Wengern. Wenig Personal, viel Bürokratie: Die Burnout-Rate bei Mitarbeitenden in Kindergärten ist hoch. Doreen Braun will mit Meditationskursen helfen.
Ich kann nicht mehr – diesen Gedanken hatte auch Doreen Braun schon. Vor neun Jahren zweifelte die Erzieherin daran, ob ihre Arbeit wirklich noch viel mit dem Beruf gemeinsam hatte, den sie vor 37 Jahren gelernt hat. Immer mehr Anforderungen und Bürokratie standen immer weniger Personal und Wertschätzung gegenüber. Diese Schwierigkeiten sind geblieben. Doreen Braun aber auch. Heute arbeitet sie im AWO-Familienzentrum Wengern. Und sie mag ihren Beruf wieder „sehr, sehr gerne.“ Meditation und Achtsamkeit haben ihr dabei geholfen. Als Achtsamkeitscoach und Mentaltrainerin gibt sie ihre Erfahrungen nun an andere Erzieherinnen und Erzieher weiter.
Kita-Mitarbeitende stoßen an ihre Grenzen
Fehlende Fachkräfte und hohe Krankenstände. Große Gruppen und Eltern mit viel Gesprächsbedarf. Dazu Kinder, „die seit Corona förderintensiver geworden sind“, wie Doreen Braun es beschreibt. Die Erzieherin kennt all die Rahmenbedingungen, die viele in ihrem Berufszweig an ihre Grenzen bringen und Kita-Mitarbeitende zur „Hochrisikogruppe für Burnout“ macht, wie eine Studie der Katholischen Hochschule NRW bereits 2015 attestierte.
„Viele sind frustriert“, weiß Doreen Brau. „Und Frust bringt keine guten Gedanken, keine guten Gefühle und letztendlich keine gute Arbeit.“ Diesen Negativ-Kreislauf hat die 55-Jährige für sich mit Achtsamkeitstrainings und Meditation durchbrochen. „Ursprünglich habe ich den Achtsamkeitskursleiter für Kinder gemacht“, erinnert sich Braun. 2020 war das, mitten in der Corona-Pandemie. Die „Aha-Effekte“, die sie dabei auch ganz persönlich erlebte, motivierten sie weiterzumachen.
Wichtige Vorbildfunktion
Sie wurde Achtsamkeitscoach, baute Meditation in ihren und den Kindergartenalltag ein. Yoga für Kinder, Meditationsübungen und kleine Achtsamkeitsspiele gehören seitdem in den Gruppen des AWO-Familienzentrums dazu. „Ich merke, wie gut das bei den Kindern ankommt“, erzählt Doreen Braun. Sich seiner Gefühle bewusst sein und diese in Worte fassen und zulassen können: „Das kennen viele – noch – gar nicht“, so die Erzieherin weiter. Auch, weil viele Eltern „das nicht mehr bewusst vorleben.“ Umso wichtiger ist ihr die eigene Vorbildfunktion. „Ich kann keinen achtsamen Umgang mit mir und anderen vermitteln, wenn ich selber nicht achtsam bin.“
Positive Glaubenssätze schaffen
Achtsam sein, das heißt für Doreen Braun bewusster leben. Sich seiner selbst bewusst werden, seiner Gedanken und Gefühle. „Und zu wissen, was mit Worten angerichtet, aber auch erreicht werden kann“, erklärt die Erzieherin, während sie mit drei Kindern ihrer Gruppe über „bärenstarke Gedanken“ spricht. „Ich mag mich“. Oder: „Ich teile gern“ steht auf den Karten, die rund um eine Klangschale verteilt liegen. Reihum wird eine Karte gezogen, vorgelesen und nachgesprochen. Es sind positive Glaubenssätze, die Kinder stärken und Gefühle bewusst machen und ganz anders klingen als „Das kannst du nicht.“ Doreen Braun erzählt von einem Jungen, der einen hohen Turm gebaut hat, den letzten Stein auf die wackelige Konstruktion legte und sagte „Ich bin stolz auf mich.“ Doreen Braun strahlt: „Da lacht mein Herz.“
Stressbewältigung und Selbstfürsorge
Doreen Braun ist seit 37 Jahren Erzieherin und arbeitet im AWO-Familienzentrum in Wengern.
Seit 2022 ist sie als Achtsamkeitscoach für Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Kinder tätig und bietet zudem als Mentaltrainerin Coachings an.
Für pädagogische Fachkräfte setzt Doreen Braun Fortbildungen, Teamtage und Workshops um, die Stressbewältigung und Selbstfürsorge vermitteln und helfen sollen, Kinder bedürfnisorientiert und achtsam zu betreuen.
Weniger Stress, mehr Fokus
Achtsam mit sich selbst und anderen umgehen: „Ich merke jeden Tag, wieviel mir das bringt“, sagt Doreen Braun. Ihr Stressempfinden sei seitdem ganz anders. Ihr Fokus auch. „Man lernt zu filtern“, betont die Mentaltrainiern. Und Kollegin Anke Eckerle nickt. Seit 2016 ist die gelernte Kinderkrankenschwester Fachkraft im Wengeraner Familienzentrum, bei Doreen Braun hat sie schon den einen oder anderen Achtsamkeitskurs gemacht. „Seitdem nehme ich die Kinder und auch Situationen bewusster wahr und gerate nicht mehr so schnell aus der Ruhe“, sagt Eckerle. Sie weiß: „Wir können nicht alles gleichzeitig lösen. Manche Sachen müssen dann auch mal liegen bleiben.“
Handwerkzeug für pädagogisches Fachpersonal
Weniger sei eben mehr. Doreen Braun lächelt. Der Klassiker stimmt auch im Kindergarten-Alltag. Manchmal seien es eben die kleinen Dinge, die eine große Wirkung haben. „Wir achten im Team darauf, nicht mehr ‚Wir müssen noch‘ zu sagen“, gibt die Erzieherin ein Beispiel. „Das nimmt ganz viel Stress raus.“ Wenig Personal, hoher Krankenstand, viele Anforderungen: „Diese Rahmenbedingungen können wir nicht ändern. Aber wir können ändern, wie wir damit umgehen.“ Doreen Braun hat ihren Umgang mit diesen Herausforderungen gefunden. Und sie möchte möglichst viele Kolleginnen und Kollegen auf diesem Weg mitnehmen: „Ich bin mir sicher, dass Achtsamkeit und Meditation als Handwerkzeug für pädagogisches Fachpersonal immer wichtiger werden.“