Olpe/Sondern. Jan Wrede wird bald das Kommando auf der Brücke der Weißen Flotte übernehmen. Der junge Mann aus Sondern wandelt auf den Spuren seines Vaters.

An dem Morgen, als die WP Jan Wrede auf der MS „Westfalen“ trifft, ist mit der Post gerade dessen frisch gedrucktes Kapitänspatent gekommen. „Gleich darauf folgte ein Anruf, um mich noch einmal darauf hinzuweisen, dass ich erst mit 21 Jahren das Schiff auch wirklich führen darf“, erzählt der junge Mann aus Sondern.

Am 18. Oktober feiert er seinen Geburtstag. Bis dahin muss er also noch warten, um tatsächlich das Kommando auf der Brücke zu haben. Dann ist er der jüngste Kapitän aller Zeiten der Weißen Flotte auf dem Biggesee, die hier seit mehr als 50 Jahren unterwegs ist.

Die MS Bigge aus dem Biggesee.
Die MS Bigge aus dem Biggesee. © Birgit Engel | Birgit Engel

„Es macht schon Eindruck, wenn drei Uniformierte von der Bezirksregierung Düsseldorf neben einem stehen und jeden Handgriff, jedes Manöver genau beobachten“, erinnert sich Jan an seine Prüfung. Lange hat er auf das Patent hingearbeitet, wusste schon als Kind, das er einmal Kapitän sein möchte. „Ich habe mich schon immer für Schiffe interessiert, für die Geschichte und die Technik“, sagt Jan. Genauso wie sein Vater Michael (54), der seit 1991 die MS Westfalen und MS Bigge im Nebenberuf führt und mit damals 25 Jahren ebenfalls der bis dahin jüngste Kapitän war.

Große Verantwortung

Voraussetzung für das Patent ist zunächst der Sportbootführerschein Binnen, den Jan Wrede beim Yachtclub Lister erwarb. Zudem zwei Jahre als Matrose bei der Weißen Flotte und eine intensive Ausbildung und Vorbereitung durch die Personenschifffahrt. Gewässer-, Wetter- und Ortskunde, Manövrieren, Schiffstechnik, Streckennachweis und noch viele Dinge mehr gehören zu den Kenntnissen und Anforderungen, die nachgewiesen werden müssen, um die Fahrgastschiffe auf dem Privatgewässer führen zu dürfen.

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Da Jan auf der MS Westfalen und der kleineren Schwester, der MS Bigge, groß geworden ist, kennt er jeden Winkel. Und die Technik ist für den gelernten Elektroniker für Betriebstechnik ohnehin kein Problem. Elektroniker wird der 20-Jährige auch weiter hauptberuflich bleiben.

Am Wochenende im Einsatz

Seinen Einsatz auf dem Biggesee hat er an den Wochenenden. Acht Stunden steht er dann samstags und sonntags auf der Brücke. Als Schiffsführer obliegt ihm die Sicherheit des gesamten Schiffes, der Crew und der Fahrgäste. Und das sind weit mehr als 500 Menschen, wenn die MS Westfalen gut gebucht ist. „Man hat viel Verantwortung. Umso beeindruckender, dass Jan in seinem jungen Alter so nervenstark und cool genug ist“, sagt Peter Reck, Unternehmenssprecher der Personenschifffahrt Biggesee.

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Ganze 55 Meter lang ist die MS Westfalen, hat eine Breite von rund zwölf Metern, einen Tiefgang von lediglich einem Meter und keinen Kiel. Mehr als acht Meter liegen oberhalb des Wassers. „Das macht so ein Schiff extrem windanfällig. Bei den wechselnden und böigen Winden, für die der See bekannt ist, eine große Herausforderung für den Schiffsführer, insbesondere bei den Ab- und Anlegemanövern und auch weil wir über kein Bugstrahl verfügen“, erklärt Peter Reck.

Unterschiedliche Herausforderungen

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Eine Herausforderung für den Kapitän sind aber nicht nur die von der Natur und der Technik vorgegebenen Bedingungen, sondern vielmehr die Menschen, die an und auf dem Wasser Erholung suchen. An sonnigen Tagen, in den Ferien und an Feiertagen ist hier jede Menge los. Und es scheint, als hätte Corona dem Tourismus nochmal einen Schub gegeben. Unzählige Segelschiffe, Kleinboote, Angler, Schwimmer und Stehpaddler tummeln sich im Sommer auf dem See. „Stand-up-Paddeln ist voll im Trend, wird immer beliebter. Der Sport hat richtig zugelegt“, sagt Peter Reck. Während man mit den heimischen Seglern und Anglern ein einwandfreies Verhältnis habe und pflege, seien die Stehpaddler mitunter ein Problem. Nicht wegen der Anzahl. „Viele sind unsicher auf ihren Brettern, paddeln oft mitten auf dem See, kennen aber nicht die Regeln und überschätzen sich.“ Überschätzung sei auch bei so manchem Schwimmer zu beobachten. Alleine die Wellen, die ein Schiff erzeugt, könnten ungeübten Stehpaddlern oder Schwimmern gefährlich werden.

Neuer Kapitän

Mit Rüdiger Siebers (40) aus Lennestadt hat die Personenschifffahrt einen weiteren neuen Kapitän auf der Brücke. Er wird neben Bernd Stumpf hauptberuflicher Schiffsführer sein.

„Wenn man hier oben auf der Brücke in über acht Metern Höhe steht, hat man nochmal einen ganz anderen Blick auf den See“, sagt Bernd Stumpf, seit vielen Jahren hauptberuflicher Schiffsführer bei der Personenschifffahrt Biggesee. Er kennt nicht nur die Schiffe der Weißen Flotte, sondern auch den See wie seine Westentasche. Und doch müssen er und seine Kollegen in jeder Minute aufmerksam sein. „Wenn sich die Sonne im See spiegelt, kann auch ein Entenkopf wie der eines Menschen erscheinen oder umgekehrt. Bei viel Betrieb steht neben dem Schiffsführer auch der Matrose mit im Ausguck auf der Brücke.“

Barrierefreier Eintritt

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Im Juni 1967 ließ die Lux Werft- & Schifffahrt GmbH mit ihrem Gründer Johann Lux das erste Fahrgastschiff für den Biggesee zu Wasser. Die Besonderheit: der sogenannte Buganleger, mit dem keine Anlegebrücke gebraucht wird und ein barrierefreier Einstieg möglich ist. Mit dieser Anlege-Vorrichtung fahren heute alle Personenschiffe auf den Talsperren des Ruhrverbandes. Am 6. Dezember endet die Saison der Schiffe auf dem Biggesee. Jan Wrede bleiben also noch ein paar Wochen, um als Kapitän auf der Brücke tätig zu sein. Direkt neben seinem Arbeitsplatz hängt die Schiffsglocke, die als Instrument für Schallsignale schlichtweg auf jedes Schiff gehört. Normalerweise dient sie der Signalgebung. Zum Beispiel bei schlechter Sicht und Nebel oder auch für die Zeit und den Wachrhythmus. Auf den Personenschiffen auf dem Biggesee wird die glänzende, goldfarbene Glocke jeden Morgen geschlagen: „In Gottes Namen gute Fahrt“ gehört zum festen Ritual vor Antritt der ersten Fahrt.