Wetter. Nur ganz selten ziehen sich die Kinder der Kita „Sonnenhut“ auf Hof Sackern in ihr Tipi oder ihren Bauwagen zurück. Das hat angenehme Folgen
Kein Sand, aber genug aufgeweichte Erde und ausreichend Schäufelchen: Echte Regenwümer waren die ersten Spielgefährten von 16 Kindern im frisch eröffneten Naturkindergarten auf Hof Sackern in Esborn. Krankenhäuser wurden für die Würmer eingerichtet, erinnert sich Kindergartenleiterin Stefanie Jaworski, Betten gemacht für Baby-Regenwürmer und für dicke Brummer.
Die Natur ist das Spielzimmer der acht Jungen und acht Mädchen, die sich zwar auch schon mal in ein Indianerzelt und neuerdings sogar in einen eigens angeschafften Bauwagen zurück ziehen können. Aber vornehmlich sind eine frühere Viehweide und die Stallungen von Hof Sackern der weitgesteckte Gruppenraum für den Kindergarten „Sonnenhut“.
Wärmende Wolle gegen die Kälte des Winters
Buddelhosen hängen zwar auch in „normalen“ Kindergärten. Von Stefanie Jaworski mussten sich die Eltern aber schon ein wenig genauer sagen lassen, wie sich ihre Kinder gegen Nässe und Kälte schützen sollen. Wolle für unten drunter ist gut, ein Gummizug am Ärmel oder Fuß auch. „Die Kälte darf nicht reinziehen“, weiß Stefanie Jaworski, die derzeit in einem warmen Strickpulli zur Arbeit kommt.
Sicherlich läuft hier und da mal ein Näschen. Aber beim Austausch mit den Leitungen anderer Kindergärten in der Stadt hat sich heraus gestellt: Im Naturkindergarten gibt es weniger Krankmeldungen. Bei den drei Mitarbeitenden wie auch bei den Kindern. Ein Grund dafür liegt auf der Hand: Bei so viel frischer Luft und freiem Platz zwischen den Kindern ist die Ansteckungsgefahr geringer als in einem engen Gruppenzimmer.
Begegnung mit Leben und Tod
Vor Regen weichen die Kinder und das Erzieherteam nicht zurück. Bei Gewitter ist das etwas anderes. An einem Tag mit Blitz und Donner haben sich die Jungen und Mädchen untergestellt und den ganzen Tag gespielt. „Das war ein Gefühl wie ein Kindergeburtstag“, sagt Stefanie Jaworski, „und um uns herum hat es die ganze Zeit gewittert.“
Freunde im Tierreich finden die Kinder nicht nur bei den Regenwürmern. Die Zaubernüsse in der Vorweihnachtszeit waren bei den Schafen versteckt. Immer mal wieder schaut ein Hofhund um die Ecke. Und wenn das Vieh auf der Weide ist, darf auch der Stall zum Spielplatz werden. Besonders gefragt ist dann die Ecke, in der sich sonst der Bulle „Hannibal“ breit macht.
Tiere sind nicht nur Idylle. Da muss auch mal verarbeitet werden, dass ein Kälbchen stirbt. Vera Strnadova weiß, wie ihre eigenen Kinder mit dem Sterben im Stall umgegangen sind. Strnadova ist Hofpädagogin auf Hof Sackern und das Bindeglied zwischen Landwirtschaft und Kindergartenbetrieb. Hat das eine Kälbchen die Geburt nicht überlebt, gehe der Blick zur nächsten Kuh, die trächtig ist. „Der Tod gehört dazu, das ist das Leben“, sagt sie.
Landluft macht müde
Leben und Sterben haben am Rande des Naturkindergartens ihren Platz. Im Zentrum aber stehen die Kinder mit ihren alltäglichen Notwendigkeiten. Essen und Trinken zählen dazu, oder der Wunsch nach Trockenheit und Wärme. „Durch das ständige Draußensein geht es ganz viel um Grundbedürfnisse“, sagt Stefanie Jaworski. Von einem Waldorfkindergarten ist sie zum Naturkindergarten „Sonnenhut“ in Esborn gewechselt.
Die Kinder beleben den Hof, und der Hof wirkt auf die Kinder. Die Jungen und Mädchen sind erstaunlich ausgeglich, berichtet Vera Strnadova, die zweimal in der Woche dazu kommt. „Keiner wird gehauen.“ Das Gemeinschaftsgefühl ist ausgeprägt, beim Klettern wird auch den Langsamen ausreichend Zeit gelassen. „Der Hof hat eine friedliche, gesunde Atmosphäre“, pflichtet Stefanie Jaworski bei und berichtet von einem anderen Effekt von so viel Natur: Eltern sagen, ihre Kinder schlafen plötzlich durch.