Herdecke. Im August meldete Geschäfts-Inhaberin Inka Beermann Insolvenz an. Ab November führt der Buchhandelriese Thalia den Laden an einem neuen Standort.

Das Adjektiv „zahlungsunfähig“ klingt dramatisch. So stellte sich vor Monaten die Lage in der Buchhandlung Herdecke dar. Am Eingang der Fußgängerzone drohte die Geschäftsschließung, Inhaberin Inka Beermann meldete Anfang August Insolvenz an. Ende September dann die Erlösung quasi für die ganze Stadt: Das bekannte Unternehmen Thalia übernimmt den Betrieb. Jetzt steht am Donnerstag die Neueröffnung schräg gegenüber zwischen Kampsträter Platz und Reisebüro an, ab dem 2. November erhält die Kundschaft Lesbares und mehr in der Hauptstraße 17.

Ein Blick in das neue Ladenlokal. Kisten stapeln sich, Kartons stehen im Raum, zehn Mitarbeitende aus anderen Thalia-Standorten helfen beim Einräumen. Das Herdecker Team mit Beermann, Christa Haas und Ronja vom Lehn hat in vielerlei Hinsicht Unterstützung bekommen, das bewährte Trio guckt nun optimistisch nach vorn. „Auch dank unseres Insolvenzverwalters Dr. Nils Brückelmann sind wir auf einem guten Weg“, sagt Beermann als alte und künftige Leiterin (nun im Angestellten-Verhältnis) der heimischen Einrichtung für Lesestoff. Der soll weiter das gesamte Spektrum abbilden, schließlich bezeichnet sich das erfolgreiche Hagener Unternehmen Thalia selbst als „Omni-Channel-Buchhändler“.

Vertriebsdirektor Dennis Book mit Svenja Wiese von der Thalia-Bereichsleitung in der „Jugend-Ecke“ mit Mangas und mehr.
Vertriebsdirektor Dennis Book mit Svenja Wiese von der Thalia-Bereichsleitung in der „Jugend-Ecke“ mit Mangas und mehr. © WP | Steffen Gerber

Thalia lässt auch Freiheiten

Wer den Laden mit dem kombinierten Logo der bisherigen Buchhandlung und dem Thalia-Zeichen nach dem Allerheiligen-Feiertag betritt, erhält in der Hauptstraße 17 eine farbliche Orientierung. Rechter Hand befindet sich vor grünen Wänden Literatur für Erwachsene. Bestseller, Krimis, Romane und neuerdings auch recht viele Bücher in englischer Sprache. An der Kasse geht es vorbei in den hinteren Teil des Geschäfts. Nach drei Treppenstufen erreichen Jugendliche „ihre“ Regale mit Fantasy-Ausgaben, Manga-Comics und ähnlichem. Schön abgetrennt, um in Ruhe zu stöbern.

Zurück zum Eingang. Dort wartet neben der Tür Reise-Literatur mit einigen regionalen Werken auf Kundschaft. Links im großen Raum mit orangenen Wänden stehen Bücher und Spiele für Kinder, darunter auch „Tonies“ als moderne Form der Hörspielkassetten oder E-Reader von Tolino. Gegenüber halten sich in den Regalen Ratgeber zu Themen wie Kochen, Kreativität, Lebens-Tipps oder Natur auf. Hinzu kommen noch Geschenkartikel.

Sieben Millionen Artikel bestellbar

„Wir liefern Sortiment-Bausteine, vor Ort erfolgen dann individuelle Gestaltungen oder Schwerpunkte“, erklärt Dennis Book. Der Thalia-Vertriebsdirektor mit dem passenden Namen ergänzt: „Natürlich kann auch Herdecker Kundschaft jedes Buch oder Ware aus unserem Sortiment mit sieben Millionen Artikeln im Internet bestellen.“ Das gewünschte Werk sollte dann am nächsten Tag in der Hauptstraße 17 abholbereit vorliegen. „Wir hatten zuvor auch ein Online-Angebot, jetzt ergeben sich aber viel größere Möglichkeiten“, meint Beermann.

Tradition und Moderne zusammenführen

Auf 102 Quadratmetern Verkaufsfläche – ein kleines bisschen mehr als am langjährigen Standort gegenüber – beraten die leitende Angestellte, Haas und vom Lehn künftig Kundschaft. „Wir wollen als Herdecker Nahversorger für Bücher quasi alle Sparten abdecken“, berichtet Beermann beim Rundgang, der auch in Sozialräume und zu einem Hintereingang führt. Sie und ihre zwei Kolleginnen tauchen demnächst auch auf Fotos an einzelnen Druckwerken auf, die sie empfehlen. „ Kunden können diese Lesehinweise an unseren Standorten auch über eine App am Handy verfolgen oder sich Push-Nachrichten zuschicken lassen. Wir wollen Tradition und Moderne zusammenführen“, erklärt Book. Unverändert bleibt die Telefonnummer, über die Interessierte ab dem 2. November weiter anfragen können. Neu ist laut Svenja Wiese von der Thalia-Bereichsleitung: An einer Stele im Laden können Buch-Fans das Geschäft noch vor Ort bewerten und direkt Verbesserungen vorschlagen.

Immobilienmakler Wolfgang Sperz vermittelte das Ladenlokal.
Immobilienmakler Wolfgang Sperz vermittelte das Ladenlokal. © WP | Steffen Gerber

Beim Blick in die neuen Räume, die der heimische Makler Wolfgang Sperz vermittelt hat, geht es auch um Grundsätzliches. „Es wäre schade gewesen, wenn Herdecke keine Buchhandlung mehr gehabt hätte, eine Stadt dieser Größenordnung braucht das“, so der Vertriebsleiter. Book ergänzt, dass eine Thalia-Mitarbeiterin den Kontakt zu Beermann herstellte. Der Buchhandelsriese sehe sich nicht als klassisches Filialunternehmen, sondern lasse örtlichen Akteuren oder Betrieben im Partnermodell Freiheiten. Vielleicht erhöhe Thalia als „neuer Motor“ gar die Kundenfrequenz in der gesamten Innenstadt, hofft Sperz.

Gutscheine werden akzeptiert

Kurz drehen sich die Gedanken auch um den ehemaligen Standort gegenüber. An der Hauptstraße 26 gab es 40 Jahre eine Buchhandlung, die Beermann 2002 übernahm. „Dort hätte man wegen des alten Bestands ca. zwölf Monate renovieren müssen“, heißt es beim Rundgang. Im neuen Ladenlokal mit der recht niedrigen Decke mussten Handwerker nur Kleinigkeiten ändern, so dass es nach dem Abschied am 20. Oktober und der vorübergehenden Schließung nun am 2. November weiter gehen kann. Übrigens soll der Behinderten-Parkplatz vor dem Haus bald verschwinden.

Neue Öffnungszeiten und anfängliche Angebote

Ab dem 2. November öffnet Thalia die Buchhandlung Herdecke 90 Minuten später als zuvor und zwar von 9.30 bis 18.30 Uhr sowie samstags bis 14 Uhr (in der Adventszeit noch länger).

Jetzt am Donnerstag und Samstag, 4. November, bietet Thalia einige Neueröffnungs-Aktionen an, unter anderem für Kinder mit dem Maskottchen Thalino, Geschenke, Angebote und das Glücksrad mit Gewinnchancen. Das Unternehmen plant zudem bald Veranstaltungen in Herdecke und hofft, dass das Ladenlokal zu einem Treffpunkt wird.

Beermann berichtet obendrein, dass Thalia im neuen Geschäft alle zuvor in der Buchhandlung ausgestellten Gutscheine akzeptiert. Die Leiterin fasst die letzten Monate so zusammen: „Es war eine harte Zeit für mich und meine zwei Kolleginnen, die toll mitgezogen haben. Umso froher bin ich, dass alle an Bord bleiben und dass am Ende alles gut gegangen ist. Wir freuen uns, die Kunden nun wieder sinnbildlich in die Arme schließen zu können, auch wenn noch einiges zu tun ist.“