Hünsborn. Melanie Klötsch ist medizinische Fachangestellte. In den letzten Wochen hat sie sich um besorgte Anrufer gekümmert.

Eigentlich wollte Melanie Klötsch nach ihrem Realschulabschluss und Beginn des Fachabis „etwas Architektenmäßiges“ machen. Doch dann riet der Vater der 37-Jährigen zu einer Ausbildung zur Arzthelferin. Die Tochter „gehorchte“ und ist heute medizinische Fachangestellte (MFA) in der Arztpraxis Spieren und Kollegen in Hünsborn. Bereut hat sie den Entschluss in keinem Moment. „Mir macht das Spaß, mit den Patienten zu arbeiten. Ich bin gerne hier. Wir haben hier alles“, erzählt Melanie Klötsch.

Vor dreieinhalb Jahren ist die 37-Jährige mit ihrem Mann und der kleinen Tochter nach Hünsborn gezogen: „Es gefällt uns so gut hier, dass wir ein Haus gekauft haben. Jetzt bleiben wir hier.“ Ihre Ausbildung hat Melanie Klötsch bei einem Landarzt im hessischen Aßlar absolviert. „Das war dort sehr familiär, ähnlich wie hier. Als mein damaliger Chef einen Schlaganfall bekam, konnte er die Praxis nicht mehr weiterführen.“

„Ich war die Stimme am Telefon“, berichtet die medizinische Fachangestellte über ihren Einsatz in der Coronakrise. Hintergrund: Sie war tätig in den Corona-Behandlungszentren am Olper Martinus-Hospital, bei der Sportklinik Hellersen in Lüdenscheid und in der Alten Schule bei der Hammerhütte in Siegen. „Die Patienten haben auf den Anrufbeantworter gesprochen. Ich habe dann zurückgerufen. Das war ein bisschen wie Seelsorge, die Menschen waren sehr dankbar. Außer sonntags habe ich das jeden Tag gemacht. Es hat mir Spaß gemacht, den Leuten zu helfen“, so Melanie Klötsch, die sich auch an verzweifelte Anrufe erinnert: „Eine Frau sagte, bei ihr sei ein positiver Abstrich gemacht worden und fragte, wie lange sie denn jetzt zu Hause bleiben müsse. Einige empfanden das als sehr schlimm, aber wenn man ihnen alles erklärt und sie beruhigt hatte, konnten sie besser damit umgehen.“

Die digitale Praxis

Vom Land aufs Land – so beschreibt Melanie Klötsch, die derzeit eine Fortbildung zur Praxismanagerin macht, ihren beruflichen Werdegang: „Ich habe den Beruf damals in der Landarztpraxis in Aßlar kennengelernt. Ich habe viele Hausbesuche gemacht. Das hat mir total Spaß gemacht. Da war ich wie die zweite Tochter. Mit dem damaligen Chef bin ich heute noch befreundet.“ Damals habe sie noch Karteikarten kennengelernt. „Ich finde die Arbeit an Computer und PC aber besser. Wir sind hier eher die papierlose Praxis. Hier bin ich richtig“, sagt die 37-Jährige, die ihren Arbeitsplatz in Hünsborn als „digitale Landarztpraxis“ bezeichnet.

In der Hausarztpraxis Spieren sei alles gut organisiert gewesen beim Ausbruch der Corona-Pandemie. Drei der fünf medizinischen Fachangestellten hätten im Homeoffice gearbeitet: „Rezepte und Terminvergabe erfolgten von zu Hause aus. Patienten konnten sich online Termine für die Videosprechstunden buchen. Das wurde sehr gut angenommen. Befunde wurden online mit den Ärzten besprochen.“

Zur Frage, ob durch die Corona-Krise der Beruf der medizinischen Fachangestellten nun aufgewertet wird, meint Melanie Klötsch: „Ich glaube, dass das nur Versprechungen sind. Die Bezahlung ist schlecht. Das ist in allen Pflegeberufen so.“ Dafür schätzt ihr Chef Stefan Spieren ihre Arbeit: „Eine MFA ist das Gesicht der Praxis. Sie ist genauso viel Wert wie ein Arzt.“

Die medizinischen Fachangestellten werden geschult im Umgang mit schwierigen Patienten, erzählt Spieren: „Es gibt Patienten, die sind fordernd und forsch und wollen alles sofort.“ Melanie Klötsch ergänzt: „Manche meinen, was wir sagen, hat keinen Wert und dass nur der Arzt entscheidet.“ Er habe auch schon einmal einen Patienten aus der Praxis geworfen, berichtet Stefan Spieren. Doch die nörgelnden Patienten seien nur ein kleiner Bruchteil: „Corona war für alle ein Lernprozess. 99 Prozent haben sich daran gehalten. Aber das eine Prozent war Stress pur für die medizinischen Fachangestellten.“

Die Menschen sind dankbar

Dankbarkeit und Wertschätzung der Patienten überwiegen jedoch. Und da gibt es schöne Geschichten. Melanie Klötsch erzählt vom einem Patienten aus Hünsborn, der bei jedem Besuch in der Praxis Teilchen mitbringt: „Sogar, wenn er zwei Tage hintereinander kommt.“ Dabei handelt es sich immerhin um jeweils fünf MFA und Ärzte. Ein betagter Landwirt aus dem Siegerland bringt immer Eier und Kartoffeln fürs medizinische Personal mit. Und eine Patientin bedankt sich traditionell mit einem lieblichen Dornfelder.

Zu ihrem Mann habe sie jetzt gesagt, dass sie das Medizinstudium verpasst habe, sagt Melanie Klötsch: „Heute denke ich: Warum habe ich das nicht getan? Aber jetzt werde ich ja Praxismanagerin.“