Oedingen. Loreen Beuth aus Oedingen muss monatelang auf ihren Verdienst als Kellnerin verzichten. Arbeitsagentur sieht Rückkehr zu alten Rollenmustern.

Die Zeit nach dem Abi hat sich Loreen Beuth eigentlich anders vorgestellt. Ein bisschen reisen, ein bisschen jobben, bevor die Uni losgeht. Dann kam der 13. März 2020. Die damals 19-Jährige aus Oedingen arbeitete gerade in einem Hotel im norwegischen Bergdorf Finse, im Niemandsland an der Bahnstrecke zwischen Oslo und Bergen. Das Hotel musste sofort coronabedingt schließen. Und Loreen sofort zurück nach Deutschland. Die unbeschwerte Zeit: vorbei.

Am 15. März bin ich zurückgeflogen. Ich hatte noch echt Glück, weil Norwegen einen Tag später den kompletten Flugverkehr eingestellt hat“, erinnert sich Loreen. Eigentlich wollte sie fünf Monate in Norwegen bleiben; letztendlich blieb sie nur drei Monate. Plötzlich ist sie wieder im Elternhaus in Oedingen statt in der großen weiten Welt. Im ersten Lockdown wird sie quasi zum Nichtstun gezwungen.

Umso glücklicher ist Loreen, als sie bald von der Stellenausschreibung im Landhotel Voss in Saalhausen liest. Gesucht wird eine Servicekraft im Restaurant. „Das war super für mich, weil es nicht weit von mir entfernt ist und mir dieser Bereich schon in Norwegen am meisten Spaß gemacht hat“, erzählt die 20-Jährige. Am 1. Juli 2020 tritt sie schließlich eine Teilzeitstelle an. Zu diesem Zeitpunkt sind die Infektionszahlen so gering, dass Hotels und Gastronomie-Betriebe unter Beachtung der gängigen Hygieneregeln öffnen dürfen. Bei rund 100 Arbeitsstunden im Monat verdient Loreen etwa 1000 Euro. Ab und zu arbeitet sie auch noch in dem Bowling-Center „Players Lounge“ in Finnentrop, ebenfalls als Servicekraft. Sie möchte sich etwas dazu verdienen, bevor ihr Studium im Oktober beginnt. BWL an der Uni Siegen. Alles läuft gut, fast normal. Dann: der nächste Lockdown.

„Ich wollte sowieso etwas weniger arbeiten, um mich mehr auf das Studium zu konzentrieren“, wirft Loreen ein. Aber von dem einen auf den anderen Monat kein eigenes Geld mehr zu haben – das war nicht geplant. Immerhin: Sie muss nicht für Miete oder sonstige Unterhaltskosten aufkommen, weil sie auch noch als Studentin bei ihren Eltern in Oedingen lebt. „Zumal ich nicht einmal seit dem Studienbeginn eine Präsenzveranstaltung hatte. Alles läuft online, auch Klausuren“, sagt Loreen. Kommilitonen hat sie noch nie getroffen. „Ich habe schon so oft von Leuten mitbekommen, wie sie von ihrer Studienzeit schwärmen, von der Erstiwoche und den ganzen Leuten, die sie dabei kennengelernt haben.“ All das ist ihr verwehrt geblieben.

Worauf sich Loreen am meisten nach der Pandemie freut? „Dass ich endlich mal zur Uni gehen kann, einen geregelten Alltag habe, Freunde treffen und dann auch mal in den Club gehen kann.“ Ein Stück Normalität, so wie sie sie aus anderen Studenten-Erzählungen kennt. Immerhin darf sie in dieser Woche wieder anfangen zu arbeiten. Nach sieben Monate Pause kehrt sie zurück ins Landhotel Voss.

>>> FRAUEN SIND ÖFTER IN CORONA-GEBEUTELTEN BRANCHEN VERTRETEN

  • Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 explodierte die Zahl der Anträge auf Kurzarbeitergeld. Vor allem das verarbeitende Gewerbe war und ist massiv von Kurzarbeit betroffen; eine Branche, in der tendenziell mehr Männer als Frauen beschäftigt sind, aber: „Wir sehen nur, wie viele Beschäftigte von Kurzarbeit betroffen sind und nicht, in welchem Umfang. Das heißt, es können auch Angestellte sein, die nur zehn Prozent Kurzarbeit haben und dementsprechend weniger pessimistisch sind als diejenigen, die zu 100 Prozent in Kurzarbeit sind“, sagt Nina Appel, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit in Siegen. Zumal die Löhne im verarbeitenden Gewerbe deutlich höher seien als beispielsweise im Einzelhandel oder in der Gastronomie (Platz 2 und 3 im Ranking der Kurzarbeit) und damit die finanziellen Einbußen nicht so einschneidend seien. Vor allem seien in der Pandemie aber auch einige Familien in alte Rollenmuster verfallen. „Da wird schon mal vorausgesetzt, dass sich die Frau zusätzlich zum Homeoffice noch um Haushalt und Homeschooling kümmert“, meint Appel.
  • Auch IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener sieht besonders jene Branchen von der Pandemie gebeutelt, die überwiegend weiblich besetzt sind. Dazu zählten neben dem Einzelhandel und der Gastronomie auch beispielsweise Personaldienstleistungen. Abgesehen von den wirtschaftlichen Rückschlägen, die sich durch die Kurzarbeit ergeben haben, seien Frauen aber auch viel öfter in Bereichen vertreten, „die direkt von der Pandemie betroffen waren“, so Gräbener. Dazu gehört vor allem das Krankenhaus- und Pflegepersonal, das täglich von Risikopatienten umgeben war und ist.