Wetter/Herdecke. Einfache Abläufe und weniger Papierkram: Das digitale Rezept verspricht viele Vorteile. Ein Realitätscheck bei Apotheken in Wetter und Herdecke.

Beim Arztbesuch gibt es seit Beginn des Jahres keinen rosafarbenen Zettel mehr. Verschreibungspflichtige Medikamente dürfen nämlich nur noch per E-Rezept verordnet werden. Zum Einlösen des Rezepts in der Apotheke gibt es drei Möglichkeiten: Das Rezept wird auf der Gesundheitskarte gespeichert, kann in der Arztpraxis ausgedruckt oder per App abgerufen werden. „Das E-Rezept ist seit dem Jahresbeginn in Westfalen-Lippe insgesamt gut in die flächendeckende Anwendung gestartet, es gab keine nennenswerten größeren Probleme“, sagt Daniel Müller, stellvertretender Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). „Aus den Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gibt es seitdem nur wenige Rückmeldungen.“

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Für Christian Kluge, Inhaber der Goethe-Apotheke in Wetter ist die Arbeit mit dem elektronischen Rezept jedoch bisher „unbefriedigend“, wie er sagt. „Wir ersticken in Bürokratie und die Übertragungsgeschwindigkeit der Rezepte ist zu langsam“, erläutert er. „Dagegen war Papier doppelt so schnell. Manchmal sind der Patient und seine Versichertenkarte vor dem E-Rezept bei uns in der Apotheke“, sagt Kluge. Den Grund kennt der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL): „Viele Ärzte signieren die einzelnen E-Rezepte aktuell nicht sofort, sondern alle Verordnungen gebündelt zum Beispiel am Ende des Praxistages. Kommen die Patienten direkt nach dem Arztbesuch mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte in die Apotheke, haben die Mitarbeiter noch keinen Zugriff auf das E-Rezept.“ Technisch sei es aber machbar, dass Praxen das Rezept sofort freischalten, was in akuten Fällen unbedingt erforderlich sei.

Wir ersticken in Bürokratie und die Übertragungsgeschwindigkeit der Rezepte ist zu langsam.
Christian Kluge - Inhaber der Goethe-Apotheke in Wetter.

Probleme im Arbeitsalltag

Es gebe aber auch weitere Probleme, sagt Michael Mahl, Vorsitzender der Bezirksgruppe Ennepe-Ruhr im AVWL: „Viele Patienten sind verunsichert, weil sie auf der elektronischen Gesundheitskarte nicht sehen können, was der Arzt verordnet hat. Ihnen fehlt die Kontrollmöglichkeit.“ Ein Umstand, den auch Christian Kluge aus Wetter bemängelt. „Dazu kommt, dass manche Rezepte von den Arztpraxen falsch ausgestellt werden“, sagt Kluge. „Manchmal werden Rezepte auch doppelt ausgestellt, weil auf dem einen das Medikament und auf dem anderen die Dosierung notiert ist.“

Michael Mahl, Vorsitzender der Bezirksgruppe Ennepetal-Ruhr im Apothekerverband Westfalen-Lippe. 
Michael Mahl, Vorsitzender der Bezirksgruppe Ennepetal-Ruhr im Apothekerverband Westfalen-Lippe.  © Wetter / Herdecke | Sven Palm Fotografie

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Aber auch andere Probleme hätten sich im Arbeitsalltag mit dem neuen Rezept ergeben: „Die Kartenlesegeräte starten sich plötzlich neu, dabei haben wir eine nagelneue Apotheke und dementsprechend neue Geräte“, sagt Kluge. Außerdem könnten nicht alle Medikamente per E-Rezept verschrieben werden: Hilfs- oder starke Schmerzmittel, die zu den Betäubungsmitteln zählen, könne man so nicht bekommen. „Es klemmt an allen Ecken und Enden“, macht Christian Kluge seinem Ärger Luft. „Problematisch ist das E-Rezept auch für Altenheime. Früher konnten Apotheken die Rezepte der Bewohner einfach beim Arzt abholen. Aber dafür ist ja jetzt die Versichertenkarte notwendig“, sagt er.

Hürden für Pflegeheime

Die KVWL sieht zwar keine größeren Probleme mit dem E-Rezept, aber zwei weitere Hürden für die Pflegedienste und Heimversorgung: „Pflegeheime müssen nach jetzigem Stand erst ab Juli 2025 über einen Anschluss an die Telematik-Infrastruktur (TI) verfügen“, sagt Daniel Müller von der KVWL. Mit TI ist die Datenautobahn des Gesundheitswesens gemeint. Die Verpflichtung sei aber schon jetzt notwendig, damit die Arztpraxis das E-Rezept grundsätzlich elektronisch an das Pflegeheim übermitteln könne. Die zweite Hürde sei ein „Zuweisungsverbot“ bei der Belieferung von Pflegeheimen mit Medikamenten. „Das bedeutet, dass die Patientin oder der Patient dem Arzt oder der Ärztin grundsätzlich nicht erlauben darf, das E-Rezept direkt an die heimversorgende Apotheke zu übermitteln“, so Müller. „Für eine bessere Versorgung müssten also die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden.“

Natürlich kann es auf beiden Seiten, also von der Arztpraxis oder der Apotheke aus, zu technischen Problemen kommen. Aber bei uns lief es letzte Woche beispielsweise schon komplett problemlos.
Sabina Döling

Trotz allem aber sei das E-Rezept eine große Chance, sagt Michael Mahl vom AVWL. „Es vereinfacht vieles für die Patienten.“ Zum Beispiel müsse man für ein Folgerezept nicht mehr unbedingt in die Arztpraxis, sofern im laufenden Quartal bereits die Versichertenkarte vorgelegt wurde. Nach einer Videosprechstunde beispielsweise könnten Rezepte kontaktlos übermittelt werden. Auch Sabina Döling, Inhaberin der Sonnen- und der Post-Apotheke in Herdecke, sieht der Zukunft mit dem E-Rezept positiv entgegen: „Bei uns läuft es überwiegend reibungslos“, sagt sie. „Natürlich kann es auf beiden Seiten, also von der Arztpraxis oder der Apotheke aus, zu technischen Problemen kommen. Aber bei uns war die letzte Woche beispielsweise schon komplett problemlos.“