Kirchhundem. . Kirchhundemer Waldbauern beklagen Schäden der 22-köpfigen Herde. Gericht klärt am Donnerstag, ob sich die Tiere weiterhin überall frei aufhalten dürfen.

  • Waldbauern in Kirchhundem beklagen Schäden der Wisente
  • Beteiligte warten gespannt auf den Ausgang der Gerichtsverhandlung

Der Fladen ist noch frisch. „Die waren gerade noch hier“, sagt Hermann Pohl, Forstwirt im Privatwald von Reinhild Schulte. Er zeigt auf die niedergetrampelte Wiese und die wilden Himbeeren zu seiner rechten. Pohl schaut konzentriert ins Tal, aber zu sehen sind die Wisente nicht. „Hier halten sich die Tiere momentan oft auf“, sagt Lucas von Fürstenberg. In seinem Wald in Kirchhundem schälten die Wisente in den vergangenen Wochen mehr als 200 Buchen. Sein Förster fuhr täglich raus, um die Tiere zu vertreiben und die Schäden zu dokumentieren.

Betretungsverbot erwirken

Deutlich sind die Spuren der Zähne zu sehen. Die Tiere Fressen die Rinde. Im HIntergrund sind weitere beschädigte Bäume zu sehen.
Deutlich sind die Spuren der Zähne zu sehen. Die Tiere Fressen die Rinde. Im HIntergrund sind weitere beschädigte Bäume zu sehen. © Funke Foto Services

Pohls Revier und das der Fürstenberg’schen Forstverwaltung grenzen an das Berleburger Gebiet, wo die Wisente im Frühjahr 2013 ausgesetzt wurden. Von dort zog es die Tiere häufig ins Sauerland. In das Hochsauerland und in den Kreis Olpe.

Geschädigte Waldbesitzer aus Schmallenberg streiten seit mehr als einem Jahr vor Gericht für ein Betretungsverbot der Tiere. Die Richter am Amtsgericht Schmallenberg und am Landgericht Arnsberg gaben den Waldbauern Recht. Der Wisent-Trägerverein müsse sich um geeignete Maßnahmen bemühen, die Tiere von den Wäldern fern zu halten.

Der Verein argumentiert jedoch so, dass es sich bei der Herde bereits um herrenlose Tiere handele. Schließlich sei mehr als die Hälfte der 22-köpfigen Herde bereits im Rothaargebirge geboren worden. An diesem Donnerstag geht es vor dem Oberlandesgericht in Hamm weiter. „Unser Ziel ist es, dass die Wisente frei leben können und das Artenschutzprojekt weiter Gehör findet“, sagt Michael Emmrich, Sprecher des Wisent-Vereins.

Pro-Wisent-Fähnchen am Auto

Die komplette Herde auf einer Wildwiese in Kirchhundem.
Die komplette Herde auf einer Wildwiese in Kirchhundem. © Privat

Hinter dem Verein stehen viele Wisent-Freunde – in Siegen-Wittgenstein ebenso wie im Hochsauerland. Nach der Attacke einer ­Wisentkuh im Frühsommer auf eine Wanderin in Schmallenberg, taten sich viele zusammen. Einige steckten sich weiße Pro-Wisent-Fähnchen ans Auto, was Autofahrer sonst nur zu Weltmeisterschaften tun. Die Debatte ist emotional. Denn auf der einen Seite stehen Menschen, die ihr Privateigentum schützen möchten, auf der anderen Seite Menschen, die für den Artenschutz kämpfen. Was ist wertvoller?

Für Schälschäden hat das Land einen Fonds eingerichtet. Im Topf sind bis zu 50 000 Euro. Zu den Einzahlern gehören der Wisent-Verein, der Kreis Siegen-Wittgenstein, die Wittgenstein-Berleburg’sche Rentkammer, der Touristikverein Bad Berleburg und der WWF. Hauptgeldgeber ist aber das Land. „Bislang wurden pro Jahr immer 17 000 bis 20 000 Euro abgerufen“, erklärt Emmrich, Sprecher des Trägervereins. Der Staatsforst macht die Schäden nicht geltend, da das Artenschutz-Projekt auch vom Land und Bund unterstützt wird. Unter den Waldbauern gibt es jetzt die Ansage, alle Schäden anzumelden.

Baum stirbt

Glatte Rinde, gerader Wuchs, prächtige Krone. Lucas von Fürstenberg steht vor einem Zukunftsbaum. So heißen in der Forstsprache Bäume, die gefördert werden, weil man sich von ihnen den größten Ertrag verspricht. „Jetzt ist das nur noch Brennholz“, sagt er

Eine Wildkamera har die Wisente im August in Kirchhundem aufgenommen.
Eine Wildkamera har die Wisente im August in Kirchhundem aufgenommen. © Privat

und zeigt auf die Rinde, die rundherum fast abgenagt ist. Der Baum kann sich jetzt nicht mehr versorgen. Er wird sterben. Die Tiere ziehen die Rinde in langen Streifen wie Tapete vom Stamm, weil sie ihnen schmeckt. Die Spuren der Zähne sind deutlich zu sehen. Das Gebiss muss kräftig sein, mit bloßen Händen lässt sich die Rinde nicht lösen. Die Buche ist etwa 60 Jahre alt. „Sie hätte locker noch 40 bis 60 Jahre stehen können.“ Etwa 50 Euro wird er jetzt dafür bekommen. 120 Jahre alte Buchen können in dieser Qualität bis zu 400 Euro bringen, erklärt von Fürstenberg. Wie groß der Schaden insgesamt ist, weiß er noch nicht. „Die Leute sagen: Hier stehen doch genug Bäume. Ja, aber diese Schäden hier sind ja erst der Anfang. Irgendwann wird es dann keine Laubbäume mehr geben.“

Reinhild Schulte und Lucas von Fürstenberg haben bislang noch keine Klage eingereicht. Sie werden das Urteil am Donnerstag abwarten.