Kreis Olpe. Mike Warnecke (27) aus Kirchhundem war spielsüchtig. Heute möchte er anderen Betroffenen helfen - und leitet künftig eine Selbsthilfegruppe
Sie sitzen auf der Arbeit. Konzentrieren ist nicht möglich. Sie bekommen kaum mit, was in Ihrem Umfeld passiert. Ihre ganzen Gedanken drehen sich nur um eine Frage: Wie kann ich schneller nach Hause, um weiterzuspielen? So beschreibt Mike Warnecke das zwanghafte Gefühl der Spielsucht. Der junge Mann weiß, wovon er spricht. Er ist selbst ein Betroffener – und gründet nun eine Selbsthilfegruppe für Menschen, die computer- und internetsüchtig sind. „Ich habe damals die Kontrolle über mein Leben verloren“, erzählt er. „Jetzt möchte ich anderen helfen, denen es genauso geht.“
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Mike Warnecke ist 27 Jahre alt und wohnt in Kirchhundem. Er ist früh von zuhause ausgezogen – um ungestört spielen zu können, erzählt er. Damals war er gerade 19 Jahre alt. Es hat schleichend angefangen. Diese kaum greifbare Sucht nach dem Spiel. Mit fünf Jahren hatte er seinen ersten Gameboy. Das ist nichts Besonderes. Eher Standard in der heutigen Zeit. Doch nach und nach wurde daraus mehr. Im Erwachsenenalter wird er abhängig – und baut Schulden auf. Nicht, weil er um Geld spielt. Nein. Es waren die ungeöffneten Briefe, die ihm irgendwann zum Verhängnis wurden. Rechnungen, die er ignoriert und nicht bezahlt hat. „Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in Ihrem Keller 16 Stunden lang. Und dann kommt ein Brief. Sie wollen aber weiter zocken, also legen Sie den Brief zur Seite“, erklärt er. „Und nach drei Monaten ist das ein riesiger Schuldenberg.“
Mit Panikattacken zur Arbeit
Es hat gedauert, bis Mike Warnecke eingesehen hat, dass er süchtig ist. Besorgte Nachfragen aus der Umgebung hat er ignoriert. Er beginnt es zu verheimlichen, geht lieber stundenlang mit seinem Nintendo spazieren, sodass niemand merkt, dass er wieder spielt. Er hat Panikattacken, wenn er auf die Arbeit muss. Eben, weil er dann nicht spielen kann. Die Ausbildung zum Industriekaufmann bricht er zwangsläufig ab. Letztlich war es ein Sachbuch zu dem Thema, das ihn überzeugt hat. Dass er gemerkt hat, dass da was nicht stimmt. 2016 hat er eine Therapie gemacht. Kurz vor der Uni. Heute studiert er Sozialwissenschaften in Siegen und ist im Fachverband für Medienabhängigkeit tätig. „Man ist nie ganz geheilt“, sagt er. „Aber ich habe wieder Struktur im Alltag, bin ein Frühaufsteher geworden und habe Lust auf das Leben. Sucht ist keine Charakterschwäche, sondern eine Krankheit.“
Nun wird Mike Warnecke die Selbsthilfegruppe „144 Her(t)z Selbsthilfegruppe für Computerspiele und Internetsucht“ leiten. Sie richtet sich an Betroffene ab 18 Jahren. „Wir haben ganz häufig Anfragen bekommen“, berichtet Petra Weinbrenner-Dorff von der DRK-Selbsthilfekontaktstelle des Kreises Olpe. „Deswegen sind wir sehr glücklich, dass Herr Warnecke sich bei uns gemeldet hat.“ Es geht vor allem um den Austausch. Dass die Betroffenen merken, dass sie nicht allein sind. Aber es geht auch um Aufklärung. Dass Spielsucht keine Frage der Spielhäufigkeit ist, zum Beispiel. „Es ist nicht so, dass jemand gleich süchtig ist, wenn er spielt“, betont Mike Warnecke. „Wenn er aber die Kontrolle über sein Leben verliert, alles andere unwichtig ist, selbst die Arbeit, und man trotz negativer Konsequenzen weiterspielt, dann muss man handeln. Im schlimmsten Fall kann sowas sonst im Suizid enden.“
Weitere Infos
Für die neue Selbsthilfegruppe (SHG) „144 Her(t)z Selbsthilfegruppe für Computerspiele und Internetsucht“ wird es am 12. Februar, 18 Uhr, eine virtuelle Einstiegsveranstaltung geben. Anmeldungen an die DRK-Selbsthilfekontaktstelle unter 02761/2643 oder per Mail an shk@kv-olpe.drk.de. Die SHG soll alle 14 Tage freitags um 18 Uhr (virtuell) zusammenkommen. Weitere Infos erteilt die DRK-Selbsthilfekontaktstelle.
Ansprechpartner ist außerdem die Suchtberatung der Caritas AufWind. Dort gibt es auch ein Gruppe für die Angehörigen von Suchtkranken. Bei Fragen oder Interesse wenden Sie sich an cbucher@caritas-olpe.de. Oder telefonisch unter 02761/9211518