Oberelspe. Patrick Bambach ist per Anhalter über den Iran bis nach Tel Aviv gereist. Während seines Abenteuers gab es auch einige beunruhigende Situationen.
Eigentlich wollte er nur „ne Runde trampen“. So wie er es häufig gemacht hat. Eben als Taxi-Ersatz ins Nachbardorf. Warum auch nicht? Ist ja schließlich umweltfreundlich und neue Menschen lernt man auch kennen. Nur dieses Mal ist es eben „ein kleines bisschen ausgeartet“. Patrick Bambach aus Oberelspe hat sich an einer Raststätte aussetzen lassen und ist spontan per Anhalter durch den Nahen Osten gereist. Klingt verrückt? „Ist es auch“, sieht der junge Mann aus Oberelspe ein und lacht. Der Luft- und Raumfahrttechniker hat mit ausgestrecktem Daumen mal eben 16.000 Kilometer über den Iran bis nach Tel Aviv zurückgelegt. Jetzt hat er ein Buch geschrieben – nicht nur über seine Begegnung mit usbekischen Prostituierten und aufdringlichen Fahrern.
Patrick Bambach ist 32 Jahre alt, kommt gebürtig aus Oberelspe und wohnt mittlerweile in Göttingen. Er hat in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik studiert und arbeitet nun als Ingenieur am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Heute ist er zu Besuch bei seinen Eltern, trifft sich für ein Interview mit unserer Zeitung in einem Café. Ein verschmitztes Grinsen liegt auf seinem Gesicht, eine Aura absoluter Tiefenentspannung umgibt ihn, als er anfängt zu erzählen. Da steht er nun damals auf dieser Raststätte zwischen Olpe und Siegen. Nicht wissend, was ihn erwartet. Gut, das grobe Ziel steht fest. Immerhin. Das Iran-Visum hat er in der Tasche und die ersten zwei Couchsurfer hat er auch klar gemacht. Dann noch ein Zelt und eine Karte im Gepäck, der Rest wird sich ergeben. Indien oder Israel? Wie lange soll die Reise gehen? Wir werden sehen, denkt er sich.
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Zu Fuß über die Autobahn
Frühjahr 2014. Ein nebliger, etwas kühler Morgen. Seine Eltern setzen ihn aus. Natürlich auf seinen Wunsch hin. „Gut, so ein bisschen sind sie es gewohnt“, sagt Patrick Bambach. „Es war nicht die erste Tramp-Tour, die ich gemacht habe.“ Also ab ins erste Auto. Zumindest kurz. Patrick Bambach ist gerade ein paar Minuten unterwegs, freut sich, dass es losgeht, da rufen schon seine Eltern an – oder besser der „Genpool, aus dem er gemixt wurde“, wie er in seinem Buch schreibt. Verfrühte Sehnsucht? Nein. Pure Entrüstung begegnet ihm am anderen Ende der Leitung. Patrick Bambach hat die Autoschlüssel seiner Eltern eingesteckt. Also geht es zu Fuß zurück über die Autobahn. Eine halbe Stunde lang. Naja, was solls. Kleine Startschwierigkeiten, denkt er sich. Aber jetzt geht es wirklich los. Gut, zumindest nachdem er zig Leute beim Tanken angesprochen hat und viel Kopfschütteln geerntet hat.
Aber dann hat er Glück. Die ersten 150 Kilometer und sogar ein Gratis-Sandwich hat er sicher. Dann gleich der nächste Anschlusstreffer und der nächste. Patrick Bambach reist letztlich über Prag, Budapest, Belgrad, Sofia, Istanbul quer durch die Türkei nach Georgien. Von dort geht es in den Irak nach Mossul, später in die Hauptstadt des Irans nach Teheran. Fast ausschließlich trampt er. Nur selten muss er auf Bus, Fähre – und einmal – peinlicherweise – auf das Flugzeug ausweichen. Denn nach seiner Tour durch Schiras, Dubai, Maskat im Oman hängt er fest. Bis nach Israel muss er fliegen.
Für einen georgischen Salat
Insgesamt fünf Monate ist er unterwegs. Er schläft auf der Couch fremder Leute, selten im Hotel, manchmal im Zelt. Er trifft viele freundliche – aber auch skurrile Menschen. „Im Iran hat mich ein älterer Herr ein bisschen zu viel getätschelt“, erzählt Bamberg. „Da bin ich dann irgendwann nachts ausgestiegen und habe im Wald gezeltet.“ Ein anderes Mal hat ihn seine Vorliebe für traditionellen, georgischen Salat („Der ist halt super lecker“) in eine verrückte Situation gebracht. Der hungrige Patrick Bambach ist auf der Suche nach einem Restaurant, irgendwo an der Grenze Georgiens. Und er findet eins. Sieht zwar etwas schäbig aus, aber das heißt ja schließlich nichts, denkt er sich und geht rein. „Ich habe mich dann ein bisschen genauer umgesehen“, erzählt der 32-Jährige und grinst. „Irgendwie waren die Frauen sehr geschminkt und haben sich auf dem Schoß der Männer geräkelt.“ Patrick Bambach ist in einem Bordell gelandet. Zwei Schwestern werden schnell auf den jungen Mann aufmerksam. Sie überreden ihn zu einem Bier, dann noch eines und noch eines. „Mit der Jüngeren habe ich einmal getanzt. Ich bin dann aber irgendwann betrunken aus der Kaschemme raus und musste über die Grenze in Richtung Türkei“, erzählt er und fügt grinsend hinzu: „Ich kam mir sehr kompetent vor.“
Auch wenn sich der junge Tramper vor allem vor dem Fahrstil mancher Leute gefürchtet hat („Die nehmen es einem krumm, wenn man sich anschnallt“), gab es dennoch einige beunruhigende Situationen. Patrick Bambach erzählt von einer Fahrt, bei der die Männer plötzlich in einen Wald abgebogen sind. Erst als er die Türen während der Fahrt aufgemacht hat, haben sie angehalten. „Bis heute weiß ich nicht, ob sie mich zum Essen einladen oder in einer Waldhütte zerstückeln wollten“, sagt er.
Lernresistenz kann helfen
Vieles hat nicht so funktioniert wie es sollte oder vielleicht geplant war. Doch genau das zeichnet das Trampen aus. „Der Weg ist das Ziel“, erklärt er. „Ich bin oft von der eigentlichen Route abgekommen und habe so Dinge gesehen, die ich sonst nicht gesehen hätte.“ Geduld, Zuversicht, Trinkfestigkeit – und auch Lernresistenz nennt er als notwendige Eigenschaften. Oder wenigstens ein schlechtes Gedächtnis. Schließlich müsse man sich immer wieder das gleiche antun können.
Demnächst hat er noch ein Wandertrip mit seiner Freundin Mareike geplant. Die beiden sind seit neun Jahren ein Paar. Und wie jedes Jahr wird er wieder mit Papa und Opa im Sauerland oder woanders wandern gehen. Was sonst noch ansteht, kann der junge Autor und Hobby-Tramper noch nicht sagen. Zu viel Planung ist schließlich nichts. Oder wie er es mit Albert Einsteins Worten sagt: „Planung ersetzt den Zufall durch Irrtum“.