Herdecke. Nach dem SEK-Einsatz am späten Freitagabend sind nun Details zu den Vorwürfen gegen die 44-jährige Herdeckerin bekannt geworden.

Szenen, wie die, die sich am späten Freitagabend am Nacken in Herdecke abgespielt haben, vermutet man eher in Hollywoodproduktionen. Beamte eines Spezialeinsatzkommandos liefen im Schumannweg auf, postierten sich vor einem Haus. Dann hieß es Zugriff.

Über 20 politische Straftaten

Grund für den Einsatz war ein zu vollstreckender Untersuchungshaftbefehl gegen eine bekannte und bekennende Reichsbürgerin. Der 44-Jährigen werden über 20 politische Straftaten vorgeworfen. Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli erläutert auf Nachfrage der Redaktion: „Es handelt sich dabei um Straftaten nach Paragraf 86a (des Strafgesetzbuches, Anm. d. Red.), der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, beispielsweise die Nutzung von Hakenkreuzen auf ihren Internetseiten. Hinzukommen Volksverhetzung, beleidigende Äußerungen und Bedrohungen.“

Hinweis auf Waffen

Anklageerhebung gegen die Herdeckerin war bereits Mitte November. Nun erfolgte der Zugriff. Dass die Polizei dabei vom Spezialeinsatzkommando begleitet wurde, kommt nicht von ungefähr. „Es bestanden Hinweise aus der Vergangenheit, dass die Frau über Waffen verfüge“, so Dr. Pauli. Zur Erinnerung: Bei einem Einsatz Anfang 2022 war die Frau mit einer Axt auf die Polizeibeamten losgegangen. Zuvor hatte sie 27-mal bei der Leitstelle angerufen und angegeben, dass sie beispielsweise von der CIA verfolgt werden würde. Das Gericht hatte sie damals, wie berichtet, zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt. Während der Verhandlung hatte sie das Gericht ignoriert und demonstrativ mit einem aufgeschlagenen Buch auf der Anklagebank gesessen.

Sie soll einen Schlagstock gehabt haben

Auch am Freitagabend sei die Beschuldigte nicht ganz ohne Widerstand festgenommen worden. Von einem Schlagstock, den sie in der Hand gehabt haben soll, war die Rede. Den Einsatz der Waffe konnten ihr die eingesetzten Beamten laut Oberstaatsanwalt Dr. Pauli „aber schnell ausreden“. Inwiefern eine zersplitterte Scheibe in einer Tür durch den Widerstand der Angeklagten oder den Zugriff der Beamten entstanden ist, konnte Pauli nicht sagen.

Bei der Verhaftung ist eine Glastür zersplittert.
Bei der Verhaftung ist eine Glastür zersplittert. © Hagen | Alex Talash

Flucht- und Verdunklungsgefahr

Derzeit sitzt die 44-Jährige in Gelsenkirchen in Untersuchungshaft. „Sie hat das Recht, einen Antrag auf Haftprüfung einzureichen. Ob sie davon Gebrauch macht, weiß ich nicht“, erklärt der Oberstaatsanwalt. Laut ihm bestehe Flucht- und Verdunklungsgefahr. „Sie ist offiziell wohnsitzlos, weil sie nirgends gemeldet ist“, so Dr. Pauli. Sie habe sich damit auch der Ladung entzogen, daher müssten die Behörden von Fluchtgefahr ausgehen. Zudem habe sie in der Vergangenheit massiv auf Zeugen eingewirkt.

Versuchte Erpressung

Inwieweit das Verhalten der Angeklagten, die sich selbst als Diplomatin und Außenministerin des Deutschen Reiches bezeichnet, eventuell auch einen krankhaften Hintergrund haben könnte, das sei Gegenstand des weiteren Verfahrens. Strafrechtlich ist die Herdeckerin in der Vergangenheit schon mehrfach in Erscheinung getreten. Neben dem bereits berichteten Vorfall, bei dem sie mit einer Axt auf Polizisten losgegangen war, befand ein Gericht sie 2014 zudem der versuchten Erpressung von Prinz Alexander zu Schaumburg-Lippe für schuldig. Sie soll versucht haben, gemeinsam mit einem ebenfalls bekannten Reichsbürger, den Prinzen um 235.000 Euro zu erpressen, indem sie drohte, auf dem Mobiltelefon gespeicherte, private Nachrichten zu veröffentlichen. Das Gericht verurteilte sie im Juli 2015 wegen versuchter Erpressung zu einem Jahr auf Bewährung. Bei der Razzia im Zuge der Verhaftung wurden, neben illegalen Schusswaffen, auch NS-Devotionalien sowie ein Hitlerportät gefunden.

Die 44-jährige Frau bei ihrer Verhaftung durch SEK-Beamte.
Die 44-jährige Frau bei ihrer Verhaftung durch SEK-Beamte. © Hagen | Alex Talash

Reichsbürger meist Einzelpersonen

Ob die 44-Jährige in Herdecke und Umgebung allein handelte, ist nicht bekannt. Oberstaatsanwalt Dr. Pauli geht jedoch davon aus, dass es sich bei ihr um eine Einzeltäterin handelt. In Reichsbürgerkreisen bewegten sich zumeist Einzelpersonen, die sich „gegenseitig auch nicht unbedingt grün“ seien.