Attendorn/Olpe. Der Angeklagte aus Attendorn finanzierte mit seinen Betrügereien seine Spielsucht. Gutachter und Richter sind erstaunt über seinen Lebenswandel.

Es sei selten, dass sich Aktenlage und Live-Auftritt eines Angeklagten so unterscheiden, so Holger Kühn von der Jugendgerichtshilfe des Kreis Olpe. Denn vor dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Olpe wirkte der 22-Jährige aus Attendorn am Dienstagmorgen reflektiert und gestand schuldbewusst seine Taten, die er im Zeitraum von Dezember 2018 bis Juni 2020 begangen hatte. Er musste sich wegen Betrugs in elf Fällen verantworten. Straftaten, die er aufgrund seiner Spielsucht begangen hatte.

Mit dem ersten Besuch in der Spielothek begann die Spielsucht

„Am Anfang meines Lebens ist eigentlich alles gut gelaufen“, so der 22-Jährige. Doch mit seinem 18. Geburtstag habe sich das Blatt gewendet. Er sei zum ersten Mal in eine Spielothek gegangen, habe dort sogar etwas gewonnen. Dieses Glücksgefühl wollte er wieder spüren. Und wieder. „Ich habe mehrere Kredite aufgenommen und quasi alles verzockt, was mir in die Hände kam“, erklärte der Angeklagte.

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Er häufte Schulden in Höhe von 30.000 Euro an, verlor schließlich seinen Ausbildungsplatz als Werkzeugmechaniker, weil er nicht mehr zur Arbeit erschienen war. Um seine Spielsucht weiter zu finanzieren, verkaufte er Spielekonsolen oder Handys über eine Online-Plattform. Die Waren verschickte er allerdings nie.

Depressive Episoden mit Suizidversuchen

Neben der Glücksspiel-Abhängigkeit drohte sein persönliches Umfeld zeitweise komplett wegzubrechen. Drei gescheiterte Beziehungen führten zu drei Suizidversuchen und zu Einweisungen in psychiatrischen Kliniken, unter anderem in Olpe und in Hemer. Der Vater habe sich vorübergehend von ihm distanziert, weil er mit den psychischen Problemen seines Sohnes offenbar überfordert war.

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Kurt Herold, der als psychiatrischer Gutachter aus Gummersbach geladen war, erklärte, dass es in der Ablösephase von Jugendlichen verhältnismäßig oft zu depressiven Episoden kommen könne. „Oft bezieht man in dieser Phase das Selbstwertgefühl aus Beziehungen. Wenn diese plötzlich wegbrechen, kann es zu einer ernsten Krise kommen.“ Wochenlange Klinikaufenthalte und eine medikamentöse Behandlung zeugten davon. Das Glücksspiel mit dem damit verbundenen Wunsch nach Erfolg könne diese Leere vorübergehend, aber trügerisch füllen. „In dieser Phase verfügte der Angeklagte nur über eine geringe Impulskontrolle, seine Steuerungsfähigkeit war erheblich vermindert“, so die Schlussfolgerung des Gutachters.

Lebenswandel nach Gerichtsverhandlung im Juli 2020

Jugendgerichtshelfer Holger Kühn sah zum Tatzeitpunkt bei dem 22-Jährigen reifemäßige Entwicklungsverzögerungen, sowohl im emotionalen als auch im sozialen Bereich. Ein Schlüsselereignis sei nach eigenen Aussagen des Angeklagten schließlich die Gerichtsverhandlung im Juli vergangenen Jahres gewesen. Auch hier musste er sich wegen Betruges verantworten. „Das hat mir die Augen geöffnet. Im Anschluss hatte ich noch ein Gespräch mit meinem Vater. Er meinte damals zu mir, dass wenn ich mir noch mal so etwas leiste, ich nicht mehr sein Sohn sei. Das hat echt gesessen, weil ich ein sehr familienbezogener Mensch bin.“

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Er habe erkannt, dass er „unmenschlich“ gehandelt habe und wolle das wieder gut machen. Dazu gehöre, dass er sich bereits um die Einleitung eines Privatinsolvenzverfahren gekümmert habe, dass er angefangen habe die Schäden der Käufer zu begleichen und zum 1. August sogar einen neuen Ausbildungsplatz zum Einzelhandelskaufmann gefunden habe.

„Den Lebenswandel, den sie vollzogen haben, ist beeindruckend“, kommentierte der vorsitzende Richter Richard Sondermann in seiner Urteilsbegründung. Nichtsdestotrotz seien die Straftaten – in neun Fällen immerhin gewerbsmäßiger Betrug – so schwerwiegend und einschlägig, dass sie einen Wochenend-Arrest rechtfertigten. Zusätzlich muss der 22-Jährige monatlich mindestens 50 Euro über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren an die Geschädigten zurückzahlen und sich regelmäßig einer Schuldnerberatung unterziehen. Das Urteil ist rechtskräftig.

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