Olpe. Dr. Matthias Danz vom St.-Martinus-Hospital Olpe erklärt, warum es oft zu Komplikationen bei der Beatmung kommt. Er warnt vor Leichtsinn.
Täglich veröffentlicht der Kreis aktuelle Corona-Zahlen, die nicht nur nach Kommunen und Altersgruppen unterteilt sind, sondern auch die Situation in den Krankenhäusern abbilden. Darunter: Covid-19-Patienten, die auf der Normalstation und auf der Intensivstation behandelt werden und solche, die auf künstliche Beatmung angewiesen sind. Doch ab wann ist dieser Schritt notwendig und ab wann wird es lebensbedrohlich? Dr. Matthias Danz, einer der Chefärzte auf der Intensivstation am St.-Martinus-Hospital in Olpe, gibt Einblicke in den Klinik-Alltag, in dem es um Leben und Tod geht.
Ab wann ist eine Beatmung erforderlich?
Dr. Matthias Danz: Bei der Covid-Infektion ist die Lunge zum Gasaustausch nicht mehr fähig. Die Beatmung wird deshalb notwendig, weil die Aufnahme von Sauerstoff sehr stark reduziert ist. Nach den bisherigen Erkenntnissen geht die Corona-Erkrankung aber nicht nur Lunge und Herz an, sondern verursacht auch eine Gefäßschädigung. Damit kommt es dann zum akuten Atemnotsyndrom (ARDS), gegen das wir mit der Beatmung angehen. Letztendlich versuchen wir Zeit zu kaufen, damit der Körper heilen kann.
Was passiert bei der Beatmung im Körper?
Zum einen können wir dem Patienten Atemarbeit abnehmen. Zum anderen brauchen wir etwas mehr Druck in der Lunge. Damit soll verhindert werden, dass Lungenareale zusammenfallen. Prinzipiell ist das nichts Schlimmes. Das haben Sie und ich, wenn wir nachts auf dem Rücken liegen auch. Die unten liegenden Lungenbereiche fallen dadurch ein wenig zusammen. Dann dreht man sich oder gähnt – dann sind die wieder offen. Bei dem Corona-Patienten brauchen wir aber einen sehr, sehr hohen Vordruck, um die Lunge offen zu halten. Eine kollabierte Lunge nimmt nicht am Gasaustausch teil und egal, wie viel Sauerstoff man dem Patienten anbietet, er kommt es nicht im Blut an, weil eben nur ein Teil der Lunge mit Luft durchströmt wird.
Warum liegen so viele Covid-19-Patienten auf der Intensivstation?
Tatsächlich ist es so, dass wir bis jetzt 64 Covid-Patienten auf den Stationen therapiert haben, davon 20 auf der Intensivstation. Jeder dieser 20 Intensivpatienten musste intubiert werden. Solange das auch ohne intubierte Beatmung gut geht, versuchen wir das natürlich zu verhindern. Aber wir wissen genau, wenn ein bestimmtes Verhältnis von angebotenem zu aufgenommenem Sauerstoff im Blut unterschritten ist, wird es Zeit zu handeln. Dann ist klar: Wir befinden uns in einer lebensgefährlichen Schieflage, wo es gar nicht mehr anders geht. In diesem Fall schalten wir sofort um von der Normal- auf die Intensivstation. Wir müssen sehr früh intubieren, also einen Schlauch in die Luftröhre legen, um einen entsprechend hohen Druck gewährleisten zu können, wie Covid-19-Erkrankte ihn benötigen. Das kann man wach nicht ertragen, deshalb lassen wir die Menschen dafür einschlafen .
Wieso werden Covid-19-Patienten auf der Intensivstation teilweise in Bauchlage behandelt?
Kapazitäten erhöhen
Ein Beatmungsgerät kostet zwischen 30.000 und 35.000 Euro.
Der Bund hat bei den Herstellern Dräger (Lübeck) und Löwenstein (Bad Ems) neue Beatmungsgeräte in Auftrag gegeben, um die Beatmungskapazitäten deutschlandweit in den Krankenhäusern zu erhöhen.
Auch das St.-Martinus-Hospital in Olpe wird in der Beatmungstechnologie weiter aufrüsten.
Außerdem erhält das Krankenhaus im Mai eine neue Labordiagnostik, mit der innerhalb von 45 Minuten das Ergebnis des Corona-Tests bekannt gegeben werden soll.
Das ist die nächste Eskalationsstufe. Wenn sich der Patient die ganze Zeit in Rückenlage befindet, dann sind immer die hinteren Lungenbereiche zusammengefallen und die vorderen belüftet. Irgendwann sind die vorderen Lungenbereiche überbläht. Das Sinnvollste, was man in dieser Situation machen kann, ist, den Patienten auf den Bauch zu drehen, damit sich das in der Verteilung ändert. Technisch und pflegerisch ist das hoch aufwendig. Aber im Grunde ist es ein uraltes Prinzip, das man auch selbst intuitiv anwendet, wenn man krank ist.
Wie lange ist die durchschnittliche Beatmungsdauer in Ihrem Haus?
Es dauert zwischen sieben und neun Tagen, bis die Corona-Erkrankung an der Lunge ausgeheilt ist. Das Abgewöhnen von der Beatmung dauert dann nochmal ein paar Tage, insgesamt also rund zwei Wochen. Die Zeit der Abgewöhnung ist nötig, weil der Patient mit der selbstständigen Atmung von Jetzt auf Gleich überfordert wäre. Denn in der Zeit der Beatmung hat er die Lungenmuskel nicht gebraucht, das heißt, die Muskeln müssen erst wieder antrainiert werden. Die durchschnittliche Beatmungsdauer setzt sich aber auch ganz stark aus den Patienten zusammen, die es nicht überlebt haben. Wir haben Verläufe gehabt, bei denen wir nach 14 Tagen komplett von der Beatmung weg waren. Dann sehen wir aber auch wieder Verläufe, bei denen wir jetzt schon in der vierten Woche sind. Das hat mit den bestehenden Lungenvorerkrankungen und den möglichen Komplikationen zu tun, die im Laufe der Behandlung auftreten.
Was sind das für Komplikationen?
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Wenn wir jemanden intubieren und beatmen, wissen wir, dass der Patient ein hohes Risiko hat, eine Lungenentzündung zu entwickeln. Beatmete Patienten können nicht Sekrete hochhusten, um damit die Lunge sauber zu halten. Wir saugen diese Sekrete zwar zum Teil ab, aber trotzdem können wir nicht verhindern, dass sich in der Lunge Infektionen verbreiten können.
Woran sterben manche der Corona-Patienten letztendlich? An der Lungenentzündung in Folge der Infektion?
Unserer Erfahrung nach sterben Corona-Patienten nicht an der Corona-Lungenentzündung. Oft kommt ein Zweit-Infekt hinzu, eine bakterielle Entzündung. Die Menschen sterben an Herz-Kreislauf-Komplikationen. Das heißt, sie bekommen eine Herzschwäche, einen Herzinfarkt oder eine Lungenembolie.
Mittlerweile wird in der Öffentlichkeit oft darüber diskutiert, ob ein Patient mit oder wegen Corona gestorben ist. Wie ist Ihre Meinung dazu?
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Wenn ein Mensch mit schlechten Gefäßen, ein Dialyse-Patient, ein Mensch mit schwachem Herzen oder einer angeschlagenen Lunge an Covid-19 erkrankt, dann stirbt der Patient vielleicht nicht an dem Virus-Infekt. Aber hätte er den Virus-Infekt nicht gehabt, dann wäre er auch nicht gestorben. Deswegen finde ich die Diskussion müßig. Ob mit oder wegen Corona – das ist manchmal vielleicht emotional leichter zu ertragen, aber inhaltlich ist das nicht tragbar. Die Menschen sind gestorben, weil sie eine Corona-Infektion bekommen haben.
In sozialen Netzwerken wurde Corona – gerade am Anfang des Ausbruchs – oft mit einer Grippewelle verglichen. Manche verharmlosen die Pandemie bis heute. Wie sehen Sie das?
Im Kreis Olpe haben wir schon einige Grippewellen erlebt, auch mit Grippe-Patienten, die auf unserer Intensivstation gelegen haben. Eine Situation wie jetzt, in der wir unsere Beatmungskapazitäten um zwei Drittel ausbauen mussten, mit einer so hohen Anzahl an Langzeit-Beatmeten und Toten, hatten wir bisher noch nicht. Ich kann verstehen, warum das bei manchen Menschen nicht so sehr auf dem Radar ist. Das Leben außerhalb der Intensivstation und des Krankenhauses geht ja halbwegs normal weiter. Aber das ist nicht die Welt, die wir hier erleben. Corona ist sehr real, kostet viele Menschenleben und beeinflusst unsere Arbeit massiv.