Lennestadt. „Der Ölprinz“ vereint die Blutsbrüder Winnetou und Old Shatterhand in Elspe wieder. Wir haben schon mal geschaut, was in dem Stück passiert.
Drohend reckt der Ölturm auf dem Felsen sein Gestänge in den Himmel. In der Ebene darunter macht der Saloonbesitzer Paddy auch den Totengräber, und an Arbeit mangelt es ihm wahrlich nicht im Wilden Westen. Wenn Winnetou und Old Shatterhand in Elspe über die Naturbühne galoppieren, müssen die Zuschauer nicht lange warten auf Verfolgungsjagden, Schießereien und akrobatische Kampfszenen. In „Der Ölprinzen“ geht es bereits in der ersten Viertelstunde dem edlen Apatschen-Häuptling Winnetou buchstäblich an den Kragen. Denn sie reiten wieder beim Elspe-Festival. Nach einem Jahr coronabedingter Zwangspause erlebt das Publikum ab 2. Juli ein farbenprächtiges Theatermärchen, das Tempo, Spannung und Situationskomik verbindet und bei dem am Ende sogar der Ölturm in die Luft fliegt.
Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse lässt Winnetou und Old Shatterhand nicht ruhen. In dieser Spielzeit verkörpert ein spannendes junges Darsteller-Trio den Grundkonflikt. Zu Jean Marc Birkholz als populärem Häuptling mit dem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und der markanten tiefen Stimme gesellt sich erstmals Martin Krah als Old Shatterhand. Der Schauspieler entfaltet schon bei den Proben eine großartige Bühnenpräsenz und harmoniert ausgesprochen gut mit Winnetou.
Der Bösewicht vom Dienst
Der Dritte im Bunde ist Sebastian Kolb, der Bösewicht vom Dienst, der als Ölprinz Ölquellen verkauft, die es gar nicht gibt. Früher sah man den Akteuren an, ob sie zu den Guten oder den Bösen gehörten, doch so einfach macht Sebastian Kolb es den Besuchern nicht, denn er ist ein Meister der Täuschung. Alle drei Künstler beweisen im Team, dass auch in dem gewaltigen Bühnenpanorama in Elspe Zwischentöne das Spiel bereichern können.
Das riesige Naturgelände mit seinem Heidegras, den Büschen und Felsen ist nicht nur die Antwort des Sauerlandes auf den Wilden Westen, sondern vor allem eine hochprofessionelle Bühnenanlage mit mehreren Spielebenen, die wirkungsvolle Auf- und Abgänge ebenso ermöglicht wie besondere Theaterwunder. Der Auftritt der Dampflok ist sogar für langjährige Elspe-Fans immer ein großer Moment, doch die Bühnentechnik kann noch mehr. Wie von Zauberhand verschwindet das brennende Zelt der von den Banditen ermordeten friedlichen Indianerfamilie, während sich an anderer Stelle das Hauptquartier der Gauner aus dem Boden schiebt.
„Es war immer unsere Stärke, dass wir mit der Abwechslung gespielt haben, und zwar auf allen Ebenen“, schildert Regisseur Jochen Bludau. „Das halte ich auch für wichtig. Wenn Reiter da sind, sind sie nicht zum Rumstehen da, sondern, um Bewegung in die Szene zu bringen.“
Der Kantor zieht mit seinem Klavier durch die Prärie
Benjamin Armbruster springt von seinem Sitz im Zuschauerraum auf. Auf der oberen Bühnenebene scheut ein Pferd, das von einem Banditen geführt wird. Armbruster weist den Darsteller mit Gesten an, ruhig zu bleiben. Sofort ist das Problem gelöst. Wer mit Pferden Theater spielt, rechnet immer mit dem Unerwarteten. Ein Vierteljahrhundert lang verkörperte Armbruster den Winnetou in Elspe; seinem Festival bleibt er als Co-Regisseur weiterhin verbunden. Beim „Ölprinzen“ steht er auch wieder auf der Bühne, als Paddy, Saloon-Wirt und Bestatter.
Regisseur Jochen Bludau richtet Karl Mays Romanvorlagen für die Bühne ein; er weiß, wie Theatermagie in Elspe funktioniert, und wie er mit humorvollen Episoden Abwechslung inszeniert. Der trotz seines irren Kicherns blitzgescheite Sam Hawkens (Matthias Schlüter) ist so tiefenentspannt, dass er während eines Handgemenges einschläft. Den schrägsten Auftritt hat Markus Lürick als Kantor Hampel, der in einer sonnenschirmbeschatteten Klavier-Kutsche durch den Wilden Westen treckt und versucht, aus den Öl-Banditen mit dem Drei-von-der-Tankstelle-Schlager „Ein Freund, ein guter Freund“ einen Chor zu bilden.
Das erste Stück mit Pierre Brice
1976 stand der „Ölprinz“ erstmals in Elspe auf dem Programm; „Das war das erste Stück, in dem Pierre Brice hier gespielt hat und ich war der Old Shatterhand“, erinnert sich Bludau. „Weil es sich um ein Märchen handelt, habe ich das Stück seither nicht wesentlich geändert, es ist in seiner Struktur gleich geblieben.“ Eine wesentliche Neuerung ist dagegen zu hören. „Der Ölprinz“ hat eine neue Musik erhalten. Komponist Erik Ohl illustriert die Emotionen und vor allem die Action mit viel Percussion und Klangkolorit.
Die Bösen sind raffiniert und gemein, aber Winnetou und Old Shatterhand haben den längeren Atem. Und wenn es darauf ankommt, haben sie auch die bessere Kampftechnik. So wird das ewige Gelübde dieser Heldengeschichte erneuert. Winnetou verspricht: „Ich werde siegen für alle friedlichen Roten und Weißen.“
1800 Besucher täglich zugelassen
Als einzige große Bühne in NRW kann das Elspe-Festival in diesem Sommer spielen. Damit wird Elspe zum landesweit einzigartigen Modellprojekt. Sogar Außengastronomie lässt das Konzept zu. „Wir dürfen täglich 1800 Besucher begrüßen“, schildert Geschäftsführer Philipp Aßhoff. Die Gäste müssen sich online registrieren und erhalten einen Token mit QR-Code. Es gelten die drei G’s: Getestet, geimpft oder genesen. Die Spielzeit läuft bis zum 5. September.
Karten: www.elspe.de