Attendorn. Marita und Jochen Hannig wohnen am Waldenburger Weg in Attendorn, unweit der beliebten Waldenburger Bucht. Sie haben das Verkehrsaufkommen statt.
Als Marita und Jochen Hannig Ende der 1990er Jahre an den Waldenburger Weg in Attendorn zogen, war ihre Welt noch in bester Ordnung. Gut 20 Jahre später gibt es Momente, in denen die Eheleute ihr Entscheidung von damals anzweifeln. Und zwar aus einem einzigen Grund: Durch die immer stärkere Verkehrs- und Lärmbelästigung auf ihrer Straße kommen sie kaum noch zur Ruhe.
„Es schränkt uns in unserer Lebensqualität enorm ein und gefährdet unsere Gesundheit. Mitunter drehe ich im Garten das Radio auf, um den Verkehrslärm nicht mehr hören zu müssen“, klagt Marita Hannig im Gespräch. Die Attendorner fühlen sich – wie andere Anwohner auch – von Polizei, Stadt und Politik im Stich gelassen.
Wer die Verkehrssituation am Waldenburger Weg nicht kennt, muss wissen: Es gibt nur diese eine Straße, die hoch zur Waldenburger Bucht an die Bigge führt. Früher war die Straße eine reine Anliegerstraße, und am Haus der Hannigs fuhr nur vorbei, wer am Campingplatz Urlaub machen wollte.
Doch längst hat sich die Waldenburger Bucht zu einem beliebten touristischen Ausflugsziel entwickelt: die Eröffnung des Biggeblicks in 2013 (Jochen Hannig: „Das war unser Untergang“) sei nur als ein Beispiel genannt.
Keine Vorbehalte gegen Tourismus
Die logische Konsequenz: Der Verkehr und damit auch die Raserei nahmen stetig zu. Gerade bei wunderbarem Sommerwetter. „Um das klar zu stellen“, betont Jochen Hannig, der im Versicherungswesen sein Geld verdient: „Wir sind nicht gegen den Ausbau des Tourismus in Attendorn, aber er muss für alle annehmbar sein und darf nicht als Spielplatz für Testosteron gesteuerte Autofahrer dienen, die sich an keine Geschwindigkeit halten.“ So wie es viele Auto- und Motorradfahrer, die laut Jochen Hannig den Waldenburger Weg „teilweise mit 80 Sachen und mehr hochbrettern“, tun würden. In einer Tempo-30-Zone, wohl gemerkt.
Eine Anwohnerin hat sich an einem Freitagnachmittag Ende Juli sogar die Mühe gemacht, den Verkehr zu zählen: 321 Autos, 22 Roller und einige Wohnwagen wären innerhalb einer Stunde den Waldenburger Weg entlang gefahren. Sonntags habe sie sogar mehr als 800 Autos gezählt.
Fahrer mit tiefer gelegten Autos oder Roller- und Mofafahrer mit manipulierten Auspuffen, klagen die beiden Anwohner, würden am Waldenburger Weg ihre privaten Rennen ausrichten – ohne dabei Konsequenzen fürchten zu müssen. Die Eheleute vermissen unter anderem regelmäßige Kontrollen der Polizei. Den Vorwurf kann Esther Schöttke, Sprecherin der Kreispolizeibehörde, so nicht stehen lassen: Sehr wohl würden die Beamten am Waldenburger Weg kontrollieren – nicht jeden Tag, dafür aber stichprobenartig. Viel zu wenigen, meinen jedoch die Hannigs. Weiterer Kritikpunkt: Ihre Vorschläge, die zusätzliche, vor allem größere Tempo-30-Schilder, Beschriftungen auf der Straße, mehr Parkbuchten bzw. Verschwenkungen vorsehen, würden im Rathaus auf taube Ohren stoßen.
Dialog-Display seit 2019
Bürgermeister Christian Pospischil kann den Ärger der Anwohner gut verstehen, wehrt sich aber gegen den Vorwurf der Untätigkeit: „Wir haben eine ganze Menge an Maßnahmen getroffen.“ Zum Beispiel den 2019 installierten Dialog-Display auf Höhe des Restaurants Waldenburg, zudem die Verengungen oder auch die kleinen Straßenanhebungen. Viel mehr könne die Verwaltung baulich nicht tun.
Nur schwer vorstellbar sei es, eine zweite Zuwegung zur Waldenburger Bucht zu schaffen, um den Verkehr am Waldenburger Weg zu entlasten. Zum Beispiel von der Südumgehung aus, so ein Vorschlag von Jochen Hannig, der kein Blatt vor den Mund nimmt und behauptet, im Rathaus würde man sich nur um die Innenstadt kümmern „und die Probleme südlich des Biggesees unter den Tisch kehren.“
„Da sehe ich naturschutzrechtliche und auch planungsrechtliche Hindernisse, zumal es dazu auch keine Planungen gibt“, erklärt der Bürgermeister zur Idee einer zweiten Zuwegung auf Nachfrage. Für Jochen Hannig und seine Frau ist allerdings klar: „So geht es nicht mehr weiter. Wir haben inzwischen gesundheitliche Probleme, die sich in Schlaflosigkeit und Stress durch die Lärmbelästigung niederschlagen. In anderen Städten bemüht man sich um CO2-Beschränkungen, am Waldenburger Weg müssen wir Anwohner hingegen die Abgase schlucken.“ Das war Ende der 1990er Jahre definitiv noch nicht so.