Attendorn. Die Hansestadt Attendorn wird am 28. März 1945 Opfer eines Bombardements durch die Alliierten. Dabei wird vor allem der Sauerländer Dom zerstört.

Am 28. März 1945 erlebt die alte Hansestadt Attendorn einen ihrer schwärzesten Tage. Durch alliierte Bombenangriffe während des zweiten Weltkrieges wird die Innenstadt schwer getroffen. Weit mehr als 100 Menschen verlieren ihr Leben, hunderte Wohnungen und Häuser werden zerstört. Und das Wahrzeichen der Stadt, der Sauerländer Dom, geht an diesem Tag sogar in Flammen auf.

Seit Jahren schon erinnern die Kirchengemeinden in Attendorn an diesem historisch so bedeutsamen Tag mit Glockengeläut zwischen 10.50 und 11.10 Uhr, also in der Zeit, in der die Bomben über Attendorn gefallen sind, an das grausame Bombardement. Allerdings muss in diesem Jahr aufgrund der Coronakrise die geplante Gedenkveranstaltung ausfallen. Wir schauen mit Ihnen, lieber Leser, nochmal 75 Jahre zurück.

Die Erinnerungen von Pfarrer Joseph Köster († 1960) und Stadtbrandmeister Robert Höffer († 1987), zwei verstorbenen Zeitzeugen, liefern uns dafür das Material.

Erinnerungen eines Pfarrers: Als der Dom Feuer fing

Es sind bewegende, zutiefst glaubwürdige Worte eines Zeitzeugen. „Da kommt am Mittwoch in der Karwoche das Unglück über Attendorn“, schreibt Pfarrer Joseph Köster vor 75 Jahren. Am 28. März 1945 erlebt die Hansestadt ein grausames Bombardement.

Joseph Köster

Dechant Joseph Köster wurde am 9. November 1886 in Unna geboren. Im August 1925 wurde er in Paderborn zum Priester geweiht. 15 Jahre verbrachte Köster als Pfarrer und Dechant in der St.-Johannes-Baptist-Pfarrkirche in Attendorn. Wiederaufbau und Neugestaltung des Sauerländer Doms machte sich Dechant Köster zu seiner Hauptaufgabe. Als sie gemeistert war, beschäftigte er sich mit den Plänen zur Errichtung eines zweiten Gotteshauses. Köster arbeitet übrigens auch als Pfarrer in Rönkhausen, das damals noch zum Kreis Meschede gehörte. Er starb im September 1960 nach schwerer Krankheit.

Weit mehr als 100 Menschen sterben, Dutzende verlieren ihr Hab und Gut, haben plötzlich kein Dach mehr über dem Kopf. „Das waren wirklich traurige Kartage für Attendorn“, lässt der Pfarrer die Nachwelt wissen. Er beschreibt die schrecklichen Stunden, die er hautnah in seiner Kirche, dem Sauerländer Dom, miterlebt. Miterleben muss.

Scheiben gehen zu Bruch

„Man hört die Flieger und schon gehen in kurzem Abstand zwei Bombenteppiche auf die Stadt nieder“, heißt es in dem Schriftstück, das heute gut behütet im Pfarrarchiv liegt. Einer dieser Angriffe am Vormittag trifft die Innenstadt, die Kölner und Niederster Straße – und somit auch die große Kirche am Alten Markt. „Die Kirchenfenster nach der Marktseite hin gingen beim ersten Bombenwurf fast alle in Scherben.“

Die Kirche ist erschreckend hell. Die Kirchgänger flüchten in den Turm und in die Aufgänge zur Orgelbühne. Und schon folgt der zweite Angriff. Eine Bombe, schreibt der Pfarrer, trifft die Südwest-Ecke des Turms und reißt ein gewaltiges Loch in das Mauerwerk. Die Turmecke wird herausgerissen, zum Glück bleibt der Zwiebelturm stehen.

Als vor 75 Jahren die Bomben auf Attendorn fielen

Blick vom Sauerländer Dom durch die Kölner Straße zur alten Franziskanerkirche. Heute befindet sich an der Stelle der ehemaligen Franziskanerkirche der Rathausvorplatz.
Blick vom Sauerländer Dom durch die Kölner Straße zur alten Franziskanerkirche. Heute befindet sich an der Stelle der ehemaligen Franziskanerkirche der Rathausvorplatz. © Frey Print + Media GmbH & Co. KG | Frey Print + Media GmbH & Co. KG
Blick vom Ostwall zu den Häusern in der Hofestatt und dem zerstörten Kirchturm.
Blick vom Ostwall zu den Häusern in der Hofestatt und dem zerstörten Kirchturm. © Frey Print + Media GmbH & Co. KG | Frey Print + Media GmbH & Co. KG
Blick durch die Hofestatt in Richtung Niederste Straße
Blick durch die Hofestatt in Richtung Niederste Straße © Frey Print + Media GmbH & Co. KG | Frey Print + Media GmbH & Co. KG
Blick durch die Hofestatt in Richtung Niederste Straße
Blick durch die Hofestatt in Richtung Niederste Straße © Frey Print + Media GmbH & Co. KG | Frey Print + Media GmbH & Co. KG
Blick durch die Wasserstraße zum zerstörten Turm des Sauerländer Dom.
Blick durch die Wasserstraße zum zerstörten Turm des Sauerländer Dom. © Frey Print + Media GmbH & Co. KG | Frey Print + Media GmbH & Co. KG
Blick vom Niedersten Tor in die Niederste Straße.
Blick vom Niedersten Tor in die Niederste Straße. © Frey Print + Media GmbH & Co. KG | Frey Print + Media GmbH & Co. KG
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„Die Leute in der Turmtreppe ringen und schreien nach Luft. Es ist alles dunkel von Kalkstaub und Dreck.“ Bei diesem zweiten Angriff werden auch die gegenüberliegenden Häuser Schulte und Keimer getroffen. Sie gehen in Flammen auf. Doch bis die Löscharbeiten beginnen, dauert es seine Zeit, denn es ist kein Wasser vorhanden, skizziert der Pfarrer die dramatischen Szenen, die sich rund um den Sauerländer Dom abspielen. „Überall war lebhafte Tätigkeit, Tote und Verletzte zu bergen und Hausrat zu retten.“

Große Trauer liegt über der Stadt. Und es kommt noch schlimmer: Nun fängt auch noch der Turm der Pfarrkirche an zu brennen. „Als man kleine Rauchwölkchen unter dem Schiefer hervorkommen sah, glaubte man zunächst, es sei der Rauch der gegenüber brennenden Häuser, Rauch und Funkenregen wurden vom Winde gegen den Turm geweht“, schreibt Joseph Köster. Ein Irrglaube. Was tun, denken sich die mutigen Helfer in dieser scheinbar hoffnungslosen Situation. Das Feuer im Turm, vermutlich durch den Funkenflug entstanden, zu löschen, ist ihnen unmöglich, denn: „Der Aufgang zum Turm vom Boden über der Orgel aus war durch die Bombe zerstört und die Steintreppe im Turm mit Steinen und Geröll verschüttet. Von der Erde aus war es unmöglich, das Feuer in der Turmspitze zu erreichen.“ Schnell breitete sich das Feuer aus, „und bald war der ganze Helm eine leuchtende Fackel“.

Wird das Gewölbe halten?

Brennendes Material fällt auf das Kirchendach nieder, das wiederum Feuer fängt. Auch hier ist die Feuerwehr machtlos. Es besteht die Gefahr, dass sich das Feuer auf umliegende Häuser ausbreitet. Kösters dramatische Beschreibung: „Überall, auch im Pfarrhaus, war man am Packen und am Schleppen, um Vorsorge zu treffen und retten zu können. Bei dem prasselnden Feuer auf dem Kirchendach gab es jetzt nur noch eine bange Frage: Wird das Gewölbe halten, wenn die Balken einstürzen?“

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Ein Glück: Das Gewölbe hält. „Wie auf einer riesigen Pfanne loderte oben das Feuer, aber im Inneren richtete das Feuer keinen Schaden an.“ Weiter schreibt er: „Die Menschen sind verängstigt und nervös, suchen ihre Opfer, ihr Hab und Gut, suchen Wohnung und Unterschlupf, wohnen in den Kellern oder laufen bei Alarm in die Stollen.“

Immer wieder tauchen Flieger über der alten Hansestadt in den Kartagen auf, Bomben werfen sie aber nicht mehr. Trotzdem ist den Menschen nicht nach Gottesdienst. „Es waren nur stille heilige Messen. Keine Feststimmung, kein jubelnd Alleluja. (…) Man musste die Gläubigen so schnell als möglich wieder entlassen. Später als angesetzt war ein Gottesdienst nicht mehr möglich, dann beherrschten die Flieger die Luft.“ So fällt unter anderem auch die Erstkommunionfeier der Kinder aus. Stattdessen finden am Karsamstag die ersten Beerdigungen statt. Und der Kirchenvorstand bemüht sich um die Errichtung eines Notdaches. Zunächst provisorisch mittels Wellblech. Nur langsam nimmt in den folgenden Tagen und Wochen wieder der Alltag in Attendorn Einzug. Im Übrigen dauerte es bis 1962, ehe der Wiederaufbau des Sauerländer Doms komplett abgeschlossen ist. Unter anderem muss die Orgel ausgetauscht werden. Am Ende bleibt eine Erkenntnis von Pfarrer Köster: „Das waren wirklich traurige Kartage für Attendorn.“

Erinnerungen eines Feuerwehrmannes: Klopfzeichen in den Trümmern

„Da das Ausmaß der Brände gar nicht zu übersehen war, kamen auch die Wehren aus Ennest, Helden, Finnentrop und Valbert zur Hilfe. Sie sahen es als ihre Pflicht an, nicht nur Brände zu löschen, sondern auch Tote und Verletzte zu bergen. Oftmals waren in den Trümmern Klopfzeichen zu hören. Schlauchleitungen lagen Tage hindurch in Attendorns Straßen. Da das Pumpwerk im Märchenbrunnen versagte, war die Wasserentnahme nur aus der Bigge oder aus dem Mühlengraben möglich“, berichtet Feuerwehrmann Robert Höffer.

Robert Höffer

Robert Höffer war von 1920 bis 1968 aktiv in der Freiwilligen Feuerwehr. Von 1953 bis 1968 übte er das Amt des Stadtbrandmeisters aus. Wegen der Planung des Feuerwehrgerätehauses an der St.-Ursula-Straße führte Robert Höffer über die Erreichung der Altersgrenze hinaus noch zwei Jahre die Attendorner Wehr weiter. Am letzten Tag seiner Amtszeit, den 7. Dezember 1968, war es ihm vergönnt, noch den Grundstein für das neue Feuerwehrgerätehaus zu legen. Der Attendorner wurde mit zahlreichen Feuerwehrehrenzeichen dekoriert und durfte seine Uniform auf Lebenszeit tragen. Am 14. Mai 1983 verlieh ihm der damaligen Landrat Horst Limper das Bundesverdienstkreuz. Der Feuerwehrmann mit Leib und Seele war Träger des Ehrenringes der Stadt Attendorn. Robert Höffer starb am 19. Februar 1987 in seiner Heimatstadt.

„In den ersten Stunden nach dem Angriff hatte es den Anschein, das Wahrzeichen Attendorns, der Sauerländer Dom, sei von den Flammen verschont geblieben. Doch am späten Nachmittag züngelten sich am Dach des Gotteshauses die Flammen empor. Das grauenvolle Bild, wie die Flammen vom Dach und dem Turm der Kirche in den Abendhimmel loderten, wird noch allen in Erinnerung sein, die es gesehen haben. Löschen war nach den Worten von Robert Höffer nicht möglich, da der Turm einen Bombentreffer bekommen hatte und der Bauschutt den Aufgang zum Turm versperrte. „Wir waren glücklich, dass wir das Schwemmsteingewölbe retten konnten.“

Es versagt die Kanalisation

Deshalb verlangte dieses Vorhaben einen Mindestverbrauch an Wasser. Durch den Ausfall des Pumpwerkes versagte auch die Kanalisation. Um keine neuen Gefahren durch einen Abwasserstau herbeizuführen, setzten die Männer der Freiwilligen Feuerwehr ihre Pumpen als Ersatz ein. Dadurch wurde auch ein tiefgelegenes Lebensmittellager im Stadtkern gerettet. Als die Amerikaner am 11. April Attendorn besetzten, hatten die Männer im blauen Rock ihren Einsatz immer noch nicht beendet. Die Amerikaner hatten Verständnis für ihre Bemühungen und stellten zeitweise auch Benzin zur Verfügung, gleichzeitig liehen sie sich die Spritzen, die der damalige Wehrführer Josef Bieker mehrere Male zurückholte. Als die Amerikaner abzogen, ließen sie u.a. das LF 8, 2 TSA mit Spritzen und den Pkw der Attendorner Wehr mitgehen.

Vorsorglich hatten sie die Fahrzeuge mit ihren eigenen Farben versehen. Zurück blieb ein altes LF 15, das man sich von der Firma Imbert geliehen hatte, und eine schlechte Motorspritze. Die Kriegsereignisse waren für die Attendorner noch nicht zu Ende. Die Besatzungstruppen sammelten sämtliche in der Umgebung lagernde Munitionsbestände und brachten sie in den Keller des alten Kreuzbündnisses am Klosterplatz. In diesem Gebäude befand sich auch die Ausgabe der Lebensmittelkarten und die Stadtkasse.

Am 15. Juni 1945 kam es zu einer gewaltigen Explosion, die ganz Attendorn von neuem erschüttern ließ. Sie forderte 35 Tote und zahlreiche Verletzte. Zerstört wurden auch die angrenzenden Wohnhäuser sowie die historische Klosterkirche. Es explodierten insgesamt vier bis fünf Tonnen Sprengstoff, bestehend aus Panzergranaten, Panzerfäusten, Handgranaten und Flakgeschossen.“