Kreis Olpe. Proben ist für Chöre wieder erlaubt, aber nur unter erheblichen Einschränkungen. Singen unter freiem Himmel ist nicht optimal, aber eine Lösung.
Es sollte ihr großes Jahr werden: Die rund 45 Sängerinnen und Sänger der Gemischten Stimmen BIGGEsang wollten 2020 nach ihrem umjubelten Gewinn beim WDR-Wettbewerb „Der beste Chor im Westen“ so richtig abräumen, hatten bereits hochkarätige Verpflichtungen (Kultur Pur, Biggesee Open Air) unter Dach und Fach - und dann? Dann kam Corona. Und Chor wie Chorleiter bleibt nur, das Schicksal irgendwie zu akzeptieren: „Auf der einen Seite wird man durch so etwas zwar wieder ein bisschen geerdet, aber es ist einfach der falsche Zeitpunkt. Denn nach so einem Erfolg wollten wir eigentlich davon etwas mitnehmen“, bedauert Chorleiter Volker Arns die Corona-Bremse. Ein Silberstreif am Horizont sei, dass viele Veranstalter schon nachgefragt hätten, ob die Termine aus 2020 auch 2021 nachgeholt werden könnten.
Alle Chöre hart getroffen
Was die BIGGEsängerInnen trifft, hat so oder so ähnlich auch alle anderen Chöre im sangesfreudigen Kreis Olpe ereilt: Da das hoch ansteckende Virus auch über die Luft (Aerosole) übertragen wird, sind dicht neben- oder voreinander stehende Menschen, die ihren Atem in Form von wohlklingenden Tönen aus der Lunge schleudern, genau das, was jedem Virologen den Angstschweiß auf die Stirn treibt.
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„Ich fürchte, wir Chöre werden die sein, die am längsten von Einschränkungen betroffen sind“, sagt Josef Hupertz, Geschäftsführer des Männerchores „Sangeslust“ Hünsborn. Da bestehe die Gefahr, dass dem einen oder anderen irgendwann die Sangeslust vergehen könne: „Das Durchschnittsalter unserer Sänger liegt weit über 60, virtuelle Angebote am Computer sind nicht für jeden von uns etwas.“ Nur etwa die Hälfte der Sänger nutzten Internet und Whatsapp.
Creme de la creme
Die Hünsborner unter der Leitung ihres Dirigenten Michael Rinscheid gehören zur Creme de la Creme in der heimischen Chorszene, können auf rekordverdächtige zehn Meisterchortitel verweisen. Hupertz: „Wir werden jeden unserer über 60 Sänger anrufen, um die Stimmungslage abzufragen. Danach wird entschieden, wie es weitergeht.“ Die vorerst letzte Probe habe am 9. März stattgefunden, die erste nach dem Corona-Lockdown könnte für den 8. Juni anvisiert werden: wie immer montags von 18.30 bis 20 Uhr im Vereinslokal Zu den Dreikönigen, aber ganz sicher nicht in voller Mannstärke, höchstens mit zwei Sängern pro Stimme.
Auch den sangeslustigen Hünsbornern sind dieses Jahr erhebliche Erlöse weggebrochen, wie Hupertz bestätigt: „Wir hätten normalerweise das Osterfeuer ausgerichtet und im September wollten wir ein zweitägiges Konzertwochenende veranstalten.“
Alternative mit Tücken
Volker Arns von BIGGEsang hat es zwar mit deutlich weniger Aktiven zu tun, eine Probe mit allen ist im Jugendheim Elben, dem turnusmäßigen Proberaum, aber ebenfalls unmöglich: „Wir haben während der Corona-Zeit fünf, sechs Mal virtuell geprobt. Ich singe am Computerbildschirm vor, spiele Passagen ab, die Aktiven singen das nach, oft auch einzeln. Alles über den Computer mit Kopfhörer. Alle können die anderen sehen, aber nicht hören. Das ist eine Möglichkeit, im Austausch mit den Sängern zu bleiben. Aber es ist eine Notlösung.“
Der Chor plant gerade, wie es weiter geht, ist im Austausch mit Chorverband und Ordnungsämtern. Ein erster Versuch, kreativ mit der Misere umzugehen, hat funktioniert: Auf dem Elbener Schützenplatz wurden 13 Stühle im Kreis aufgestellt, so dass die Mindestabstände eingehalten werden konnten. Erst durfte der Sopran üben, dann die Altstimmen, schließlich die Männer.
Laut Corona-Schutzverordnung müssen die Sänger in der Ausstoßrichtung vier Meter auseinanderstehen, seitlich drei Meter. Die Kreisform im Freien wird diesem Anspruch gerecht, die Entfernung zwischen Chorleiter und den Aktiven ist aber deutlich größer als sonst, auch an die Nebengeräusche des Straßenverkehrs muss sich ein Chor erst gewöhnen. Und: „Wenn ich jeder Stimmlage gerecht werden will, dauert jede Probe vier Mal so lange wie gewöhnlich“, weist Arns auf ein weiteres Dilemma hin.
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Kein Rettungsschirm
Er spricht aber auch ein weiteres Problem an, das vor allem die hauptberuflichen Chorleiter betreffe: „Die frei schaffenden Künstler leiden momentan am allermeisten unter der Corona-Krise. Für die greift kein Rettungsschirm. Auch die Soforthilfe kommt für die meisten nicht in Frage. Und den Vereinen brechen erhebliche Einnahmen weg. Bei einem großen Chorgemeinschaftsfest reden wir von Größenordnungen von bis zu 10.000 Euro, die erwirtschaftet werden können. Das ist eigentlich die Lebensgrundlage für die Chöre, auch, um die Honorare für die Chorleiter zu zahlen und die fortlaufenden Kosten.“ Ein weiteres Problem sei die Angst, die durch die Aerosole-Diskussion zugenommen habe: „Wir konnten bisher damit werben, dass Singen gesund ist, jetzt kommen wir um die Ecke und sagen: Singen ist gefährlich. Das bohrt sich fest in den Menschen. Da brauchen wir wissenschaftlich fundierte Studien, um nicht auf Spekulationen angewiesen zu sein.“
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Trotz aller Probleme kann Arns wenigstens eine gute Nachricht übermitteln: In keinem seiner fünf Chöre (rund 200 Aktive) gab es bisher einen nachgewiesenen Corona-Fall.
Riesenchor aus Meggen
Einer der größten Chöre im Kreis Olpe ist der Kirchenchor Meggen mit über 90 Aktiven. Vorsitzende Maria Arns sagt, dass nach der letzten Probe am 9. März in Kürze wieder gestartet werden solle: „Sobald ein Sitzplan erarbeitet worden ist für unser Probelokal, den zum Glück großen Pfarrheimsaal in Meggen.“
Chorleiter Harald Jüngst sagt, wie er sich das vorstellt: „Wir werden mit entsprechend kleinen Chor- und Stimmgruppen proben.“
Auch die Meggener mussten mehrere Veranstaltungen absagen: das Patronatsfest im August, die Konzertreise nach Krakau (verlegt auf März 2021), das Weihnachtskonzert (verlegt nach 2023).
Dirigent Jüngst ist trotz allem optimistisch: „Ich rechne eigentlich bald damit, im Normalmodus proben zu können - vorausgesetzt, die Neuansteckungsrate sinkt weiter wie bisher.“