Attendorn. Am Montag ist es 75 Jahre her, dass ein Munitionsdepot in Attendorn in die Luft flog. 35 Menschen starben. Dabei war der Krieg eigentlich vorbei.

Die Katastrophe des Explosionsunglücks in Attendorn, das am 15. Juni 1945, wenige Wochen nach Kriegsende, neues Elend in so viele Familien brachte, jährt sich am Montag zum 75. Mal. 35 Menschen ließen dabei ihr Leben, außerdem waren 19 Menschen, zum Teil schwer verletzt, zu beklagen. Die Verstorbenen wurde am 18. Juni 1945 nach einem Requiem in der Pfarrkirche, die durch einen Bombenangriff stark beschädigt war, auf dem katholischen Friedhof an der Windhauser Straße in einem gemeinsamen Grab beigesetzt.

Die Vorgeschichte: Die in der Umgebung von Attendorn herumliegende Munition wurde auf Anweisung der Amerikaner im Keller des Verwaltungsgebäudes, neben dem Rathaus, eingelagert. Durch Entschärfen wurde die Munition transportsicher gemacht. Allerdings konnte nicht verhindert werden, dass auch nicht entschärfte Munition in den Keller gelangt ist. Der Abtransport der Munition erfolgte zunächst mehrmals mit Lastwagen. Nachdem die Besatzungstruppe des Öfteren wechselte, kam auch der Abtransport ins Stocken. Von deutscher Stelle wies man darauf hin, dass die gefundenen Munitionsbestände wachsen, und der versprochene Abtransport wieder erfolgen müsse.

Die Vorräte im Munitionsdepot wuchsen

Auch die Bevölkerung in und um Attendorn brachte Munition, vor allem Gewehrmunition, Handgranaten und Panzerfäuste ins Verwaltungsgebäude. Diese war besorgt, dass Kinder damit spielten oder bei der Feldarbeit etwas passierte. Die Amerikaner versprachen, für den weiteren Abtransport zu sorgen, beließen es aber bei dem Versprechen. Dann kam erschwerend hinzu, dass die Amerikaner, die die Stadt zuerst besetzten, nachher an die Engländer übergaben. So kam es, dass die Munitionsvorräte weiter wuchsen und die Kellerräume sich mit Panzergranaten, Panzerfäusten, Handgranaten und Flakgeschossen füllten. Über den Kellern befand sich die Ausgabe der Lebensmittelscheine sowie die Stadt- und Amtssparkasse.

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Es war am 15. Juni 1945 um 10.30 Uhr, als eine gewaltige Detonation die Stadt und ihre weitere Umgebung erschütterte. Die Einwohner flüchteten in die Keller. Vergebens schaute man nach Flugzeugen aus, Rauchwolken überzogen die Stadt und es kam ein starker Brandgeruch auf. Im Verwaltungsgebäude neben dem Rathaus war das Munitionsdepot explodiert. Man schätzte vier bis fünf Tonnen Sprengstoff. Das Gebäude war ein Schutthaufen. Die danebenliegende Klosterkirche der Franziskaner – diese wurde beim Bombenangriff am 28. März 1945 erstmals beschädigt – wurde durch die Detonation schwer beschädigt.

Die Zerstörungen am Rathausgebäude sind teilweise erheblich gewesen. Der Klosterplatz war ein Trümmerfeld. Die in der Nähe stehenden Wohnhäuser Hoffmann, Soennecken, das evangelische Gemeindehaus sowie die Gaststätte Ratskeller und Ankerdruck (Erben Forck) waren schwer in Mitleidenschaft gezogen. Auf dem Klosterplatz standen zu dem Zeitpunkt vier Personenwagen und ein Pferdefuhrwerk, alles Totalschaden. Das Kriegerehrenmal erhielt schwere Beschädigungen und wurde später abgerissen. Auch mit der Franziskanerkirche machte man kurzen Prozess und riss diese – trotz der Proteste einiger Bürger – im Jahre 1951 ab.

Menschen durch die Luft und auf Dächer geschleudert

Die Bevölkerung, die sieben Jahre Krieg und Schrecken hinter sich hatte, stand vor neuem Elend. Da mit neuen Explosionen zu rechnen war, sperrte man die Umgebung ab. Trotz Hilferufe und Jammern der Verletzten konnten sie nur langsam aus den brennenden Trümmern gerettet werden.

Menschen, die sich zur Zeit der Explosion in der Nähe des Gebäudes befanden, wurden weit durch die Luft geschleudert und man fand sie sogar auf Dächern. Die mögliche Ursache der Katastrophe fand der für das Gutachten beauftragte Dipl.-Ing. Dr. Hausmann (Arnsberg) nicht heraus. Allerdings sieben Vermutungen, was zu dem Unglück geführt haben könnte, hielt er schriftlich fest.

Im Oktober 1946 erhob die Staatsanwaltschaft Siegen gegen den damaligen Chef der Attendorner Polizei und den für das Entschärfen der Munition Verantwortlichen Anklage wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung. Die Militärregierung in Arnsberg gab die notwendige Zustimmung zur Durchführung des Strafverfahrens. Das Urteil war ein Freispruch für beide Angeklagten, wie das Gerichtsurteil vom 19. November 1946 aussagt. Übrigens bezifferte man den Schaden mit 189.900 Reichsmark.