachte Aussage sei richtig. Danach habe die Frau ihn dreimal im Bett liegend gestochen. Sie habe vorsätzlich gehandelt: „Wer mit einem Messer drei Zentimeter tief einsticht, nimmt in Kauf, dass der Mensch stirbt.“ Die 65-Jährige habe heimtückisch gehandelt. Der Vorwurf der Anklage habe sich vollständig bestätigt.
Günstige Sozialprognose
Es sei ein versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, so der Staatsanwalt. Zwar sei die Strafe bei einem Mord grundsätzlich lebenslang, doch gebe es zwei Strafmilderungen, die den Strafrahmen auf sechs Monate bis elf Jahre und drei Monate reduzieren würden: Die Tat sei nicht vollendet worden und es liege eine verminderte Schuldfähigkeit vor. Rainer Hoppmann forderte zwei Jahre Freiheitsstrafe mit Bewährung. Die Sozialprognose sei günstig. Er halte es für unwahrscheinlich, dass sich so eine Tat noch einmal wiederhole.
„Es bleibt vieles im Nebel, was in der Nacht passiert ist“, meinte Verteidiger Martin Kretschmer. Sicher sei, dass seine Mandantin die Stiche ausgeführt habe. Seltsam seien die widersprüchlichen Aussagen des Angeklagten zum Tatgeschehen: „Er hat gesagt, dass er der Frau das Messer abgenommen hat, es sauber gemacht und in die Schublade gelegt hat. Warum geht ein Opfer hin und macht die Tatwaffe sauber?“ Es könnte auch so gewesen sein, dass es zuvor Übergriffe des Mannes auf seine Frau gegeben habe. Doch sei dies alles Spekulation.
Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Frau bei der Tat schuldunfähig gewesen ist, betonte der Verteidiger: „Sie hat zugestochen und legt sich anschließend friedlich schlafend ins Bett. Das ist ungewöhnlich.“ Und: „Die Ratlosigkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben, als ich sie beim Ermittlungsrichter kennengelernt habe. Ich habe schon manches Tötungsdelikt verteidigt. Wenn jemand im Vollrausch war und keine Gefahr besteht, dann ist er freizusprechen.“
Urteil am 27. August
Als die Kammer den Haftbefehl aufgehoben hatte, meinte die 65-Jährige: „Ich kann mich nur bedanken, dass Sie mir geglaubt haben. Ich trinke keinen Tropfen Alkohol mehr, auf keinen Fall. Ich habe immer an meinen Anwalt geglaubt. Danke, dass ich jetzt meine Kinder und Enkelkinder wieder sehen kann.“
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Die Angeklagte, die seit der Tat in der JVA Köln in Untersuchungshaft saß, konnte den Gerichtssaal verlassen. Ihren Sohn erreichte Martin Kretschmer zum Abholen telefonisch nicht. Der Verteidiger nahm die Frau dann im Auto mit auf dem Weg in seine Kanzlei in Bonn. In der Nähe von Rösrath ist sie vorerst bei Verwandten untergebracht.
Das Urteil wird am 27. August um 13 Uhr gesprochen.