Kreis Olpe. Ein Marktforschungsinstitut hat sich mit der Gesundheitsversorgung im Kreis Olpe beschäftigt. Das Ergebnis: Einiges liegt im Argen.

Immer häufiger haben Hausärzte Probleme, einen Nachfolger für ihre Praxis zu finden. Patienten sind unzufrieden, weil sie lange auf einen Termin beim Facharzt warten müssen – und medizinische Fachkräfte klagen über hohe Arbeitsbelastung. Die Probleme im Bereich der gesundheitlichen Versorgung erscheinen immens. Auch im Kreis Olpe. Doch woran liegt das eigentlich?

Genau das hat sich Florian Junker, Unternehmensberater und Medizinproduktberater aus Olpe, gefragt – und vor einem Jahr kurzerhand ein Leader-Projekt ins Leben gerufen, das die Ursachen an der Basis ermitteln sollte (unsere Zeitung berichtete). Nun wurden die Ergebnisse am Dienstagabend in der Stadthalle präsentiert.

Ein Jahr geforscht

Ein Jahr lang hat die Marktforschung gedauert. Dabei handelt es sich um eine ganz besondere Studie, die deutschlandweit in diesem Bereich so noch nie angewandt wurde. Sie nennt sich „Storylytics“. Das Prinzip: Menschen aus verschiedenen Interessengruppen werden zu einem bestimmten Thema (in dem Fall die gesundheitliche Versorgung) befragt. Nicht in Form von klassischen Interviews – eher in Form von Monologen. Der Gedanke dahinter: Die Studienteilnehmer sollen möglichst frei erzählen, was sie bewegt. Das große Ziel: Mustererkennung. Also was bewegt Ärzte, Apotheker, Patienten, Politiker, Universitätsprofessoren, Medizinstudenten, Gesundheitsmanager, Altenpfleger und Menschen aus der Notfallmedizin mit Blick auf die gesundheitliche Versorgung gleichermaßen? Wo ist der rote Faden, der als Leitlinie für zukunftsfähige Maßnahmen gilt?

Experten auf dem Gebiet sind Dr. Hermann Sottong von der der Agentur „System und Kommunikation“ in Regensburg und Jan Fockele, Geschäftsführer der Agentur Laub & Partner aus Hamburg. In ihrer Studie haben sich im Prinzip drei Handlungsfelder für den Kreis Olpe ergeben: Die Zeit, die Kommunikation und die Organisation.

Die Zeit

Der größte Handlungsbedarf besteht bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Menschen im Gesundheitswesen. „Fast alle Ärzte und Ärztinnen haben im Laufe der Gespräche durchscheinen lassen, wie wichtig es ihn wäre, sich mit viel Zeit, Hinwendung und Empathie ihren Patienten zu widmen“, berichtet Dr. Hermann Sottong. „Aber diese Zeit fehlt an allen Ecken und Enden.“ Das Problem betreffe sowohl die niedergelassenen Ärzte als auch die Ärzte im Krankenhaus sowie das medizinische Personal und den Pflegebereich. „Wenn die Krankenschwester beispielsweise nicht genug Zeit hat, die Situation ihres Patienten zu hinterfragen, dann ist Heilung schwieriger“, so Sottong.

Heißt: Es gibt zu wenig Personal. Vor allem mit Blick auf die künftige hausärztliche Versorgung. „Den Hausarzt der alten Schule werden wir nicht 1:1 ersetzen können“, sagt Jan Fockele. „Wir werden mehr Ärzte brauchen, um einen zu ersetzen.“ Der Grund: Die Lebensmentalität und die Erwartungen der angehenden Mediziner haben sich verändert. Geregelte Arbeitszeiten, Work-Life-Balance – das spielt bei der neuen Generation eine größere Rolle. „Wenn wir die Arbeitsbedingungen verbessern, wird auch das Interesse der Ärzte, sich niederzulassen, steigen“, sagt Fockele.

Die Kommunikation

Die Studienteilnehmer sind immer wieder auf das Thema der Kommunikation zu sprechen gekommen. „Die Kommunikation zwischen Apotheke, Hausarzt und Krankenhaus läuft nicht reibungslos“, sagt Jan Fockele. „Das könnte schneller, einfacher und effizienter sein.“ Zum Beispiel bei der Entlassung und der Übermittlung des Medikationsplans spiele das eine Rolle. Bisherige Bemühungen, das Kommunikations-Problem zu lösen, seien im Sande verlaufen. „Da darf man nicht locker lassen und muss neue Ansätze finden“, betont Sottong.

Weiterhin müsse Gesundheitsbildung und Informationspolitik ausgebaut werden. Auch auf kommunaler Ebene. Ein Beispiel: Die Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (116117) wurde ins Leben gerufen, um die Notdienste zu entlasten. Doch das funktioniert nur mäßig. „In Wirklichkeit ist es so, dass man auf eine große Verwirrung trifft“, berichtet Sottong. „Viele Leute wissen nicht, welche Nummer sie anrufen sollen.“

Die Organisation

Patienten gehen mit ihren Beschwerden zum Hausarzt, bekommen vor Ort gegebenenfalls eine Überweisung zum Facharzt. Das heißt, der Hausarzt fungiert als Lotse. Eigentlich. Doch Sottong und Fockele haben in ihrer Studie herausgefunden, dass das in vielen Fällen nicht funktioniert. Patienten gehen auf eigene Faust zum Spezialisten und suchen sich ihren eigenen Weg. Das kann Folgen haben. „Apotheker machen die Feststellung, dass durch verschiedene Verschreibungen Medikamente gefordert werden, die in der Kombination unter Umständen sogar unverträglich sein können“, so Sottong. „Es hat niemand den Gesamtüberblick. Das ist ein Zustand, der so nicht bleiben kann.“

Das Fazit

Also was braucht der Kreis Olpe nun für eine stabile Gesundheitsversorgung? „Wir werden für eine sehr gute Versorgung mehr Menschen brauchen, als wir bis jetzt haben“, macht Sottong deutlich. „Nur so können wir das Gesundheitssystem aufrechterhalten und qualitativ verbessern.“

Die größte Hoffnung setzten die Studienteilnehmer auf die Digitalisierung. Durch die Balance von Telemedizin und Präsenz-Sprechstunde könnten Mediziner einfachste Behandlungen mit kürzerer Zeitaufwendung durchführen – um mehr Zeit für komplexere Behandlungen zu haben. „Da gibt es noch viele Möglichkeiten, die das System entlasten könnten“, betonen Sottong und Fockele.