Herdecke. Die Innenstadt-Umgestaltung und der Bau der Rathausarkaden in der Fußgängerzone verfolgten damals hohe Ziele. Gastautor regt neues Konzept an.

Liest man die alten Zeitungsberichte, dann war es offensichtlich Absicht: Am 24. Mai 1974, dem 25. Jahrestag des Inkrafttretens des Grundgesetzes der Bundesrepublik, wurde vom damaligen Bürgermeister Hugo Knauer der Grundstein für die Umgestaltung des Rathausplatzes und den Bau der Rathausarkaden gelegt. Die Bürgerschaft war zu diesem Festakt eingeladen, Hunderte Herdeckerinnen und Herdecker waren zur Grundsteinlegung auf der Baustelle Rathausvorplatz erschienen. Der Bürgermeister betonte in seiner Ansprache, dass jetzt die seit einiger Zeit laufende Innenstadtsanierung von der Planung in die Phase konkreter Baudurchführung übergehe.

Karstadt eröffnet 1973

Ziel der Baumaßnahme war es nämlich aus Sicht ihrer Planer (den Architekten Karl Friedrich Gehse und Detlef Grüneke), einen „städtebaulichen Gegenpol zum Karstadt-Kaufhaus“ zu schaffen. Dieses Kaufhaus war gerade ein Jahr vorher zur Freude vieler am Herdecker Ortsausgang Richtung Hagen eröffnet worden. Damit überhaupt eine Art Gleichgewicht im Zentrum gelingen konnte, gehörte zum ersten Bauabschnitt der Innenstadtsanierung auch eine Tiefgarage mit entsprechenden Stellplätzen, um genügend Parkraum zu schaffen. Die Westfälische Rundschau lobte die Planungen überschwänglich. Die Architekten würden einen „höchst originellen Akzent“ in der Innenstadt setzen. Insbesondere die Arkadenlösung dürfte als „besonders gelungen“ gelten, wie es im Lokalteil stand.

Modell der Rathausarkaden: Laut Gerd Brune, damaliger Stadtbaudirektor von Herdecke, waren die Arkaden „eine glückliche Synthese.“
Modell der Rathausarkaden: Laut Gerd Brune, damaliger Stadtbaudirektor von Herdecke, waren die Arkaden „eine glückliche Synthese.“ © WP | SPD Herdecke

Noch bei der Grundsteinlegung sahen die Pläne für die Arkaden eine Mischung aus Geschäften, anderen gewerblich genutzten Flächen wie etwa Büros und eine Arztpraxis sowie – tatsächlich – auch vier Maisonette-Wohnungen vor. Realisiert wurde dann aber ein völlig anderes Raumkonzept. Geschäfte und Gastronomie (Ratskeller) und – statt der Wohnungen – einen neuen Ratssaal, der unter dem Namen Bürgersaal auch für andere Zwecke nutzbar sein sollte. Der bisherige Saal im alten Rathaus war für 39 Ratsmitglieder dann doch zu klein geworden. Der gesamte Komplex stand zu Anfang im Eigentum der Stadt Herdecke.

Fußgängerzone sollte folgen

Im weiteren Verlauf der Innenstadtsanierung wurde die Hauptstraße zwischen den Kreuzungen Wetter-/Hauptstraße und Haupt-/Brinkstraße Mitte der 1980er Jahre zu einer Fußgängerzone umgestaltet. Eine Erweiterung der Rathausarkaden, diesmal von vornherein in privater Hand, vergrößerte das Geschäftsangebot sinnvoll (Textilwaren, Fotografie, Bäckerei und im Obergeschoss ein modernes Restaurant mit großer Terrasse). In dieser Phase der Stadtentwicklung schien das Konzept, die Arkaden und die Fußgängerzone als Gegenpol zum Karstadt-Kaufhaus, aufzugehen; insbesondere auch, weil es der Stadt gelang, den Discounter Aldi im Stadtzentrum zu halten, erst in der Uferstraße, später dann auf dem Gelände des Bunkers an der Stiftsstraße.

1984 hielt Karl Friedrich Gehse die fertigen Arkaden mit Ratssaal, Tiefgarage und Rathaus in einer seiner zahlreichen ‚Skizzen‘ aus der Stadt Herdecke fest (aus: K. F. Gehse, Herdecke - 2x24 Skizzen 1984).
1984 hielt Karl Friedrich Gehse die fertigen Arkaden mit Ratssaal, Tiefgarage und Rathaus in einer seiner zahlreichen ‚Skizzen‘ aus der Stadt Herdecke fest (aus: K. F. Gehse, Herdecke - 2x24 Skizzen 1984). © WP | Sammlung Creutzenberg

Nicht unterschlagen werden darf allerdings, dass es mit dem ersten Bauabschnitt der Arkaden von der Fertigstellung an ein großes Problem gab und weiterhin gibt: Wasser! Die Geschäfte, die alle neben dem ebenerdigen Bereich über ein zum Geschäft gehöriges Untergeschoss verfügen, waren von Anfang an mit dem Problem konfrontiert, dass es Undichtigkeiten gab und mehr oder weniger Wasser durch die an die Tiefgarage anschließenden Rückwände drückte. Schimmelprobleme waren die Folge und sind bis heute trotz aller Maßnahmen nicht wirklich ausgemerzt. In der Folge gab es zahlreiche „Fluchten“ von Geschäftsleuten aus diesem Bereich der Arkaden, auch der Ratskeller war in kürzester Zeit Geschichte. Immer wieder, bis auf den heutigen Tag, gab und gibt es langandauernde Leerstände.

Ende von Karstadt und Hertie wirkt sich aus

Mit der Krise des Karstadt- bzw. späteren Herthie-Kaufhauses wurde trotz der Entfernung auch der Niedergang in der oberen Hälfte der Fußgängerzone eingeläutet. Die von der Stadt gewollte Lösung für das durch den Wegzug der Firma Westfalia-Separator in der Ruhraue freigewordene große Gelände, nämlich die Errichtung eines flächenfressenden Einkaufszentrums (im Verein mit der Erweiterung und Umgestaltung des ehemaligen Kaufhauses), hat den Prozess des Niedergangs der Fußgängerzone aus der Sicht des Autors beschleunigt. Denn: Trotz aller teuren Gutachten und trotz „subventionierter Aufhübschung“ der Fußgängerzone war mit dem Beschluss, die Innenstadt um die Ruhraue zu erweitern, ihr Schicksal als „Einkaufsmeile“ besiegelt. Man denke nur an den Umzug des Edeka-Ladens vom Ende der Fußgängerzone in das Quartier Ruhraue.

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Der kürzlich veröffentlichte Bericht im Lokalteil über die Probleme in der oberen Fußgängerzone, fast genau ein halbes Jahrhundert nach der Grundsteinlegung für die der Rathausarkaden, macht nach Meinung des Autors deutlich, dass ein neues Konzept für diesen Bereich der Fußgängerzone notwendig ist. Nach 50 Jahren sollte dieses Konzept allerdings mehr sein als nur eine „Aufhübschung“ der 50 Jahre alten Arkaden.

Ein Beitrag von Willi Creutzenberg, früherer Lehrer am Friedrich-Harkort-Gymnasium und Herdecker Heimatpreis-Träger 2023