Kreis Olpe. Die Situation bei den Lieferengpässen von Medikamenten spitzt sich zu. Apotheken-Sprecher Ulf Ullenboom aus Olpe erläutert die Hintergründe.

Ulf Ullenboom schlägt Alarm. „Es hat sich zugespitzt“, sagt der Inhaber der Apotheke am Markt in Olpe zur aktuellen Situation beim Lieferengpass von Arzneimitteln. Ein Blick in den Computer beim Besuch unserer Zeitung zeigt: 143 Medikamente sind aktuell nicht lieferbar. Das sind etwa fünf Prozent des Sortimentes des Olper Apothekers.

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Zwar bekomme man es derzeit irgendwie noch hin, die Patienten anderweitig zu versorgen, doch Ullenboom warnt: „Wehret den Anfängen. Es ist nicht fünf nach zwölf, aber kurz vor zwölf.“ Die Apotheken müssten mit höherem logistischen Aufwand nach Lösungen suchen. „Die Politik interessiert das nicht. Die sagen nur: Apotheken und Firmen kriegen das irgendwie schon hin. Wir aber müssen gegenüber den Krankenkassen schriftlich darlegen, wenn wir ein anderes Medikament liefern. Für jede höherpreisige Abgabe müssen wir den Arzt um Erlaubnis bitten“, sagt der Olper Apotheker. Es gibt erhöhten Gesprächsbedarf mit den Patienten wegen des Austausches der Medikamente. Man habe kaum noch Zeit, über andere Dinge zu sprechen, wie Wechsel- oder Nebenwirkungen.

Produktion in Fernost

Sprecher der Apotheker im Kreis Olpe

Ulf Ullenboom (56) ist Kreisvertrauensapotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.

Der Olper ist zudem Vorsitzender der Bezirksgruppe Olpe des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, also praktisch Sprecher der Apotheker im Kreis.

Verantwortlich für die Lieferengpässe macht Ulf Ullenboom die Dauer-Preisspirale nach unten. Medikamente sollen möglichst billig sein. So werden zum Beispiel 100 blutdrucksenkende Tabletten von einigen Herstellern für 1,22 Euro angeboten. Folge ist, dass die Produktion oftmals in wenigen Betrieben in China und Indien stattfindet. „Aus ursprünglich deutschen Herstellern sind pharmazeutische Anbieter geworden. Diese kaufen alle bei zwei bis drei Firmen in Fernost“, so Ullenboom. Garantierte Lieferungen gibt es nicht mehr: „Die Firmen haben durch die Rabattverträge keinen Lieferzwang. Wir sind abhängig von den Produzenten.“ Häufig komme es auch vor, dass die Chinesen die Medikamente selber behalten. Zudem gebe es einen weiteren Grund für die Verknappung: „Die Engländer hamstern und kaufen den deutschen Markt leer, weil wir so günstig sind. Früher hieß es, teure Apotheke. Das hat sich geändert. Bei einigen Medikamenten liegen wir unter den Preisen im europäischen Ausland.“

Kein Jodthyrox bis März 2020

Wie sieht es konkret aus bei den nicht-lieferbaren Medikamenten beim Apotheker Ullenboom? Dazu gehören ABC-Pflaster oder Aspirin-Kautabletten, was kein Problem ist. Diese sind nicht lebensnotwendig und hier gibt es Ersatz. Allerdings sind über zwei Drittel der fehlenden Medikamente bei Ullenboom verschreibungspflichtig. Und diese sind wichtig. „So ist zum Beispiel das Epilepsiemittel Lamotrigin teilweise nicht lieferbar.“ Gerade bei Epileptikern sei es aber wichtig, dass sie weiterhin das Medikament bekommen, auf das sie eingestellt sind. Das gelte auch bei Psychopharmaka: „Venlafaxin ist ein Antidepressivum. Wir mogeln uns so durch und müssen die Firmen austauschen. Irgendwie schaffen wir es noch, die Kunden zu beliefern. Sie bekommen dann aber nicht unbedingt ihr gewohntes Medikament.“

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Schilddrüsen-Patienten, die das Kombimittel Jodthyrox benötigen, haben ganz schlechte Karten. Denn dies ist laut Firmenauskunft erst wieder ab März 2020 erhältlich. Wenn Ullenboom bei den Firmen nachfragt, erhält er immer die stereotype Antwort: „produktionstechnische Lieferschwierigkeiten.“ Eine Packung Jodthyrox reicht für drei Monate. Apotheker Ullenboom verabreicht jetzt die beiden Mittel Euthyrox und Jodid: „Für alle, die umgestellt werden, ist das wie eine Ersteinstellung. Da ist eine engmaschige Überprüfung durch den Arzt nötig.“

Medikamente bunkern

„In dieser angespannten Situation sollten die Leute bunkern“, empfiehlt Ulf Ullenboom. Sein Appell: „Sie dürfen nicht erst nach Einnahme der letzten Tablette ein Rezept holen. Man darf es nicht auf die letzte Tablette ankommen lassen. Dieses Risiko sollte man nicht eingehen. Gerade bei Depressionen oder Epilepsie, wo es auf das richtige Medikament ankommt.“