Lennestadt. Wie viel Beitrag und ab welchem Einkommen müssen Eltern künftig für Ganztags-Grundschüler zahlen? Der Stadtrat hat entschieden.
Wo hört Armut auf, wo fängt Reichtum an, ab wann und in welcher Höhe soll eine Stadt ihre Reichen zur Kasse bitten, den Bedürftigen unter die Arme greifen? Beim Thema Elternbeiträge für das Ganztagsangebot an Grundschulen kam es im Stadtrat Lennestadt am Mittwoch Abend zu einer politischen Grundsatzdiskussion, hauptsächlich zwischen CDU auf der einen und SPD und Grünen auf der anderen Seite. Eines vorweg: CDU und UWG setzten mit ihrer Mehrheit von 20 Stimmen gegen SPD, Grüne und Linke (15) durch, dass eine sogenannte Variante 2 a von der Verwaltung in eine Satzung gegossen und dann dem Stadtrat erneut zur Abstimmung vorgelegt wird. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Rat dürfte die Entscheidung dann nur eine Formalie sein.
Worum geht es im Kern? Bisher zahlten alle Eltern für ihre Grundschulkinder, die die Angebote des Ganztagsbetriebs in Anspruch nehmen, 45 Euro pro Kind und Monat, 50 Prozent davon für ein zweites Kind, ab dem 3. Kind nichts mehr. Wer allerdings ein Jahresnettoeinkommen von 20.000 Euro nicht überschreitet, zahlt nichts. Gleiches gilt für Bezieher von Transferleistungen wie Hartz IV, Wohngeld oder Sozialhilfe.
Einsparmöglichkeit
Nachdem die Gemeindeprüfungsanstalt die Finanzen, also das Ein- und Ausgabepotenzial der Stadt unter die Lupe genommen hatte, rieten die Prüfer, auch die Elternbeiträge zu durchleuchten, um Ausgaben einzusparen.
Deshalb die Diskussion im Stadtrat, aus der die Variante 2 a als Beschlussergebnis hervorging. Familien oder Alleinerziehende mit Mini-Einkommen bis 20.000 Euro Jahresbruttoeinkommen (Änderung zu vorher) zahlen auch weiterhin nichts, ebenso Bezieher der eben erwähnten Transferleistungen. Wer mehr verdient, zahlt gestaffelt. Bis 30.000 Euro Jahresbruttoeinkommen (JBE) sind das künftig 23 Euro pro Monat und Kind, also deutlich weniger als die bisherigen 45 Euro. Erst, wer mehr als 52.000 Euro im Jahr brutto verdient, muss künftig mehr als bisher zahlen: 47 Euro. Gestaffelt steigt der Beitrag dann bis zur Höchststufe: Bezieher von JBE über 100.000 Euro zahlen künftig 120 Euro pro Kind und Monat für den Ganztagsbetrieb.
SPD-Vorschlag
Die SPD hatte einen eigenen Vorschlag vorgelegt, der sich aber nicht durchsetzte. Eine Beitragszahlung begann erst ab 30.000 Euro aufwärts mit 15 Euro pro Kind und Monat und steigerte sich je nach Einkommen. Über den bisherigen 45 Euro lag erst eine Familie ab einem JBE ab 64.000 Euro mit 48 Euro, und deutlich stärker wurden dann die höheren Einkommensbezieher belastet. Beispiel: Ab 110.000 Euro JBE wären 144 Euro pro Kind und Monat fällig, für Spitzenverdiener mit mehr als 136.000 Euro JBE wären 203 Euro fällig geworden.
SPD-Fraktionssprecher Heinz Vollmer begründete den SPD-Antrag unter anderem damit, dass gerade Kindern von Geringverdiener ein Ganztagsangebot nicht durch höhere Beiträge verstellt werden sollten: „Niemand darf außen vor bleiben, weil er die Beiträge nicht zahlen kann.“ Das sei auch eine Frage der Familienfreundlichkeit. Während Christa Orth-Sauer (Grüne) dem SPD-Vorschlag etwas abgewinnen konnte, weil die aktuelle Staffelung ungerecht sei, verteidigte Rita Balve-Epe (CDU) die von ihrer Fraktion getragene Varianter 2 a als sozial ausgewogen. Sebastian Sonntag (SPD) rechnete vor, dass ein Jahresbruttoeinkommen von 22.000 Euro einem monatlichen Einkommen von 1833 Euro gleichkomme, da könnten 15 Euro Monatsbeitrag weh tun, was Kerstin Bauer (UWG) bezweifelte.
Schnütgen fürchtet Steuererhöhungen
Gregor Schnütgen (CDU) holte weiter aus, auch perspektivisch: Die Zahl der Kinder, die die Ganztagsangebote künftig nützen würden, werde deutlich ansteigen, somit auch die finanzielle Belastung der Stadtkasse: „Im Schuljahr 2019/2020 waren das noch 90 Ganztagskinder, im Schuljahr 2020/2021 bereits 161. Und die Prognose für 2025/2026 liege bei rund 360 Kindern.“ Die jährlichen Kosten für den Ganztag für ein Kind lägen bei rund 2600 Euro, davon übernehme das Land rund 1400 Euro. Der Elternbeitrag derzeit decke rund 250 Euro, es verbleibe ein Fehlbetrag, der von der Stadt getragen werden müsse, von fast 990 Euro. Angesichts „sozialer Spendierfreudigkeit“ dürften die Fakten nicht außer Acht gelassen werden. Wenn der Fehlbetrag weiter steige, seien irgendwann Steuererhöhungen nicht auszuschließen.
Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass sich alle Fraktion in einem Punkt einig waren: Nach einem Jahr soll die künftige Regelung überprüft und insbesondere die Frage beantwortet werden, ob die neue Beitragsstaffel Eltern und wie viele davon abhalte, ihre Kinder in den Ganztagsbetrieb zu schicken.