Herdecke. Beim Start am 1. April 1974 war vieles anders. So spiegelt das Kita-Angebot den Wandel der Gesellschaft - besonders bei der Rolle der Frau.

Mit 70 Jungen und Mädchen ist die GVS-Kita an der Herdecker Ringstraße vor 50 Jahren gestartet. Die Zahl der Kinder liegt mittlerweile bei 55. Die Herausforderungen für die Mitarbeitenden sind aber nicht etwa gesunken. Im Gegenteil: Sie sind immer komplexer geworden. Viel hat sich getan bei der Betreuung im letzten halben Jahrhundert.

Das hat vor allem etwas mit dem Wandel des Frauenbildes zu tun, sagt Susanne Kipper. Sie ist Geschäftsführerin des Gemeinnützigen Vereins für Sozialeinrichtungen in Herdecke, kurz GVS genannt. So etwas wie U-3 Kinder waren 1974 kaum vorstellbar. Heute kommen Jungen und Mädchen oft schon im zweiten Lebensjahr in die Kita. Das hat den Personalschlüssel verändert und die Gruppen kleiner werden lassen.

Mitte der siebziger Jahre mussten alle Kinder wickelfrei sein, erinnert sich Susanne Kipper. Nicht nur beim Anfangsalter hat sich etwas getan. Heute bleiben alle Jungen und Mädchen ganz selbstverständlich über Mittag und bekommen in der Kita auch ein Essen. Als das gemeinsame Mittagsmahl eingeführt wurde, gab es Platz für 20 hungrige Esser. Aber nur acht Plätze waren gebucht.

50 Jahre Kita am Nacken: Susanne Kipper vom GVS, Liriana Lucke und Tobias Richter von der HGWG, Bürgermeisterin Dr. Katja Strauss-Köster und Kita-Leiterin Anastasia Felgner (von links) bei den Stiefelstäben.
50 Jahre Kita am Nacken: Susanne Kipper vom GVS, Liriana Lucke und Tobias Richter von der HGWG, Bürgermeisterin Dr. Katja Strauss-Köster und Kita-Leiterin Anastasia Felgner (von links) bei den Stiefelstäben. © WP | Klaus Görzel

Und doch hat sich nichts geändert für Liriana Lucke, zumindest auf den ersten Blick. Sie ist Auszubildende bei der Herdecker Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft und vor 20 Jahren selbst noch in die Kita am Nacken gegangen. „Ich habe so viele schöne Erinnerungen“, sagt sie, und spricht von dem „sehr, sehr guten Gefühl“, das sie bei der Erinnerung überkommt. Heute begleitet sie HGWG-Geschäftsführer Tobias Richter zum Pressetermin in das Gebäude an der Ringstraße.

Nicht nur kurze Wege zählen

Die HGWG ist Hausherr auch dieses GVS-Kindergartens. Bei der HGWG hat die Stadt Herdecke ein Mitspracherecht, beim GVS ebenso. Daher sitzt auch die Bürgermeisterin mit am Tisch und dankt dafür, dass bei den Kitas „alles sehr geräuschlos abläuft“. Für Dr. Katja-Strauss-Köster ist das ein gutes Zeichen. Die Stadt ist eng verzahnt mit ihrem größten Anbieter von Kindergartenplätzen und muss doch keine eigenen Kitas betreiben. Seit 50 Jahren funktioniert das jetzt so am Nacken und danach auch an anderen Stadtorten in der Stadt bis hin zur neuen Kita Sonnenhaus mit Altenheimanbindung an der Goethestraße.

Und doch ist nicht jeder GVS-Kindergarten wie der andere. Jede Einrichtung hat ihr eigenes Profil, das den Eltern manchmal wichtiger ist als ein möglichst kurzer Weg zur Kita. Leiterin Anastasia Felgner zählt die Besonderheiten am Nacken auf: Hier wird viel gesungen. Auch die Kindergartenkinder spielen schon Schach. Und die Kita ist ein Haus der kleinen Forscher. Um Wissenschaft geht es dabei nicht, aber um Voraussetzungen für späteres Wissen.

Ein Einhorn auf der Wiese

Neugierde wecken, den Entdeckerdrang fördern - das wollen die elf pädagogischen Mitarbeiterinnen und ihr männlicher Kollege. „Es gibt kein Richtig und kein Falsch“, sagt Anastasia Felgner. Hauptsache, die Kinder stellen Fragen und trauen sich mit Antworten. Da hat dann bei der Aufzählungen von Tieren auf der nahen Wiese neben Hase und Ameise auch schon mal ein Einhorn oder ein Schlumpf seine Berechtigung.

Längst haben die Kitas ihr Image als Kinderverwahranstalten abgestreift. Eltern interessieren sich für Konzepte und wollen mitreden. Die Erwartungen sind mitunter unbegrenzt. Da müssen die Erziehenden auch schon mal die Frage wechseln, warum denn an dieser Kita kein Chinesisch angeboten wird. Nicht nur Anastasia Felgner ist es wichtiger, dass ihr Team erst einmal dafür geschult ist, sich fachgerecht um Kinder mit Autismus oder Integrationshintergrund zu kümmern.

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Das Kinderbildungsgesetz des Landes, kurz KiBiz, setzt ohnehin einen engen Rahmen. Einen viel zu engen, wie Susanne Kipper findet. Das Gesetz deckelt die Ausgaben auch für Personal. An mehr monatliches Einkommen denken ihre Mitarbeitenden dabei nicht unbedingt, stellt Anastasia Felgner klar: „Die Erzieher wünschen sich mehr Personal.“

Die Feierlaune wird das wohl nicht trüben. Am 27. April gibt es Spiel und Spaß für Eltern und Kinder. 50 Jahre können die Jüngsten noch nicht übersehen. Aber einen Geburtstag zu feiern, davon verstehen sie alle etwas.