Bilstein. Das Ehepaar Nüschen aus Bilstein wird im Wohnmobil-Urlaub von der Coronakrise in Spanien überrascht. Eine Reise, die das Paar nie vergessen wird.

Mehr als 100.000 deutsche Urlauber hängen immer noch im Ausland fest und hoffen bald wieder nach Hause zu kommen, irgendwie. Das Ehepaar Karl-Heinz (63) und Gabi Nüschen (62) aus Bilstein hat seit einigen Tagen wieder heimatlichen Boden unter den Füßen, oder besser gesagt: unter den Rädern. Denn die beiden überraschte die Corona-Pandemie im Wohnmobil-Urlaub in Andalusien, quasi über Nacht. „Beim Brötchenholen am anderen Morgen war plötzlich alles anders“, so Karl-Heinz Nüschen.

„Wohnmobilisten“, wie sich die Globetrotter mit ihren rollenden Ferienwohnungen hinter dem Fahrersitz gern selbst bezeichnen, sind Improvisieren gewohnt. Auf ihren oft wochen- oder monatelangen Trips durch aller Herren Länder und tausenden abgespulten Kilometern gibt es immer wieder herausfordernde Situationen. Aber die „Andalusien-Tour 2020“ wird das Bilsteiner Ehepaar wohl kaum vergessen.

Spanien erlässt am 15. März das erste Corona-Dekret

Auch interessant

Schon im Herbst begann die Vorbereitung für die Frühlingsreise 2020. Als Ziel hatte sich das Paar diesmal die Region Andalusien im Süden Spaniens ausgesucht, bis nach Ostern sollte die Tour eigentlich dauern. Entspannt rollten sie am 28. Februar, der Samstag nach Karneval, los in Richtung Süden. Unterwegs war Corona kaum ein Thema, weder in Frankreich noch in Spanien. Nach Übernachtungsstationen in Frankreich, Nordspanien, Malaga, Ronda und Sevilla erreichten sie am 12. März ihr Quartier, den Campingplatz im Hafenstädtchen El Puerto de Santa Maria in der Bucht von Cadiz. Gabi Nüschen: „Dort wollten wir einige Tage bleiben und dann durchs Inland weiter nach Granada fahren.“ Doch dazu sollte es nicht mehr kommen.

„Als ich am 15. März morgens vom Brötchenholen zurück auf unserem Platz kam, standen überall Gruppen zusammen und diskutierten, Italiener, Franzosen, Engländer, Finnen, Holländer und so weiter.“ Am Tag zuvor hatte die spanische Regierung das erste Corona-Dekret erlassen. Alle Restaurants und Bars mussten schließen. Die Lage wurde von Tag zu Tag ernster.

Am 19. März erklärten die Behörden, dass alle Hotels und Campingplätze geschlossen werden und alle Gäste binnen sieben Tagen das Land verlassen müssen.

Die Psyche in der Corona-Krise: 6 Tipps für mentale Gesundheit

weitere Videos

    Alle ausländische Gäste sollten das Land innerhalb von sieben tagen verlassen

    Auch interessant

    Karl Heinz Nüschen: „Das stellte viele vor Riesenprobleme. Ein Engländer von der Insel Jersey hatte während seiner Tour für ein halbes Jahr seine Wohnung vermietet und wusste gar nicht, wo er nun hin sollte.“ Ein Italiener habe geweint, weil er zurück nach Mailand musste, wo das Virus am schlimmsten grassiert. Ein Norweger habe zwar noch nach Hause fliegen können, hätte aber seinen Hund zurücklassen müssen. „Ein Schweizer Ehepaar bekam einen Anruf von ihren lieben Nachbarn, sie sollten bloß nicht nach Hause kommen, weil sie den Virus einschleppen würden.“

    Die Stimmung kippte mehr und mehr, die Nachrichten über die Coronalage in Spanien wurden immer bedrohlicher, so dass sich das Bilsteiner Paar am 21. März entschloss, die ungewisse Rücktour anzutreten. Noch auf der Landstraße Richtung Autobahn wurden sie von der Polizei angehalten. Karl Heinz Nüschen: „Die fragten: Was wollen Sie hier noch? Ich sagte, nur Granada, Autopista, Alemania. Da durften wir weiterfahren.“

    Die Autobahn: gespenstisch leer.
    Die Autobahn: gespenstisch leer. © WP | Privat

    Vor ihnen lagen gut 1000 Kilometer durch ein Geisterland, denn mittlerweile war das öffentliche Leben in Spanien zum Erliegen gekommen, samt Ausgangssperre. Gabi Nüschen: „Auf der Autobahn war weit und breit kein einziges Auto zu sehen, das war schon unheimlich.“ Stetig fuhr die Angst vor einer Panne in diesem Niemandsland mit. Karl-Heinz Nüschen: „Und wir hatten Order, die Autobahn auf keinen Fall zu verlassen.“

    Dennoch fuhren sie nach rund 700 Kilometern ab, um nicht auf einem unsicheren Rastplatz übernachten zu müssen. Obwohl alle Campingplätze für Neuankömmlinge eigentlich gesperrt waren, steuerten sie einen Platz in Nordspanien an und hatten Glück. Karl-Heinz Nüschen: „Die hatten Mitleid mit uns.“ Gabi Nüschen: „Wir durften uns auf dem Platz in einer Ecke hinter Hecken verstecken.“

    Mit einem Grummeln im Bauch ging es am nächsten Morgen Richtung französische Grenze. Gabi Nüschen: „Aber die haben uns so durchgewunken.“

    In Frankreich waren alle Auf- und Abfahrten gesperrt

    In Frankreich war die Situation ähnlich. Alle Autobahnauf- und -abfahrten waren abgesperrt, alle Raststätten samt Shops geschlossen. Nur die Nachtschalter der Tankstellen waren – auch am Tag - besetzt.

    Auch interessant

    Bei Nimes im Süden Frankreichs fanden sie einen Stellplatz zum Übernachten auf einem Rasthof. Karl-Heinz Nüschen: „Vor uns waren schon drei Wohnmobile da, eine Stunde später waren es 30 oder 40.“ Am nächsten Tag passierten sie ohne größere Probleme, von einigen Kontrollen der französischen Polizei abgesehen, bei Freiburg die französisch-deutsche Grenze und wunderten sich, dass das öffentliche Leben in Deutschland noch weitgehend funktionierte. Nach einer weiteren Nacht auf einem Rasthof ging es dann weiter nach Hause.

    Die Wehmut ob des abgebrochenen Urlaubs legte sich schnell, als sie aktuelle Bilder im TV sahen. Karl-Heinz Nüschen: „An der Grenze von Marokko nach Spanien standen mehrere 100 Wohnmobile und kamen nicht weiter. Bei manchen lagen die Nerven blank, wenn sie keinen Übernachtungsplatz fanden. Wir fühlten uns in Südspanien eigentlich ganz gut aufgehoben. Aber im Nachhinein sind wir froh, dass wir jetzt wieder zuhause sind.“