Wetter. Vor gar nicht so langer Zeit ist Margot Hildebrandt noch nach Polen geflogen. Jetzt hat sie ihrer Wohnung in Wetter Geburtstag gefeiert.
Reisen hat Margot Hildebrandt immer Spaß gemacht. In der Schweiz ist sie gewesen, als ihr Mann noch lebte, auch auf Teneriffa. Flugangst? Kennt sie nicht. Auch nicht mit 98. Da ist sie von Dortmund nach Breslau geflogen. Seitdem weiß sie, wo Ulla, ihre Hilfe im Haushalt, lebt, wenn sie nicht gerade Margot Hildebrandt pflegt. Im Moment ist Ulla besonders wichtig: Am Mittwoch steht ein Geburtstag im Kalender. Es ist der Hundertste ihrer Auftraggeberin.
Seit einem Schlaganfall vor sechs Jahren ist Margot Hildebrandt auf Betreuung angewiesen. Ihren Lebensmut hat das nicht gebrochen. Ihr jüngere Schwester ist bereits gestorben. Auch sie hat in Grundschöttel gewohnt. Aber Margot Hildebrandt ist nicht allein, auch nicht im hohen Alter. Der Sport hat sie jung gehalten, ihr Freundeskreis auch. Also gibt es weiter Kaffeekränzchen in dem Haus an der Steinkampstraße, mit Nachbarn von früher und von heute.
Ratesendungen im Fernsehen machen Margot Hildebrandt großen Spaß
1965 ist Margot Hildebrandt hier eingezogen. Ihr Mann hatte zunächst einen Job in Hagen, ihrer Geburtsstadt, dann in Herne. Wetter lag da günstig. Margot Hildebrandt hat die höhere Handelsschule besucht und war Chefsekretärin im Stahlwerk Mark. Zwei Kinder hat sie groß gezogen. Sohn Volkmar lebt mit seiner Familie bei Aurich, Tochter Claudia wohnt in Wetter und schaut fast täglich bei der Mutter vorbei. Mit sechs Enkelkindern und zwei Urenkeln wird groß gefeiert. Aber erst am Wochenende. Nicht alle können die Arbeit einfach liegen lassen für die Feier.
Das mit dem Sehen ist schwerer geworden. Aber Margot Hildebrandt nimmt noch Teil am Leben, dem der Familie und dem in der Welt. Bei den Enkeln und Urenkeln ist sie immer ganz auf der Höhe, und der Fernseher ermöglicht den Blick über den Tellerrand der Familie hinaus. Ratesendungen liebt sie. Günther Jauch kann sein, „Gefragt, gejagt“ am Vorabend aber ist ein Muss.
Schlaganfall bedeutet tiefen Einschnitt
Mit Tochter Claudia Hildebrandt-Billig brütet sie gerne über Kreuzworträseln. „Wir machen das zusammen“, sagt die Jüngere voller Respekt vor dem Wissen der Älteren. Schade, dass die Augen nicht mehr so mitmachen. Die Schrankwand im Wohnzimmer ist voller Bücher. Margot Hildebrandt kann nicht mehr lesen und hat das doch so gerne getan: Krimis, historische Romane, „alles wild durcheinander.“
Mit 70 hat sie zum letzten Mal auf den geliebten Skiern gestanden. Langlauf. Ohne ihren Mann wollte sie das nicht mehr. Fürs Theater in Hagen hat sie ein Abo gehabt, nach Herdecke ist sie zu den Konzerten der Dörken-Stiftung gegangen. Gerne war sie mit dem Auto unterwegs, eher vorsichtig als flott. Dann kam der Schlaganfall. Seitdem ist das Leben „nicht immer so eine tolle Sache.“ Trotzdem sagt Margot Hildebrandt: „Ich bin froh, dass ich dieses Alter erreicht habe.“
Mit Humor geht alles besser
Ihre Mutter ist mit 96 Jahren gestorben. Das hätte ihr vielleicht auch gereicht. Dann aber war der hundertste Geburtstag das Ziel. Mit Bewegung im Köpfchen und lange auch in den Beinen hat sie es erreicht. Meist mit Humor als Wegbegleiter. „Wir lachen viel“, meldet sich Ulla zu Wort, die „treue Seele“, wie Margot Hildebrandt sagt. „Erst ein polnisches Schnäpschen“, ergänzt Schwiegersohn Gerhard Billig, „spätestens dann wird der Humor wach.“
Seit hundert Jahren gibt es nun Geschenke für Margot Hildebrandt. Ist da überhaupt noch ein Wunsch übrig geblieben? Und ob! Die Jubilarin interessiert sich immer noch für Kleidung, berichtet die Tochter, „obwohl der Schrank voll ist“. Auch sonst hat sie alles und ist doch dankbar für eine Abwechslung bei Parfüms oder einer Creme. Auf dem flachen Tisch im Wohnzimmer steht ein Strauß mit Blumen. Auch er dürfte am 100. Geburtstag von Margot Hildebrandt Gesellschaft bekommen.