Herdecke. Land Rover an Land Rover: Gelände-Oldies bescheren Michael Cassing am Herdecker Bach eine feine Kundschaft und viel Spaß bei der Arbeit.

Mal mit verlängertem Radstand, mal mit Stoffverdeck, mal mit Ersatzreifen auf der Motorhaube: Land Rover sind für Michael Cassing Handelsware und, ja auch, eine Art Leidenschaft. Zehn Stück hat er auf seinem Firmengelände am Herdecker Bach nebeneinander zur Straße hin aufgereiht, fast noch einmal so viele Land Rover verbergen sich dahinter. Die Werkstatt in Dortmund mitgerechnet, hat er aktuell 32 Geländewagen aus britischer Fertigung in seinem Bestand.

Lust am Besonderen

1986 hat Cassing sein Gewerbe als Autohändler in Dortmund angemeldet. Anfangs hat er viele Autos aus den USA importiert, bis der Internethandel das Geschäft kaputt gemacht hat. Seine aktuelle Visitenkarte ziert ein chromblitzender Jeep Wagoneer, auf seinem Hof drückt sich eine Corvette flach auf den Asphalt, am Rande ist ein VW-Bulli in Nato-Oliv abgestellt. „Hauptsache nichts Normales“, sagt Michael Cassing über Autos, mit denen er gerne Geschäfte macht. „Ein Landy war auch immer dabei.“

Extra-Licht und Aufprallschutz: Bei den Aufbauten gibt es beim Land Rover keine Grenzen.
Extra-Licht und Aufprallschutz: Bei den Aufbauten gibt es beim Land Rover keine Grenzen. © WP | Klaus Görzel

Landy heißen die Land Rover bei ihrer Fan-Gemeinde. Jäger, Anwälte, Architekten seien seine Kunden, sagt Michael Cassing. „Alles angenehme Leute: Die sind schon im Leben angekommen und müssen mit ihrem Kultauto auch nicht täglich zur Arbeit fahren.“ Das Klientel gefällt dem Händler für besondere Fahrzeuge auch aus einem anderen Grund: „Die Kundschaft verfügt über das nötige Kapital.“ Bei 15.000 Euro geht es bei ihm in der Regel los für ein aufbereitetes Fahrzeug, das dann meist jahrelang fahre – oder mit einfachen Mitteln zu reparieren sei.

Autofahren ohne Servo und Gepiepe

Servolenkung, elektronische Helfer – alles Fehlanzeige bei den Landys. „Es piept nichts und es geht auch entsprechend nichts kaputt“, schwärmt Michael Cassing: „Das ist noch Autofahren im ursprünglichen Sinn.“ Wobei ein Landy nicht ist wie der andere: Von 2000 ist ein Modell aus der „Defender“-Serie, der letzten, bis 2016 produzierten Land Rover Serie. Das Fahrzeug in der vordersten Reihe ist neu lackiert, hat neue Sitze. Ein neuer Himmel kommt noch rein. Und es ist sogar in Wetter und Herdecke gefahren worden.

Aufpolieren möglich: Wie zwei alte Freunde stehen diese beiden Land Rover in der Verkaufsreihe.
Aufpolieren möglich: Wie zwei alte Freunde stehen diese beiden Land Rover in der Verkaufsreihe. © WP | Klaus Görzel

Beim Geländewagen daneben flattert ein verschlissenes Cabriot-Verdeck im Wind. „Ein Light Wight“, sagt Michael Cassing. Ein Leichtgewicht. So wurden die Land Rover genannt, die für den Abwurf aus dem Flugzeug mit Fallschirmen bestimmt waren. Dieses 50 Jahre alte Exemplar musste keine Höhenangst haben. Es war ein Depot-Fahrzeug. Mal gerade 3000 Kilometer zeigt der Tacho. Fast wie neu. Selbst wenn ein Landy schon mal Patina angesetzt haben sollte: Die genieteten Karrosserien sind aus Alu. Dampfstrahler drauf und lackieren. Mehr sei nicht nötig, sagt Cassing.

Wünsche brauchen Zeit

Auch ein gar nicht mal so alter Audi steht auf seinem Hof. Eine Ausnahme. Aber die taugt dazu, seinen Geschäftsansatz zu verstehen. Hunderte von Fahrzeuge würden auf den Verkaufsportalen angeboten. Um wahr genommen zu werden, gehe das nur über einen niedrigen Preis. Bei seinen Land Rovern sei das etwas völlig anderes. Mit seinem umfassenden Angebot stehe er ganz oben. Und Interessenten kämen anders als oft im Autohaus gezielt und dann auch nur mit Termin.

Blick ins Innere eines Fahrzeugs.
Blick ins Innere eines Fahrzeugs. © WP | Klaus Görzel

Hamburg. München. Bodensee. Seine Kunden kommen von überall her, sagt Michael Cassim. Am Herdecker Bach können sie sich ein Auto aussuchen, und meist müssen sie dann drei Monate warten, bis ihr Landy wunschgemäß ausstaffiert wurde. Denn Sonderwünsche gehören bei einem solchermaßen vielseitigen Geländewagen dazu. Soll‘s die lange oder die kurze Version sein? Wird eine Winde vor dem Kühler gewünscht? Wie wär‘s mit einem Tropendach oder dem Durchblick nach oben? Nur für kleinere Reparaturen liegt Werkzeug in dem Wohnwagen, der als Büro dient. Der Rest passiert in Dortmund.

Über 6 Millionen „Landys“

Der erste Land Rover hat sein Debüt am 30. April 1948 auf der Amsterdam Motor Show.

Sechs Jahre später erhält das Rote Kreuz erstmals einen Land Rover für humanitäre Einsätze.

1956 wird der Land Rover zum Standardfahrzeug der britischen Streitkräfte.

Der sechsmillionste Land Rover wird 2015 gefertigt.

Im gleichen Jahr feiert der Defender, die letzte Land Rover Serie, sein zweimillionstes Produktionsjubiläum.

2016 läuft die Defender‑Fertigung im Land-Rover-Stammwerk Solihull aus.

Michael Cassing hat eine Ausbildung zum Zahntechniker hinter sich. Bereits in jungen Jahren war aber der Handel mit Automobilen verlockender. Anfangs hat er seine Landys in Deutschland aufgetrieben. Dann kamen immer schärfere Abgasvorschriften. Die Produktion wurde eingestellt. Und die Landys waren plötzlich gefragter denn je. Aus Belgien, den Niederlanden oder Spanien rollen sie mittlerweile nach Herdecke. Ein Exemplar ist sogar Jahrzehnte lang in Costa Rica unterwegs gewesen.

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Jetzt wartet der Geländewagen auf sein Fitness-Programm in der Werkstatt. Lange Standzeiten führen dazu, dass der Rahmen überprüft werden muss. Neue Bremsen oder Ölwechsel zählen zum Standard. Die Rover bekommen alles, damit sie den deutschen Tüv bestehen und als Oldtimer auch mit Abgaswerten von anno dazumal über die Straßen fahren dürfen. Vielfach als Wertsteigerung auf vier Rädern.