Attendorn. Stolz auf das Erreichte und motiviert für die Zukunft blicken die Attendorner Sozialdemokraten am Sonntag auf ihr 125-jähriges Bestehen zurück.

Am Heiderbaum, zwischen Impfzentrum und Industriegebiet Ennest gelegen, wurde am Sonntag die neue Fahne der Attendorner SPD gehisst. An diesem geschichtsträchtigen Ort gründeten auf den Tag genau vor 125 Jahren – am 6. Juni 1896 – mutige Männer unter freiem Himmel den SPD-Ortsverein. Das Jubiläum des ältesten SPD-Ortsvereins im konservativ geprägten kurkölnischen Sauerland feierten die Sozialdemokraten Corona-bedingt im kleineren Kreis. Die große Feier für alle Mitglieder und Gäste soll im Herbst nachgeholt werden, hofft Wolfgang Langenohl, der 13. Vorsitzende in der langen Geschichte des Ortsvereins.

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Zeiten ändern sich

Wie sich die Zeiten ändern. Auf dem ältesten bekannten Gruppenfoto von Attendorner Genossen aus dem Jahr 1911 las Josef Mayworm, einer der SPD-Gründungsväter und von 1896 bis 1947 Vorsitzender des Ortsvereins, demonstrativ in einer Zeitung mit dem bezeichnenden Namen „Der Atheist“. Auch wenn es bis in die 1980er-Jahre noch Scharmützel mit der katholischen Kirche gab, mit einem von Jürgen Meise und Alfons Stumpf verfassten und vor dem Sauerländer Dom verteilten Gegen-Pfarrbrief als Höhepunkt, längst haben die Sozialdemokraten aus der Hansestadt ihren Frieden mit der örtlichen Geistlichkeit gemacht.

Und so waren Dechant Andreas Neuser und Superintendent Dr. Christof Grote gerne der Einladung zu einer ökumenischen Andacht am Heiderbaum gefolgt. Den Bogen zur Gegenwart schlug Hartmut Hosenfeld von der Initiative „Jüdisch in Attendorn“. „Es ist kurz vor 12. Wir sind mittendrin in einer Hass-Spirale.“ Und dann zitierte Hosenfeld Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: „Es darf kein Ende der Erinnerung geben.“

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Nie wieder Hatz und Hetze

„Wehret den Anfängen! Nie wieder Hass und Hetze“, betonte auch Gastgeber Wolfgang Langenohl. Die SPD hat nach Ansicht des Vorsitzenden des 125 Jahre alten Ortsvereins viel erreicht. „Aus Proleten wurden Bürger gemacht, das Frauenwahlrecht wurde eingeführt und soziale Gerechtigkeit in weiten Teilen geschaffen. Diese großen historischen Aufgaben, auch die Aussöhnung mit den Nachbarn in Europa, hat sie erfüllt. Doch viele meinen, jetzt kann sie abtreten.“ Trotz der „derzeitigen Schwäche der SPD“ ist Langenohl „überzeugt, dass die SPD auch im 21. Jahrhundert gebraucht wird und eine gute Zukunft haben kann“.

Gegen den Landes- und Bundestrend

„Der Zustand der SPD im Allgemeinen“ ist auch für Christian Pospischil „kein Grund zur Freude“. Aber für den Bürgermeister mit SPD-Parteibuch bleibt die Sozialdemokratie „Schutzmacht für die kleinen Leute“. Pospischil, bei der Kommunalwahl im Herbst 2020 mit 77 Prozent wiedergewählt, ist jedenfalls „stolz und glücklich, Mitglied in diesem Ortsverein zu sein“. Das Erfolgsrezept der Attendorner SPD – mit 16 Stadtverordneten erneut die stärkste Fraktion im Stadtrat – beschrieb der Bürgermeister beim offiziellen Teil der Feier in der Stadthalle so: „Pragmatisch, bodenständig und gesellig – wie das Sauerland.“ „Verantwortung vor Ort übernehmen und lokale Verhältnisse beachten.“ Das bedeutet für Christian Pospischil auch, nicht alles mitzumachen und zu übernehmen, was von der Landes- oder Bundespartei vorgeschlagen wird.

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Schirmherr und Ehrengast Thomas Kutschaty ist stolz auf 125 Jahre SPD in Attendorn.
Schirmherr und Ehrengast Thomas Kutschaty ist stolz auf 125 Jahre SPD in Attendorn. © WP | martin droste

Damit hatte Ehrengast und Schirmherr Thomas Kutschaty am Sonntag kein Problem. Der SPD-Landesvorsitzende und Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag hat natürlich mitbekommen, dass die Attendorner Genossen „seit vielen Jahren schon so manchem Bundes- und Landestrend“ getrotzt haben. „Ich wäre der glücklichste Landesvorsitzende, wenn alle unsere 1.200 Ortsvereine in Nordrhein-Westfalen so quicklebendig wären wie der in Attendorn“, schmeichelte Kutschaty seinen Gastgebern. Der Oppositionsführer weiß aber, dass diese „hervorragenden Ergebnisse hart erarbeitet“ werden müssen.

Es ist erst einige Jahrzehnte her, dass die Sozialdemokraten außerhalb der Kernstadt gegenüber der CDU hoffnungslos in der Minderheit waren und die Christdemokraten im Repetal weit über 90 Prozent der abgegebenen Stimmen holten. Diese Zeiten sind längst vorbei. „Wer hätte sich das 1896 träumen lassen“, dachte Bürgermeister Christian Pospischil an die mutigen Männer, die vor 125 Jahren am Heiderbaum den SPD-Ortsverein gegründet haben.

Neue Fahne zieht wieder um

Die am Sonntag gehisste SPD-Fahne am Gründungsort Heiderbaum weht dort nicht lange. Der von Walter Sinzig, seit 25 Jahren stellv. Vorsitzender des Ortsvereins, und seinen Helfern aufgebaute Fahnenmast kommt zurück vor das SPD-Haus in der Vergessenen Straße. Aber vielleicht erinnert demnächst eine rote Bank am Heiderbaum an den 6. Juni 1896. Für Meinolf Schmidt von der UWG wäre dies das passende Geschenk seiner „Unabhängigen“.