Wetter/Herdecke. Wetter und Herdecke ächzen unter einer Schuldenlast. Dennoch müssen sie hohe Summen an den Kreis zahlen. Kämmerer fordern Sparmaßnahmen.

Der Ennepe-Ruhr-Kreis hat im Vergleich mit anderen Kreisen den höchsten Umlagesatz im Bezirk Arnsberg. Das bedeutet: Die Städte müssen die höchsten Zahlungen nach Schwelm überweisen, obwohl die Kommunen selbst unter einer hohen Schuldenlast leiden. Kein Wunder also, dass ein banger Blick in Richtung Bauausschuss ging, denn dort wurde die Kreishaus-Sanierung diskutiert.

Sanierung zu teuer

Die geschätzten Investitionskosten für das in die Jahre gekommene Kreishaus betragen laut Gutachter 140 Millionen Euro. Weitere untersuchte Varianten: „Verschiebung“ oder „abschnittsweise Grundsanierung“, „Neubau am Standort“ oder „Neubau an einem neuen Standort“ rufen noch höhere Summen zwischen 173 und 188 Millionen Euro auf. Da der Kreis selbst keine Einnahmen hat, müsste dieses Geld durch die Kommunen aufgebracht werden. Doch Landrat Olaf Schade intervenierte und sah ein: „Eine solche Investition ist bei den aktuellen Rahmenbedingungen - Baupreise, Zinsen, Unterfinanzierung der Kommunen – derzeit schlicht nicht zu stemmen. Da wir die notwendigen Gelder nur über die Kreisumlage und damit mit Mitteln der Städte aufbringen können, widerspricht eine Ausgabe in dieser Höhe dem solidarischen Zusammenwirken des Kreises mit den Städten. Sie würde jede einzelne Kommune über Jahrzehnte zu stark belasten.“

Ich erwarte, dass der Kreis, ähnlich wie die kreisangehörigen Städte, Sparanstrengungen unternimmt, um die finanzielle Belastung der Städte zu reduzieren.
Andreas Wagener - Kämmerer Stadt Wetter
Ziel muss es sein, die kreisangehörigen Städte von der überdurchschnittlich hohen Kreisumlage zu entlasten.
Dennis Osberg - Kämmerer Stadt Herdecke

Kommunen fordern Einsparungen

Ein Grund zur Freude also bei den Kommunen? Die halten sich eher bedeckt, wie die Redaktion auf Nachfrage feststellte. Unisono stellten die Kämmerer aus Wetter und Herdecke fest, dass die finanziellen Auswirkungen der nun verworfenen Pläne zur Großsanierung mangels konkreter Zahlen noch nicht in den jeweiligen Haushalten abgebildet gewesen sind. Doch der Verzicht auf das Projekt reicht beiden Städten nicht aus. Herdeckes Kämmerer Dennis Osberg fordert: „Generell erwarte ich vom Ennepe-Ruhr-Kreis konkrete Konsolidierungsmaßnahmen und das Ausnutzen sämtlicher Einsparpotenziale spätestens mit Aufstellung des angekündigten Haushaltssicherungskonzeptes. Ziel muss es sein, die kreisangehörigen Städte von der überdurchschnittlich hohen Kreisumlage zu entlasten. Dabei sollte der Kreis die gleichen Maßstäbe an eine wirtschaftliche und sparsame Haushaltsführung anlegen wie es die meisten Städte im Kreis seit vielen Jahren bereits konsequent tun müssen.“ Sein Kollege aus Wetter, Andreas Wagener, stimmt dem zu: „Ich erwarte, dass der Kreis, ähnlich wie die kreisangehörigen Städte, Sparanstrengungen unternimmt, um die finanzielle Belastung der Städte zu reduzieren.“

Nichts machen ist keine Option.
Olaf Schade - Landrat

Doch auch wenn das Großprojekt erst einmal abgesagt wurde, ist auch klar: „Nichts machen“, so Schade, „ist allerdings keine Option. Der Zustand des mehr als 50 Jahre alten Gebäudes stellt uns insbesondere beim Brand- und Arbeitsschutz sowie mit Blick auf Schadstoffe und notwendige Neuerungen für die fortschreitende Digitalisierung vor erhebliche Herausforderungen. Wir werden daher jetzt nur noch das in den Fokus rücken, was zum Betriebserhalt und für die Funktionsfähigkeit des Kreishauses notwendigerweise gemacht werden muss. Einen entsprechenden Prüfauftrag habe ich erteilt.“

Wir machen jetzt im Zuge des Prüfantrags eine Aufstellung, was an Sanierungen unabweisbar notwendig ist, um das Gebäude weiter nutzen zu können. Das wird den Kreisgremien im zweiten Quartal vorgestellt und geprüft, wie man damit umgeht.
Ingo Niemann - Pressesprecher des EN-Kreises

Investitionsprogramme im Blick

Gegenüber der Nachbarredaktion äußerte sich Kreissprecher Ingo Niemann auf Nachfrage, dass es parallel zu überlegen gelte, wo es sinnvoll sein könnte, die bereits angelaufenen Prüfungen weiterzuführen, um darauf zurückgreifen zu können, wenn bei geänderten Rahmenbedingungen die eigentlich geplante Grundsanierung in den Bereich des Machbaren rücken könnte. Stichwörter seien hier zum Beispiel ein kommunales Investitionsprogramm wie in den 2010er-Jahren, andere Fördermittel, deutlich sinkende Zinsen oder Baukosten. „Für all das gibt es aber derzeit keine Anzeichen“, sagt Niemann und erklärt zum weiteren Vorgehen: „Wir machen jetzt im Zuge des Prüfantrags eine Aufstellung, was an Sanierungen unabweisbar notwendig ist, um das Gebäude weiter nutzen zu können. Das wird den Kreisgremien im zweiten Quartal vorgestellt und geprüft, wie man damit umgeht.“

Vorlage zurückgezogen

Im Zuge der Grundsanierung des Kreishauses plante der Kreis, als Interimslösung Verwaltungsgebäude von der Stadt Schwelm anzumieten, um die Mitarbeitenden dort zeitweise unterzubringen. Durch den Umzug in das neue Schwelmer Rathaus stehen demnächst einige Gebäude der Stadt leer. Wie Ingo Niemann mitteilt, ist die entsprechende Vorlage für die Interimslösung für den Kreisausschuss am vergangenen Montag und für den Kreistag am 18. März zurückgezogen worden.

Eventuell in Etappen sanieren

„Die Frage, ob wir noch Übergangslösungen anmieten müssen und werden, hängt davon ab, welchen Weg wir für die Sanierung des Kreishauses insgesamt wählen werden“, sagt Niemann. Zu klären sei, ob es denkbar ist, in Etappen zu sanieren und/oder ob Mitarbeiter in dieser Zeit aus dem Kreishaus raus müssten oder nicht. „Und wenn ja, wie viele. Dann werden wir das Gespräch mit der Stadt Schwelm suchen müssen, wie schnell sie ihre frei gezogenen Immobilien weiter vermarkten will und wie man sich da einigen kann.“

Bauprojekte werden weiter vorangetrieben

Die Planungen zeigen: Auch wenn die teure Lösung der Großsanierung erst einmal vom Tisch ist, die Kommunen werden um weitere Kosten und dementsprechende Zahlungen in den Kreisumlagen nicht herumkommen. Zumal andere Bauprojekte des EN-Kreises wie geplant weiter vorangetrieben werden. „Für alle anderen Bauprojekte gibt es politische Beschlüsse und die sind auch schon in der Umsetzung. Bei den Schulen sind wir ja in vielen Bereichen schon auf der Zielgeraden, und das Gefahrenabwehrzentrumwird für das vom Kreistag festgelegte Budget von 113,5 Millionen Euro jetzt gebaut“, sagt Kreispressesprecher Ingo Niemann.