Olpe. Die Gedanken sind frei – Bestatter Marcus Huckestein findet beim Schwimmen die richtigen Worte für seine Trauerreden.

Drahtig ist er und durchtrainiert. Im blauen Polohemd, kurzen Jeans und weißen Turnschuhen kommt er zum Gesprächstermin. Irgendwie anders, als man es bei seinem Beruf vielleicht erwarten würde. Viel lieber als das Auto nimmt er das Fahrrad und vor allem geht er schwimmen. Und das seit Jahren – mehrere Tage die Woche. Unter 3000 Metern kommt er nicht aus dem Becken. „Das macht den Kopf frei. Wenn es im Büro nicht funktioniert mit den Gedanken, dann lasse ich den Stift liegen und gehe ins Schwimmbad“, sagt Bestatter Marcus Huckestein aus Olpe.

Mit 17 begann der heute 56-Jährige seine Lehre zum Tischler. In Attendorn bei der Schreinerei Lütteke, die seit über 100 Jahren am Platz ist. Und wie es bis in die 1970er-Jahre war – heute ist es bei Lütteke immer noch so – führten die Tischlereien als zusätzliches Standbein Bestattungen durch. „Das lag doch nahe. Da wurden Särge noch per Hand hergestellt“, erklärt Marcus Huckestein. So machte er seine ersten Schritte im Bestattungswesen und fand damit schließlich seinen Beruf – oder besser, seine Berufung. „Der Chef selbst hatte ja wenig Zeit, sich mit den Leuten hinzusetzen. Es wird ja über den Toten gesprochen, man erzählt von ihm. Das muss man wissen, aufzunehmen und den Angehörigen Gehör verschaffen. Das ist wichtig und ich habe gemerkt, dass mir das liegt.“ 2004 machte er sich mit seinem Beerdigungsinstitut in Olpe selbstständig.

Deutlich mehr Interessenten

Tatsächlich gibt es den Ausbildungsberuf zur Bestattungsfachkraft erst seit den 2000er-Jahren. „Unsere Branche hat seit den 1950er-Jahren dafür gekämpft“, sagt Christian Jäger, Geschäftsführer des Bestatterverbandes und der Bestatterinnung in NRW. Seit 2019 ist der Bestatter auch als Vollhandwerk etabliert. Bisher allerdings zulassungsfrei. Dafür gibt es in Deutschland etwas, was man sonst nirgends auf der Welt findet: einen Lehrfriedhof. Der liegt im unterfränkischen Münnerstadt, Landkreis Bad Kissingen. Rund 400 Ausbildungsverhältnisse zum Bestatter bestehen zurzeit landesweit und es gibt mehr Interessenten als vakante Plätze mit einem leichten Überhang an weiblichen Aspiranten. „Es ist ein verantwortungsvoller Job. Mit vielen Entscheidungen, die zu treffen, und vielen organisatorischen Schritten, die zu regeln sind“, erklärt Jäger. „Natürlich, regelmäßige Arbeitszeiten gibt es in dem Sinne nicht. Es ist eine traurige Eigenart dieses Berufes: der Tod kennt keine Uhrzeit. Aber der klassische Nine-to-Five-Job ist doch ohnehin schon lange keine Realität mehr.“

Zweifelsohne hat sich das Bestattungswesen stark gewandelt und individualisiert. Durch schwindende Bindung zum Pfarrer in sich ändernden pastoralen Räumen, Säkularisierung und Kirchenaustritte. Durch Pluralisierung der Lebensformen und durch Enttabuisierung. Man kann zwischen etlichen Bestattungs- und Grabarten und Gestaltungsmöglichkeiten wählen. Zwischen christlicher und weltlicher Bestattung, Feuer- und Erdbestattung, Baum-, Wald-, See- und Luftbestattung. „Die Pferdekutsche ist wieder im Kommen. Es gibt Kollegen, die haben sich Vierspänner angeschafft“, weiß Jäger.

Den passenden Weg finden

„Neulich gab es in einem Friedwald eine Rocker-Beerdigung. Die Trauergemeinde ist mit ihren Harleys bis an die Grabstätte gefahren“, erzählt Marcus Huckestein. Durchgeführt hat er selbst schon eine Oldtimer-Bestattung. Dennoch: „Neben der Abwicklung der Formalitäten und Organisation, ist der Dialog mit den Angehörigen ein ganz wichtiger Teil. Ich verkaufe ja keine Särge. Ich versuche gemeinsam mit den Hinterbliebenen einen passenden Weg zu finden, Abschied zu nehmen.“

Für eine Beerdigung gebe es nun einmal keine zweite Chance, da müsse alles sitzen. „Wenn die Menschen Gedanken mit nach Hause nehmen, dann hat sie wirklich Sinn gehabt“, spricht er von der Herausforderung, seinen Teil dazu beizutragen, um das letzte Kapitel des Lebens zu würdigen. Und dazu gehören auch Trauerreden, die textliche und die musikalische Gestaltung. Für Verstorbene und Angehörige, die einen konfessionellen Abschied nicht wünschen oder für Gläubige, die über den kirchlichen Rahmen hinaus etwas ganz Persönliches möchten. „Das ist noch einmal eine ganz andere Dimension der Begleitung“, sagt Marcus Huckestein. „Die richtigen Worte zu finden, ist nicht so einfach. Jedes Leben ist anders, jeder Tod ist anders.“

Fast immer werde er auf den Tod angesprochen, sagt Marcus Huckestein. „Mich kannst du verbrennen und irgendwo verstreuen“, höre er oft. Tatsächlich sei es ratsam, sich in guten und gesunden Zeiten mit den eigenen Wünschen zu beschäftigen und diese an die Angehörigen weiterzugeben. Wie er selbst als Bestatter mit dem Tode umgehe, sei auch eine häufige Frage. „Ich frage mich, wie ich damit umgehen würde, wenn ich nichts damit zu tun hätte“, so der Olper, der seinen Beruf immer wieder wählen würde. Weil es eben seine Berufung sei. Und der Tod eine logische Konsequenz des Lebens. „Manchmal verbergen sich dahinter natürlich wuchtige Schicksalsschläge. Dann komme auch ich an meine Grenzen“, sagt Marcus Huckestein. Dann muss er abschalten und auftanken. Mit Schwimmen zum Beispiel.