Olpe. . Daniela Jung ist Bestattermeisterin. Sie richtet Unfallopfer wieder her, verschließt Wunden. Doch das ist nicht alles. So sieht ihre Arbeit aus.

Wenn ein Mensch stirbt, ist da plötzlich eine Lücke. Der Schreibtisch bleibt von heute auf morgen leer, das Bett im Schlafzimmer unberührt. Die Lieblingstasse steht ungenutzt im Küchenschrank. Vielleicht war es ein Unfall, der zum Tod geführt hat. Vielleicht war es das Alter – oder Mord. Für die Freunde des Verstorbenen, seine Kinder und Enkel, bedeutet dessen Tod das Ende eines gemeinsamen Lebensweges.

Das Ende einer Freundschaft. Das Ende einer Beziehung. Doch für Daniela Jung ist der Tod der Anfang einer Begegnung. Denn sie lernt Menschen häufig erst dann kennen, wenn sie tot sind. Die 32-Jährige ist Bestattermeisterin. Wie lässt sich ihr Beruf mit ihrem Familienleben vereinbaren? Und welche Todesfälle gehen ihr besonders nah?

Särge und Urnen

Es ist ein helles Büro. Nicht schwarz und trist, wie man es vielleicht vermuten könnte. Im Nebenraum stehen einige Särge zur Auswahl. Aus Eiche, Lärche oder Wildeiche. (Bio-) Urnen reihen sich im Regal nebeneinander. Mal klassisch, mal bunt verziert.

Daniela Jung, Inhaberin des Bestattungshauses Maiworm in Olpe, sitzt an ihrem runden Empfangstisch. Sie hat Kaffee gekocht, erzählt von einigen ihrer Trauerfeiern. Mal hat es die Schützenkappe eines Mannes mit ins Grab geschafft, mal die Tasse eines Kaffeeliebhabers. Mal zierte die Modelleisenbahn die Trauerfeier, mal war es ein kleines Segelschiff – und einmal für einen Wüsten-Fan sogar jede Menge Sand. „Jeder Sterbefall ist einzigartig“, erklärt Jung. „So soll auch seine Trauerfeier sein. Ein Abbild seines Lebens.“

Die letzte Feier

Daniela Jung ist in Olpe aufgewachsen, wohnt zurzeit in Wildbergerhütte. Sie ist eine Quereinsteigerin. Zunächst hatte sie in der Industrie gelernt, machte eine Lehre zur technischen Zeichnerin. Dann bildete sie sich zur Maschinenbautechnikerin weiter. In dieser Phase lernte Jung ihren Mann kennen, bekam ihr erstes von zwei Kindern. Das war die Zeit, in der sie angefangen hatte im elterlichen Bestattungsunternehmen zu helfen. 2014 hat sie dann ihre Ausbildung zum geprüften Bestatter gemacht, ein Jahr später hat sie schon den Familienbetrieb übernommen. Bestattermeisterin darf sie sich seit 2016 nennen, eine spezielle Weiterbildung, die auch dazu befähigt, auszubilden.

Unternehmen hat eine lange Tradition

Das Bestattungshaus Maiworm in Olpe ist Mitglied beim Bundesverband Deutscher Bestatter. Es wird regelmäßig vom TÜV hinsichtlich der Qualität geprüft.

Das Fachunternehmen wurde im Jahr 1955 von Daniela Jungs Opa Paul Maiworm gegründet. Ursprünglich war es eine Schreinerei. Eine Zeit lang wurden dort auch die Särge hergestellt.

2015 hat Daniela Jung das Geschäft von ihrem Vater Paul-Heinz Maiworm übernommen.

Wenn die junge Frau über ihren Beruf spricht, spricht Freude und Begeisterung aus ihr. Wie passt das zusammen? Kann der Beruf des Bestatters tatsächlich Spaß machen? Ja, sagt die Unternehmerin. Denn es geht um weit mehr als um die reine Bestattung. Daniela Jung ist Beraterin, Seelsorgerin, Organisatorin, Trauerrednerin – und in gewisser Weise auch Eventmanagerin. Denn Ziel ist es, die letzte Feier eines Menschen so zu gestalten, dass es dem Verstorbenen gerecht wird, den Angehörigen in schöner Erinnerung bleibt. „Man muss offen für Ideen sein“, erklärt Jung. „Ich schaue mir immer an, wie der Mensch gelebt hat, welche Hobbys er hatte. Heutzutage ist so viel möglich auf der Trauerfeier.“

Doch es geht nicht nur um die Trauerfeier. Jung kümmert sich auch um die Andenken für Zuhause. Das kann die Haarlocke eines Menschen sein, die in einer kleinen Urne verwahrt wird. Das kann aber auch der Handabdruck auf der Leinwand sein. Der Fingerabdruck auf einem Anhänger für die Halskette ist auch eine Möglichkeit. Und natürlich Erinnerungsbücher mit Fotos. „Wenn das gewünscht ist, machen wir auch Fotos am offenen Sarg“, fügt Jung hinzu.

Arbeit mit toten Menschen kostet Überwindung

Natürlich bedeutet die Arbeit mit toten Menschen Überwindung. Wenn die Kripo nachts anruft, mitteilt, dass auf der Autobahn ein Mensch bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, müssen Bestatter raus. 24 Stunden Verfügbarkeit, das Telefon immer in Reichweite. Gewöhnungssache, sagt Daniela Jung.

Auch die Herrichtung der Unfallopfer, das Verschließen der Wunden gehöre nun mal dazu. Sie hat aber auch ein Team an ihrer Seite. Vater Paul-Heinz Maiworm und ihre Mutter arbeiten mit – und gelegentlich hilft auch ihr Mann. „Angefangen hat es damit, dass er mal einen Sarg umladen sollte“, erzählt sie. „Er ist mit der Zeit da rein gewachsen.“

Bestatterin und Mutter

Familie und Bestatter? Passt das zusammen? Schließlich hat Daniela Jung auch zwei Kinder, acht und neun Jahre alt. Am Anfang habe sie ihnen nicht erzählt, was sie macht, sagt Jung. Bis dann einmal die Frage kam, „Mama, wo bringst du den toten Mann denn hin?“

Seitdem redet sie mit den beiden offen über das Sterben. „Fantasie, Filme und Medien sind meistens deutlich schlimmer als die Wahrheit und Wirklichkeit“, macht Jung deutlich. „Deswegen ist es mir wichtig, meinen Kindern ein realistisches Bild zu vermitteln.“

Drüber reden – das ist ein wichtiger Punkt, den Daniela Jung den Menschen immer mit auf den Weg gibt. Wie soll man sich für eine Bestattungsart für den Liebsten entscheiden, wenn man nie darüber gesprochen hat? „Viele denken erst über den Tod nach, wenn es einen Vorfall in der Familie gibt“, sagt Jung. „Vorsorge ist wichtig. Den meisten ist der Umfang, der eine Beerdigung mit sich bringt, gar nicht bewusst.“

Es ist weit mehr als die bloße Organisation einer Trauerfeier. Weit mehr als das Verfassen einiger banaler Sätze über den Toten. Daniela Jung lernt den Menschen nach seinem Tod richtig kennen. Sie spricht mit den Angehörigen, lässt sich seine ganze Lebensgeschichte erzählen, schaut sich Bilder an – um letztlich eine Trauerrede zu verfassen, die dem Menschen gerecht wird. Sie ist für die Hinterbliebenen da, hilft ihnen bei allen Fragen.

Doch sie selbst muss oft auch das Gesehene erst mal verarbeiten. „Es gibt Bestattungen, die vergisst man nie“, sagt Jung. „Insbesondere bei Kindern. Der schlimmste Moment ist, wenn sich die Eltern von ihrem Kind verabschieden. Manchmal fließt dann auch eine Träne. Das kann man nicht immer verhindern.“

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