Hilchenbach. Hilchenbach gibt die Planung für vier Windkraft-Vorrangzonen nach Jahren auf, um die Ziele doch zu erreichen. Der Weg für den Investor ist frei.

Acht Jahre intensive Planung sind für die Katz: Stadtplanerin Anke Setzer hat viel Zeit und Energie in die kommunale Windkraftplanung gesteckt – nun sieht sie keine andere Möglichkeit, als diese aufzugeben. „Wir können die Planungen weiterführen mit ungewissem Ausgang oder das Verfahren einstellen“, sagte die Expertin nun im Stadtentwicklungsausschuss und schob ihre Empfehlung direkt hinterher: „Unsere einzige Chance ist es, das Verfahren aufzugeben und alles freizugeben.“ Auch Baudezernent Michael Kleber sagte: „Wir verlassen offensichtlich unsere jahrelang bewährte Richtung. Aber das ist der einzige Weg, unsere Planungsziele zu erreichen.“ Der Fachausschuss unterstützte den Vorschlag einstimmig. Der Rat entscheidet am 2. Oktober, ab 17 Uhr, final.

Wo liegt das Problem?

„Ich bin seit 2011 an der Planung dran. Sie musste immer wieder an die wechselnden Gesetzgebungen angepasst werden“, sagte Anke Setzer dem Fachausschuss. „Widersprüchliche Vorgaben“ der Landesregierung, das „politische Tauziehen“ um den Ausbau der Windenergie, diverse Prüfungsverfahren, die steigende Komplexität des Verfahrens und eine unsichere Rechtslage würden es unmöglich machen, eine rechtssichere Planung zu erstellen.

Nicht zuletzt gibt der neue Landesentwicklungsplan (LEP), der Mitte des Jahres beschlossen wurde, den Planungen den Rest. Darin fordert das Land unter anderem 1500 Meter Mindestabstand zur Wohnbebauung, was die Vorrangzonen deutlich kleiner werden lässt. Das bereits bebaute Gebiet Lümke würde gänzlich aus der Planung fallen (1000 Meter bis Helberhausen und Oberndorf). Und auch die Errichtung von Anlagen im Wald wird im LEP massiv eingeschränkt. Das sei zwar laut Verwaltung rechtswidrig, doch die Planungen erschwere es trotzdem.

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Ebenfalls problematisch: Die Rotorüberstrichflächen – sprich die Bereiche, die in der Luft von den Flügeln berührt werden – müssten nun auch in den Vorrangzonen liegen. Neue Anlagen sind allerdings größer als früher. „Die Modelle, die sie kennen, sind nicht mehr wirtschaftlich.“ Mittlerweile seien größere Rotoren nötig, um genug Wind zu ernten, damit sich das Geschäft lohne, erklärte Investor Günter Pulte, der während einer Sitzungspause selbst zu Wort kommen durfte.

Was bedeutet das jetzt?

Das gesamte Stadtgebiet wurde nach gleichen Kriterien untersucht. Vier Standorte blieben übrig: Wollberg/Buchenhain (30 Hektar), Klarstein (48 Hektar), Elberndorfer Winterseite/Alte Erndtebrücker Landstraße (79 Hektar) und die bereits bebaute Lümke (30 Hektar). Diese Einschränkungen wären mit der Einstellung des Verfahrens hinfällig und damit alle Flächen in der Theorie freigegeben.

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Stimmt der Rat zu, hat die Stadt keine Handhabe mehr, wo Windräder hinkommen, erklärte Anke Setzer. Die Stadt hilft damit aber auch dem Investor Günter Pulte und seiner Rothaarwind GmbH. Denn: Sie schafft die Voraussetzung für die Genehmigung des neuen Windparks, der auf dem Rothaarkamm geplant ist – auf Kirchhundemer und Hilchenbacher Gebiet.

Wie ist der Windpark im Moment aufgestellt? Und was ist geplant?

Seit 2007 wird der Bürgerwindpark auf der Lümke von Günter Pulte mit fünf Windenergieanlagen betrieben – auf rund 30 Hektar. Der Windmüller plant aktuell sieben weitere Anlagen im östlichen Stadtgebiet zu errichten. Sechs davon mit Nabenhöhen von 130 Metern und eine Anlage mit 110 Metern. „Die Gesamthöhe ist adäquat“, so Michael Kleber. „Das Planungsziel ist immer noch das gleiche.“

Würde die Stadt an ihren Planungen festhalten und sie an die neuen Regelungen anpassen, „wären statt sieben nur drei Anlagen mit diesen Bedingungen möglich. Das ist nicht wirtschaftlich“, sagte Günter Pulte. Wenn die Planungen eingestellt werden, „ist es für uns einfacher“.

Entsteht durch den Beschluss Wildwuchs in Hilchenbach?

Sowohl die Verwaltung als auch Investor Günter Pulte glauben, dass kein Wildwuchs entsteht. Sicher könne sich zwar niemand sein, doch die Errichtung von einzelnen Anlagen sei nicht wirtschaftlich und die Siedlungsstruktur Hilchenbachs mache es schwierig weitere Windparks zu planen. „Das Risiko ist überschaubar“, so Kleber. Derzeit gebe es keine weiteren Anfragen von potenziellen Investoren für die Errichtung von Windkraftanlagen. „Hier hätten es dann die Grundstückseigentümer in der Hand, einer Verpachtung zuzustimmen oder diese abzulehnen“, so die Verwaltung. „Wir haben Kontakt zu den Eigentümern großer Flächen aufgenommen“, so Kleber. Es sei zugesichert worden, dass kein Interesse zu verpachten bestehe.

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An den Planungen für den neuen Windpark der Rothaarwind GmbH ändert sich nichts. Günter Pulte habe bereits viel Zeit und Geld in diverse, standortbezogene Gutachten gesteckt und muss bei seinen Planungen Rücksicht auf die Radaranlage der Bundeswehr in Erndtebrück nehmen. Dadurch sei ein Versetzen der Anlangen nicht mehr möglich – „nicht einmal um Zentimeter“. Als nächstes stehe ein weiteres Artenschutzgutachten an: Ein neu entdeckter Schwarzstorchhorst ist schuld. „Wir müssen sehen, ob am Ende wirklich sieben Anlagen stehen werden“, sagte Pulte.

Lob von Günter Pulte

Günter Pulte, Landwirt und Windbauer aus Rahrbach, lobt die Strategie der Stadt Hilchenbach als nachvollziehbares Vorgehen: „Wir haben immer Hand in Hand mit der Stadt Hilchenbach gearbeitet.“ Angesichts der unklaren Rechtslage und den dauernden Kehrtwendungen der Bundes- und Landespolitik werde das Problem für die Kommunen nahezu unlösbar. Pulte: „Es gelingt nicht, einen rechtssicheren Flächennutzungsplan aufzustellen. Deshalb sind die Argumente der Stadt Hilchenbach nachzuvollziehen.“

Inwieweit die Gemeinde Kirchhundem aus dem Beispiel Hilchenbachs eigene Strategien entwickele, könne er nicht sagen: „Das müssen Sie die Kirchhundemer fragen.“

Für die sieben Windräder auf dem Gebiet Hilchenbachs, so Pulte, habe er eine Bauvoranfrage an den Kreis Siegen gestellt: „Für die zehn Anlagen auf dem Gebiet der Gemeinde Kirchhundem (Heinsberg) bereiten wir den Bauantrag an den Kreis Olpe vor.“

Reinery-Position

Kirchhundems Bürgermeister Andreas Reinéry erklärte gestern auf Anfrage, er bevorzuge nach wie vor das Aufstellen eines Flächennutzungsplanes mit Vorrangzonen.“ Für eine flächenmäßig derart große Kommune wie Kirchhundem sei das aus seiner Sicht die sinnvollste Strategie. Aber: „Ich werde versuchen, einen Konsens hinzukriegen. Wenn unsere Gemeinde-Politik einen anderen Weg als mit neuen Vorrangzonen gehen möchte, stehe ich dem auch nicht im Weg.“

Er werde neben der Kirchhundemer Gemeinde-Politik auch die Nachbarn aus Hilchenbach und den Kreis Olpe in den Prozess einbinden.


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