Siegen/Olpe. Konjunkturumfrage der IHK Siegen: Die Wirtschaft könnte mit einem blauen Auge durch die Corona-Krise kommen. Gastronomie und Handel leiden weiter

In der Wirtschaft liegen Licht und Schatten in diesen Tagen dicht beieinander: Der Konjunkturklimaindex stieg um 18 Punkte auf 118 – höchster Stand seit Januar 2019. Im Mai 2020 lag er noch bei 65. Gleichzeitig haben alle Branchen ihre je eigenen Probleme. Nicht nur Handel und Gastronomie, deren Lage in der Pandemie nach wie vor alles andere als rosig ist. Der Industrie macht etwa zunehmende Rohstoffknappheit zu schaffen, während die Baubranche dringend Fachkräfte braucht.

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553 Unternehmen im Bezirk der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen haben sich an der aktuellen Konjunkturumfrage beteiligt, 29 Prozent aller Unternehmen. 80 Prozent davon bewerten ihre Lage im April als gut oder befriedigend, 83 Prozent erwarten, dass das so bleibt oder sich noch verbessert. Allerdings zerfalle die heimische Wirtschaft in eine konjunkturelle Zwei-Klassen-Gesellschaft, so IHK-Präsident Felix G. Hensel: Während es in der Industrie mehrheitlich gut aussieht, seien Handel, Gastronomie und Teile der Dienstleistungsbranche „Corona-Verlierer“: 86 Prozent stufen ihre Lage als schlecht ein, 64 Prozent erwarten, dass sie sich weiter verschlechtert.

Unübersichtliche Gemengelage im Bezirk der IHK Siegen – jede Branche hat ihr Problem

Während die Ursachen für die Probleme dieser Branchen auf der Hand liegen, gibt es keine ökonomische „Großwetterlage“, die für Wohl oder Wehe der heimischen Wirtschaft verantwortlich sein könnte, zu branchenspezifisch sind die Problemlagen. Das liege schon innerhalb der Branchen teils sehr nah beieinander: In der Industrie sind es unter anderem Energie- und Rohstoffpreise, im Baugewerbe der Fachkräftemangel, im Großhandel die Inlandsnachfrage, im Gastgewerbe die wirtschaftspolitische Situation, also Corona. Von der anspringenden Konjunktur in China und den USA würden hiesige Leitbranchen profitieren, generelle Aussagen lasse das aber nicht zu. Gemengelage: unübersichtlich.

Der Branchenmix in Olpe ist stabiler als in Siegen-Wittgenstein, so die Einschätzung der IHK.
Der Branchenmix in Olpe ist stabiler als in Siegen-Wittgenstein, so die Einschätzung der IHK. © IHK Siegen

Aber grundsätzlich gelte: „Ich hätte nicht geglaubt, dass wir nach einem Jahr dieser Krise eine solche Aufbruchsstimmung messen würden“, sagt Klaus Gräbener. Vor einem Jahr hätten alle noch geglaubt, dass es frühestens ab 2022 wieder aufwärts gehen würde – dann wäre Corona ein blaues Auge gewesen. „Aber viele trauen dem Braten noch nicht.“

Industrie in Olpe steht besser da als in Siegen-Wittgenstein – Lieferengpässe drohen

Industrie: Die Erwartungen sind „außerordentlich gut“, sagt Gräbener – noch nicht die Spitzenwerte von 2018/19, aber die gerieten schon in den Blick. Die Auslastung sei sehr ordentlich, die Betriebe investierten und bauten die Belegschaften aus. Der Auftragseingang In- und Ausland: „Richtig gut.“ Wobei der Kreis Olpe dabei besser dastehe als Siegen-Wittgenstein, „der Branchenmix scheint in Olpe weniger anfällig zu sein“, so Gräbener; Rohrhersteller und Gießereien hätten nach wie vor zu kämpfen, aber es gehe aufwärts. Ähnlich die Lage im Maschinenbau.

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Drei Viertel der Unternehmen klagten allerdings über Lieferengpässe, „der gerade anspringende Konjunkturmotor droht ins Stottern zu geraten“, warnt Hensel. Bei Kunststoffen oder Elektronikbauteilen sei das zum Teil gravierend, Produktionsstopps die Folge – „das hat es so noch nicht gegeben“, sagt der Kammerpräsident.

Beschäftigtenzahl in Siegen-Wittgenstein und Olpe sinkt während der Krise

Dass die heimische Industrie so stark in internationale Lieferketten eingebunden sei, zeige die Verletzlichkeit – Fluch und Segen zugleich, sagt Hensel. Die Zahl der Beschäftigten sei definitiv niedriger als vor Krisenbeginn, über Effekte von Kurzarbeit und wie viele Unternehmen vor der Insolvenz stehen, wisse man noch gar nichts.

Insgesamt sieht die Lage positiv aus – aber in einzelnen Branchen ist das Bild ein völlig anderes.
Insgesamt sieht die Lage positiv aus – aber in einzelnen Branchen ist das Bild ein völlig anderes. © IHK Siegen

Bau: „Insgesamt sehr gut“, so Gräbener – da sei man natürlich eher verhalten in der Erwartung, dass es noch besser werde.

Großhandel: Industrienah, 60 Prozent bewerten ihre Lage als gut, „der beste Wert der gesamten Umfrage“, freut sich Gräbener.

Dienstleistung: Insgesamt ging es deutlich nach oben – „industrienah geht stramm hoch, der Personalbereich sehr verhalten“, so Gräbener.

Handel und Gastronomie – IHK Siegen: „Perspektivlosigkeit mit Händen zu greifen“

Handel: „Komplett gespalten“ – Lebensmittel und Baumärkte boomen, Mode und alles, was in Innenstädten liegt, nicht.

Gastronomie: „Vollkommen unterirdisch, schlechter geht’s nach monatelangem de-facto-Berufsverbot nicht“, sagt Gräbener. Die Erwartung sei zwar noch etwas besser als im Januar, aber auf so niedrigem Niveau könne man kaum von Anstieg sprechen. „Die Perspektivlosigkeit ist mit Händen zu greifen“, berichtet der Hauptgeschäftsführer, die Branche fühle sich von der Politik „komplett verlassen.“ Wenn die sich um den Handel nur ansatzweise so gekümmert hätte, „wie um hochbezahlte Fußballprofis“ müsste der Einzelhandel nicht mehrheitlich um seine Existenz kämpfen. Eigenkapital sei zu weiten Teilen schon vernichtet. „Die trauen der Politik nicht mehr.“ Zuverlässigere Hilfen würden das kaum mildern.

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