Grevenbrück/Kreis Olpe. Desinfektionsmittel im Kreis Olpe sind knapp. Alle Apotheker könnten die Saubermittel leicht selber herstellen, aber es gibt viele Hürden.

Thorsten Dunckel, Chef der Johannis-Apotheke in Grevenbrück, zeigt auf eine der wenigen Flaschen Desinfektionsmittel, die er noch hat. „Sterillium ist im Moment wertvoller als Gold“, sagt der Apotheker. Seit Ende letzter Woche laufen die Verbraucher den Apotheken im Kreis die Türen ein, um noch eine Flasche Desinfektionsmittel zu erhaschen. „Es herrscht Panik hoch 3“, sagt Dunckel. Der Grund dafür sei die große Verunsicherung der Bürger im Umgang mit dem Coronavirus, die auch durch die täglichen TV-Talkshows geschürt werde. Eine vernünftige Hygiene durch mindestens 20 Sekunden langes, intensives Händewaschen mit Seife reiche (für die allermeisten Menschen) völlig aus, um Coronaviren an den Händen zu 99 Prozent abzutöten.

Vorschriftendschungel

Die Apotheken wollen ihre Kunden, vor allem das Risikoklientel wie ältere Menschen, Pflegebedürftige und Menschen mit vielen Kontakten im Arbeitsalltag, dennoch nicht im Regen stehen lassen. Einige stellen selbst Desinfektionsmittel her, was technisch für die Profis auch kein Problem wäre, wenn da nicht ein ganzer Dschungel von Vorschriften und Verordnungen zu beachten wäre.

Denn normalerweise dürfen Apotheken laut EU-Biozidverordnung 528/2012 keine Desinfektionsmittel mehr herstellen. „Für die Herstellung benötigen wir eine Hersteller-Erlaubnis und die kostet zwischen 15 und 20.000 Euro pro Apotheke“, erklärt Thorsten Dunckel.

EU-Biozidverordnung

Erst am Dienstag dieser Woche wies das Gesundheitsministerium NRW in Düsseldorf die Apothekerkammern darauf hin, dass die EU-Biozidverordnung bei der akuten Coronavirus-Lage keine Anwendung finde. Seitdem hat auch die Johannis-Apotheke damit begonnen, ein Desinfektionsmittel für die Hände aus Alkohol, Glycerin, Wasserstoffperoxid (H2O2) und gereinigtem Wasser nach der Vorschrift der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu mixen.

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Alkohol ist knapp

Doch da lauert schon das nächste Problem: Apothekerin Sandra Dunckel: „Wir kommen nur noch sehr schlecht an Isopropanol.“ Denn der Alkohol ist so gut wie ausverkauft und die Alternative Ethanol kostet inklusive Steuern sagenhafte 70 Euro pro Liter, was das Mittel für den Verbraucher viel zu teuer machen würde. Für den steuerfreien Einkauf wiederum benötigen Apotheken eine Sondergenehmigung des Hauptzollamtes. Diese aber gibt es aber nur bei einer Abnahme von mindestens 25 Litern pro Jahr. Soviel benötige aber in normalen Zeiten kaum eine Apotheke, sagt Sandra Dunckel.

Fläschchen ausverkauft

Aber es gibt auch noch eine weitere Hürde, um das fertige Desinfektionsmittel handtaschengerecht in 100-ml-Fläschchen, das für etwa 30 Desinfektions-Vorgänge ausreicht, auf der Verkaufstheke zu platzieren: Es gibt kaum noch Pumpfläschchen auf dem Markt, diese sind nur noch mit Verzögerung lieferbar. Kann das Desinfektionsmittel dann endlich final abgefüllt werden, müssen die Flaschen bis zum Verkauf 72 Stunden lagern, damit die Sporen in den Glasfläschchen abgetötet werden. Sandra Dunckels Resümee nach dem Hürdenlauf zum selbstgemixten Saubermittel: „Schnell geht da gar nix.“

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Jeder Vierte nutzt Spray

Nach einer Umfrage der Kaufmännischen Krankenkasse greifen unabhängig von Corona immer mehr Menschen zu Desinfektionsmitteln. Jeder Vierte trägt ein Desinfektionsspray und jeder Fünfte stets Desinfektionstücher mit sich.

Händewaschen hilft auch gegen Grippe

Durch den Ausverkauf der üblichen Desinfektionsmittel im Handel hat sich der Verkaufspreis stark erhöht. Im Internet wird eine 500-ml-Flasche „Sterillium“ mittlerweile für nahezu 30 Euro angeboten, der Normalpreis vor der Coronakrise betrug fünf Euro.

Trotz der aktuellen Nachrichtenlage plädiert Ulf Ullenboom, Sprecher der Apothekerschaft im Kreis Olpe, dafür, Ruhe zu bewahren und nicht in Panik zu verfallen. Wichtig sei vielmehr, die Empfehlungen für die Handhygiene einzuhalten und die Husten-und-Nies-Etikette zu beachten: Man sollte nicht in die Hände, sondern idealerweise in ein Taschentuch niesen oder husten und sich dabei von anderen Menschen wegdrehen.

Wichtiger als sich nur zweimal täglich die Hände zu desinfizieren, sei es hingegen, sich regelmäßig mit normaler Seife gründlich die Hände zu waschen. Ob man kaltes oder warmes Wasser verwendet, ist egal.

„Für unterwegs sowie für chronisch Kranke und Menschen mit einem schwachen Immunsystem kann dies als zusätzliche Maßnahme sinnvoll sein“, erläutert KKH-Apotheker Sven Seißelberg, „ansonsten sollten Desinfektionspräparate medizinischem Personal vorbehalten bleiben“. Und das gerade jetzt bei Knappheit. Aber Vorsicht: Handelsübliche Mittel mit der Aufschrift „antibakteriell“ helfen nicht gegen Corona- und andere Viren, nur gegen Bakterien. Wer unterwegs ein Desinfektionsmittel verwendet, sollte also auf das Etikett achten. Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt Produkte mit der Kennzeichnung „viruzid“. Für einen wirksamen Schutz sollten die Hände mindestens 20 Sekunden lang mit der Flüssigkeit benetzt sein. Wichtig: „Desinfektionsmittel ersetzen nicht das Händewaschen“, betont Seißelberg.