Kirchhundem. An Karneval sind Berliner Ballen sehr gefragt. Für die Bäckerei Hesse in Kirchhundem bedeutet das viel Arbeit. Wir schauen hinter die Kulissen.
Es ist drei Uhr in der Nacht. Während kaum Autos, geschweige denn Menschen, auf den Straßen unterwegs sind, läuft der Betrieb in der Zentrale der Bäckerei Hesse schon auf Hochtouren. Seit Mitternacht sind die Bäcker, Konditoren und Co. auf den Beinen und haben alle Hände voll zu tun. Mit Blick auf Karneval muss noch viel vorbereitet werden, denn „Karneval ist die stressigste Zeit im Jahr, da ist sogar noch mehr zu tun als in der Weihnachtszeit“, sagt Schichtleiter Stefan Franke.
An Karneval darf neben einem tollen Kostüm eins nicht fehlen: der Berliner. Oder am besten direkt mehrere. Berliner sind das wohl mit beliebteste Gebäck in der Faschingszeit. Und auch ohne Rosenmontag und Co. gehen die Berliner immer gut weg, weiß Betriebsleiter Carsten Nasse.
In der Bäckerei Hesse werden in der Karnevalszeit mehr als hunderttausend Berliner gebacken – und zwar nicht nur mit Maschinen. „Hier gibt es wirklich noch sehr viel Handarbeit“, erzählt der Betriebsleiter. Denn bunt wie die Kostüme an Fasching sind auch die Berliner. Die so genannten Spezial- oder Sonderberliner haben ihre ganz eigenen Herstellungsweisen.
Zeit und Aufwand
Von Eierlikör- über Konfetti- und Nutella- bis hin zum klassischen Zuckerberliner, in den Produktionshallen der Bäckerei wird alles gebacken. Das Ganze beginnt in der sogenannten Teigmacherei. „Hier wird der Teig für die Berliner und alle anderen Produkte hergestellt“, erklärt Carsten Nasse. Die Bäcker stehen vor ihren riesigen Rührschüsseln und kippen alles nacheinander hinein. „Mehl und Wasser fließen automatisch rein, die Rezepte sind nämlich im Computer gespeichert.“ Um Zucker, Eier, Hefe und Co. muss sich der Bäcker allerdings traditionell selbst kümmern. „In der Karnevalszeit verbacken wir täglich bis zu 800 Kilogramm an Berliner-Teig“, sagt der Betriebsleiter. Im normalen Tagesgeschäft sind es rund 500 Kilogramm.
Trotz der vielen Maschinen, die die Arbeit erleichtern, wird die Handarbeit in der Bäckerei Hesse nach wie vor großgeschrieben. Mitarbeiter Rakan Ahmad wendet deshalb jeden Berliner in Zucker. In einer großen Maschine werden die Berliner im Siedefett gebrutzelt und fallen Rakan dann über ein Band mehr oder weniger in die Hände. An einem normalen Tag außerhalb der Karnevalszeit landen um die 3500 Berliner im Zuckerbad. „Der klassische Zuckerberliner ist auch der beliebteste“, sagt Carsten Nasse. Das liege ganz einfach an dem Preis und der Bekanntheit. Aber auch die Sonderberliner sind beliebt bei den Menschen. Im Moment ist der Nutella-Berliner ganz vorne mit im Rennen.
Ebenfalls typisch für Karneval: der Eierlikör-Berliner. Die Produktion der beschwipsten Lieblinge nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, erklärt Schichtleiter Stefan Franke. „Jeder einzelne Berliner wird nach dem Backen zur Hälfte aufgeschnitten.“ Dann kommt die Eierlikör-Creme zum Einsatz. Konditorin Theresa befüllt die Berliner mit der gelben Creme und setzt abschließend einen „Eierlikör-Sticker“ aus Schokolade oben drauf. „Theresa macht das rasend schnell. Normalerweise dauert es so um die zwei Stunden, bis alle Eierlikör-Berliner fertig sind“, sagt er.
Bunte Sorten
Speziell zu Fasching bekommen Zuckerguss-Berliner und Amerikaner Gesichter. Bei den Amerikanern fertigen die Konditoren aus Kuvertüre Münder an und kleben diese auf das Gebäck. Die Augen sind aus Schokolade und die Nase besteht aus einem kleinen Schaumkuss. Feingefühl ist hier gefragt; doch wenn mal etwas schief geht, ist das auch nicht schlimm, sagt Stefan Franke. „Wir versuchen natürlich keine Fehler zu machen, aber wenn es passiert, kommt das Teilchen eben weg.“ Der Zuckerguss-Berliner bekommt ebenfalls ein Gesicht. Vorher ist das Gebäck jedoch ziemlich nackt. Die Mitarbeiter legen die Teilchen nach und nach auf ein Band. Dann geht es für die Berliner in ein Zuckergussbad, dort werden sie mit dem Guss überzogen. Wichtig hierbei: die Temperatur muss genau abgestimmt sein. Abschließend nimmt sich Stefan Franke einen Ballen nach dem anderen vor und dekoriert ihn. Die Nase besteht hierbei allerdings aus einer roten Schaumstoff-Süßware. Die Augen sind ebenfalls aus Schokolade.
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Ein weiterer beliebter Ballen ist der Konfetti-Berliner. „Die Eierlikör- und Konfetti-Ballen nehmen die meiste Arbeitszeit in Anspruch“, sagt Franke. Innendrin enthält die Konfetti-Variante eine Puddingmasse. Außen wird sie mit weißer Schokolade und Schokoladen-Linsen überzogen – selbstverständlich auch per Hand. Mit einem Pinsel streichen die Mitarbeiter die Kuvertüre auf die Ballen. Im nächsten Schritt kommen dann die Linsen oben drauf. „Wir produzieren täglich rund 200 Kilogramm Pudding. Allerdings wird der natürlich auch noch für anderes Gebäck verwendet.“
Die erste Abholung für Gebäck, Brot, Brötchen und Co. ist um halb fünf morgens, die zweite um halb acht in der Früh. In der Lagerhalle stehen die farbigen Kisten geordnet nach den Filialen. Insgesamt 15 Lkw kommen nach Kirchhundem zur Zentrale, um die Produkte einzuladen und an 54 verschiedene Filialen auszuliefern. „An den Karnevals-Tagen fangen wir auch meistens früher an zu arbeiten, um alles zu schaffen“, sagt Stefan Franke. Von jeder Sorte werde nämlich ungefähr dreimal so viel produziert wie regulär. Und was nicht verkauft wird, entsorgt der Betrieb oder verarbeitet es zu Tierfutter.
Nasse und Franke gehen aber davon aus, dass rund um Karneval nur wenig Berliner übrig bleiben. „Mein Favorit ist der klassische Zuckerberliner“, sagt Stefan und schmunzelt. Aber auch die anderen Sorten werden wohl reichlich verkauft werden, wenn es heißt „Alaaf und Helau!“