Finnentrop. Der Bürgermeister erklärt im Gespräch mit dieser Redaktion, warum die Gemeinde aktiv plant und dass er die Ängste vieler nachvollziehen kann.

In der Gemeinde Finnentrop schlägt derzeit kaum ein Thema so hohe Wellen wie die Diskussion über den Umgang mit der Windkraft. Vor allem bei den Anwohnern des Frettertals. Bürgermeister Dietmar Heß (CDU) hatte in der jüngsten Ratssitzung nochmal betont, dass die Gemeinde zwar planen wolle, das aber vor allem aus dem Grund, um auch künftig das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Wir haben mit ihm über die aktuelle Situation noch einmal ausführlich gesprochen.

Warum sind Windräder alternativlos? Oder sind sie das gar nicht?

Dietmar Heß Grundsätzlich geht es um eine sichere Energieversorgung. Strompreise dürfen dabei nicht zu Wettbewerbsnachteilen für die Wirtschaft führen, müssen aber vor allem für die Bürger bezahlbar sein. Dabei ist die Windkraft ein Baustein und insofern keineswegs alternativlos. Natürlich könnten etwa die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert und weiter Atommüll produziert werden. Aber es gibt den politischen Konsens der Energiewende und das klimapolitische Ziel des Bundes, bis zum Jahre 2030 die erneuerbaren Energien so auszubauen, dass sie 65 Prozent der Stromproduktion ausmachen. Und dann gibt es seit 1996 die Privilegierung der Windkraft im Baugesetzbuch. Das war schon damals nicht ein rein formaler Akt, sondern da stand der politische Wille dahinter, den Ausbau der Windenergie zu fördern.

Wie viel Emotionalität, wie viel Rationalität nehmen Sie bei der Diskussion um die Windkraft in Finnentrop wahr?

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Zunächst einmal kann ich es sehr wohl verstehen, dass die Diskussion über die mögliche Errichtung von Windkraftanlagen nicht frei von Emotionen ist. Schließlich reden wir über gewaltig hohe Anlagen und eine Veränderung des Landschaftsbildes. Wenn dann noch Sorgen um die Gesundheit oder den Werteverlust von Immobilien dazukommen, ist es nachvollziehbar, dass man versucht, sich mit allen Mitteln zu wehren. Kreisdirektor Theo Melcher hat in einer Bürgerversammlung im Mai zu Recht darauf hingewiesen, dass Fortschritt und Wohlstand manchmal auch eine Kehrseite haben. Die gibt es ja bei jeder Industrieansiedlung oder jedem Bau einer Straße, bei der Mobilität im Straßenverkehr. Diskutiert wurde das auch in den Anfängen der Mobilfunkversorgung. Was mich trotz allem optimistisch stimmt, ist die Tatsache, dass die deutliche Mehrzahl der Windkraftgegner im Frettertal zwar sachlich mit allen Mitteln streitet, dies aber nicht auf die persönliche Ebene hebt und deshalb immer Gespräche möglich bleiben.

Windkraftgegner kritisieren gerne und häufig Ihr Vorgehen. Sehen Sie sich in eine falsche Ecke gerückt?

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Als Bürgermeister habe ich eine Aufgabe und eine Rolle auszufüllen, dazu zählt unter anderem die Ausführung von Beschlüssen des Rates der Gemeinde, die mich binden. Mir wird mitunter vorgeworfen, die Interessen der Betroffenen im Frettertal nicht zu vertreten. Das sehe ich schon deshalb anders, weil wir die Zahl von Windkraftanlagen nur durch die von uns betriebene Planung begrenzen können. Das ist den potenziell Betroffenen, glaube ich, durchaus bewusst, ebenso, dass auch ein Bürgermeister nicht mit dem Finger schnippen kann und dann ist das Gespenst Windkraft weg.

Der Windkraft wird vom Gesetzgeber her „substanziell“ Raum gegeben. Ist es nicht Ihre Pflicht, aktiv zu steuern, in dem Sie Windkraftzonen expliziert ausweisen?

Genau das ist das Dilemma. Grundsätzlich sind Windkraftanlage privilegiert, es besteht also ein Anspruch auf Genehmigung auch im so genannten Außenbereich. Wir können die Ansiedlung auf Vorrangzonen nur begrenzen, wenn wir solche ausweisen. Dafür müssen wir planen. Wir schränken damit auch Rechte von Eigentümern ein. Deshalb fordert die Rechtsprechung von uns „echte“ Vorrangzonen, also in Qualität und Quantität. Eine reine Verhinderungsplanung wäre rechtswidrig und würde von jedem Gericht aufgehoben. Ohne Planung können Anlagen an vielen zusätzlichen Stellen entstehen.

Welche Entscheidungen kann eine Gemeinde beeinflussen und wo bleibt ihr nur die Zuschauerrolle?

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Wir können diese Vorrangzonen festlegen und in Finnentrop machen wir ja sogar noch mehr: Wir arbeiten an Bebauungsplänen, mit denen wir auch genaue Standorte festlegen und damit weitere Anlagen ausschließen können, auch weitere Einschränkungen können wir in Bebauungsplänen festlegen. Eine ausschließliche Ausweisung von Vorrangzonen im Flächennutzungsplan könnte für eine deutliche höhere Zahl an Windkraftanlagen ausgenutzt werden. Von daher bin ich eigentlich froh, dass wir gemeinsam mit den Bürgern diesen Prozess steuern können.

Gibt es eigentlich keine Kompromissmöglichkeiten, also eine Verständigung mit denen, die sich demnächst „umzingelt“ fühlen?

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Das habe ich schon mehrfach abgefragt. Vielleicht ist eine Verständigung auch noch möglich. Im derzeitigen Stadium verstehe ich natürlich die Haltung derjenigen, die den Planungen skeptisch gegenüberstehen: solange man die Hoffnung hat, die Errichtung von Anlagen ganz vermeiden zu können, akzeptiert man nicht ohne Not auch nur einen Teil davon. Ein Kompromiss erfordert am Ende ein gegenseitiges Auf-Einander-Zugehen. Die Tür dafür bleibt jederzeit offen.

Welche Ängste können Sie den Menschen nehmen, die grundsätzlich Windrädern abgeneigt sind?

Die wenigsten lehnen Windkraft grundsätzlich ab, sondern haben Sorge, wenn diese Windkraftanlagen in ihrer Nähe aufgestellt werden. Sorgen zu nehmen ist umso schwieriger, je weniger die Dinge greifbar sind. Nehmen Sie das Beispiel Infraschall: der kommt im täglichen Leben überall vor, natürlich auch bei Windkraftanlagen. Deshalb werden ja auch ausreichende Abstände gefordert, dabei geht der Gesetzgeber, dabei geht auch die Rechtsprechung davon aus, dass damit Gesundheitsgefahren ausgeschlossen sind.

Oder nehmen Sie das Thema Immobilienwertverlust: Dieses Argument begegnet uns immer wieder auch bei der Ansiedlung von Industrie, von Mobilfunkanlagen etc. Ein echter Nachweis über nachhaltige Verluste gelingt dabei allerdings nicht.

Wird die Gemeinde gänzlich an neuen Windrädern vorbeikommen oder ist das ausgeschlossen?

Nach wie vor glaube ich nicht, dass die Gemeinde, außer den vorhandenen drei Windrädern, windkraftfrei bleiben wird.

Dann müsste der Gesetzgeber die Privilegierung im Baugesetzbuch aufheben oder die Rahmenbedingungen so eng festzurren, dass nichts mehr geht.

Fürchten Sie darum, dass durch Befürworter und Gegner der Windkraft die Gemeinschaft in den Dörfern leidet?

In meiner Haushaltseinbringungsrede habe ich schon gesagt, dass ich die entstandene Frontbildung bedauere, weil sie aus meiner Sicht auch auf Missverständnissen beruht. Ich glaube, in der Region hat sich bislang kaum einer so häufig wie wir vor die Bürger gestellt, um für einen gemeinsamen Weg zu werben. Das ist auch der Versuch, Dörfer zu befrieden, indem wir deutlich machen, wie sich die Dinge politisch und rechtlich verhalten. Es wäre für mich das Schlimmste, was passieren könnte, wenn unter diesem Thema die Gemeinschaft in Dörfern auf Dauer leiden würde.

Stehen uns in den nächsten Jahren viele Gerichtsverfahren bevor, wenn Projektierer – auch in Finnentrop – mit ihren Bauvorhaben scheitern?

Leider sind derzeit fast alle Entscheidungen über Windkraftanlagen – ablehnende wie gewährende – streitbefangen. Speziell die Projektierer in der Gemeinde sind keine Heuschrecken, haben sorgfältig geplant und auch viel Geld in Voruntersuchungen gesteckt, deswegen muss man verstehen, wenn diese gegebenenfalls ihr Recht auch auf dem Klagewege versuchen durchzusetzen.

Wann werden wir eine eindeutige Rechtsgrundlage auf Bundesebene vorliegen haben?

Ich habe die Hoffnung, dass eine Neuregelung auf Bundesebene auf der Grundlage des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung sehr schnell erfolgt. Dies wäre im Sinne von Rat und Verwaltung, aber auch im Sinne der Bürger. Dabei hoffe ich in der Tat auf eindeutige Regelungen, befürchte aber, dass es wieder weiche Formulierungen geben wird, die letztlich dafür sorgen, dass Gericht die Entscheidungen treffen. Dies wäre nicht nur für die Akzeptanz der Windkraft ein riesiges Problem, sondern stellt auch die Grundlagen von Demokratie und Rechtsstaat auf den Prüfstand.