Lennestadt. Reiten musste er erst lernen, das Schießen auch: Wie Schauspieler Martin Krah sich in Elspe in den Superhelden Old Shatterhand verwandelt.
Martin Krah hat Glück. Er kann den Helden seiner eigenen Kindheit spielen. Mit dem 37-Jährigen steht ein leidenschaftlicher Theaterschauspieler als neuer Old Shatterhand bei den Karl-May-Festspielen auf der Freilichtbühne. Die Saison in Lennestadt-Elspe hat begonnen; das Publikum freut sich, dass Winnetou und seine Freunde in dem Stück „Der Ölprinz“ wieder reiten.
Karl Mays unsterblicher Westmann darf keine Angst haben. Nicht vor Bösewichten, nicht vor dem Marterpfahl, nicht vor Tieren und schon gar nicht vor Niederschlägen oder Hitze. Denn das Publikum sitzt trocken in Elspe, aber die Akteure spielen bei jedem Wetter. „Manchmal ist man nass vom eigenen Schweiß und manchmal vom Regen“, beschreibt Martin Krah das Abenteuer „Ölprinz“. Old Shatterhand tritt natürlich in einem echten Trapper-Anzug auf. „Die Sonne kocht dich in diesen Lederklamotten, aber man ist als Old Shatterhand ja die Coolness in Person“, schmunzelt Martin Krah über die Erwartungen an seine Rolle.
Die berühmte Panoramabühne von Elspe bringt das Publikum zum Staunen und neue Darsteller in Schnappatmung. 96 Meter breit ist die Spielfläche, 34 Meter tief, und der Höhenunterschied beträgt 25 Meter. Vor so viel Breitwand-Format muss ein Akteur erst einmal bestehen. „Das ist ein anderes Spiel als in der Kammerbühne“, weiß Martin Krah. „In Elspe ist ein langsamerer Sprechduktus gefragt, und man braucht größere Gesten. Die Bühnenpräsenz entsteht daraus, sich den Gegebenheiten anzupassen.“
Kondition für die Kampfszenen
Die Statisten, Stuntmen, Cascadeure und Protagonisten bei den Karl-May-Festspielen eint vor allem eins: Sie brauchen Kondition. Die 25 Meter Höhenunterschied machen viel aus, wenn man bergauf rennen muss. Die Kampfszenen sind auch nicht ohne. Dabei hat Martin Krah rollenbedingt das große Los gezogen. „Ein Old Shatterhand fällt nicht in den Staub. Der Superheld bleibt stehen. Deshalb ist es für mich nicht so anstrengend.“
Martin Krah hat sich selbst initiativ beim Elspe-Festival beworben. Der Künstler wurde auf der Insel Rügen geboren, ist in Essen aufgewachsen, hat in Münster Germanistik, Latein und Sport studiert, um dann an der angesehenen Theaterakademie Vorpommern in Zinnowitz eine klassische Schauspielausbildung zu absolvieren. Mehrere Spielzeiten war er fest in Detmold engagiert, hat sich aber vor einigen Jahren für die Freiberuflichkeit entschieden, um flexibler zu sein - und auch wegen seiner kleinen Tochter. Mit seiner jungen Familie lebt er in Köln.
Flexibilität und Teamgeist
Als im Dezember 2019 Kai Noll seinen Henrystutzen an die Wand hängte, kam die Stunde für Martin Krah. Zuerst wurde er als Old Shurehand für den „Ölprinzen“ verpflichtet. Das Glück währte nur wenige Wochen, dann legte Corona den Kulturbetrieb komplett lahm. Die Saison fiel aus. Inzwischen ist aus Old Shurehand Old Shatterhand geworden. Regisseur Jochen Bludau hat die Rollen umgeschrieben. Nun beschützt Martin Krah als Karl Mays Lieblingscharakter zusammen mit Winnetou alias Jean-Marc Birkholz naive Siedler und unschuldige Indianer vor den fiesen Machenschaften des Ölprinzen.
Seit Januar kommt Martin Krah einmal in der Woche zum Reittraining nach Elspe. Er hat ein neues Pferd, Idol, „das hat seinen eigenen Willen und ich auch“. Theater mit Pferden erfordert noch mehr Timing, Präzision, Flexibilität und Teamgeist als reines Sprechtheater. Stichwort Bühnenpräsenz: „Jüngst bei der Probe konnte man mich gar nicht übersehen, weil mein Pferd in eine andere Richtung wollte als ich. Bei der ersten Probe ist das Pferd die ganze Zeit gestiegen, das war schon sehr cowboymäßig. Was willst Du machen? Weiterspielen!“
Krah hat sich gründlich auf die Rolle vorbereitet. Er hat Karl May gelesen, die Filme studiert und dazu andere Western. Aber mit Trockenschwimmen alleine funktioniert das Elspe-Festival nicht. „Schauen wir mal, wie das Zusammenspiel mit den Kollegen wird, darin entsteht ja auch viel. Wir sind eine ganz bunte und lustige Truppe.“
Täglich die Welt retten
Auch das Schießen musste der Schauspieler erst üben. „Das habe ich vorher noch nicht gemacht. Ich bin auf einem Pferd, halte die Knarre hoch, schieße und komme mit dem Pferd angeritten.“ Pferde bleiben ein großes Thema: „So einen richtig eleganten Abstieg muss ich mir auch noch angewöhnen.“
Die Premiere ist inzwischen erfolgreich über die Bühne gegangen, bis zum 5. September wird Martin Krah mit Winnetou nahezu täglich die Welt retten, samstags sogar zweimal. Dabei entscheidet sich auch, ob er in den kommenden Spielzeiten ebenfalls als Old Shatterhand in Elspe auftritt. „Das ist eine tolle Aufgabe, in die ich mich richtig reinwerfe. Ich bin gespannt, wie es beim Publikum ankommt.“
Das Elspe-Festival darf als Modellprojekt als einzige große Bühne im Sommer in NRW spielen. Die Zuschauer müssen Corona-Regeln beachten. www.elspe.de