Volmarstein. Dorfplatz: Am Redaktionsmobil übermittelten Bürger der Awo Verbesserungsvorschläge für den Supermarkt. Den haben Unternehmen vorläufig gerettet.
Erst vor wenigen Tagen hat die Awo Ennepe-Ruhr verkündet, dass der Cap-Markt in Volmarstein doch eine Zukunft hat. Als einziges Lebensmittelgeschäft im Dorfkern ist die besondere Einrichtung ein wichtiger Bestandteil für die Nahversorgung. Und doch: „Heute Nachmittag waren nur zwei Personen in dem Geschäft, der Laden war leer“, sagt eine besorgte Bürgerin bei einer offenen Gesprächsrunde am Redaktionsmobil.
Diese Zeitung hatte Interessierte eingeladen, um über die Zukunft des Cap-Marktes und der Nahversorgung in dem Stadtteil zu sprechen. Knapp 50 Personen kommen zum Dorfplatz und tauschen sich auch darüber aus, wie es in Grundschöttel nach der Rewe-Schließung weitergehen könnte.
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Cap-Markt macht hohes Defizit
Mit Blick auf das hohe Defizit, das seit 2013 Jahr für Jahr im Finanzbericht der Awo Ennepe-Ruhr auftaucht und sich auf eine sechsstellige Summe angehäuft habe, „kann es so nicht mehr weitergehen“, erklärt Geschäftsführerin Esther Berg. „Wir müssen auch wirtschaftlich handeln und Verantwortung für unsere Mitarbeitenden tragen.“ Durch die Unterstützung mehrerer regionaler Unternehmen konnte die Arbeiterwohlfahrt als Trägerin des Cap-Marktes eine verkündete Schließung zum Jahresende verhindern. Für diese Rettungsmission applaudieren die Bürgerinnen und Bürger dankbar vor dem WP-Mobil.
Doch damit ist das Kernproblem nicht gelöst, nur vertagt. „Durch die Unterstützung können wir den Markt für die nächsten drei Jahre sichern“, so Esther Berg. Und danach? Wenn bis dahin der Markt keine Gewinne macht oder wenigstens eine schwarze Null schreibt, scheint der Lebensmittelladen in Volmarstein nun wirklich auf sein Ende zuzusteuern.
„Es geht uns nicht um Gewinnmaximierung, aber wir bitten um Ihr Verständnis, wir brauchen Ihre Unterstützung“, appelliert Esther Berg an die Bürgerinnen und Bürger. Und weiter: „Die Nahversorgung ist nicht unsere primäre Aufgabe, wir wollen zuvorderst Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen anbieten. Wenn sich der Markt zukünftig nicht mehr trägt, müssen wir die Reißleine ziehen.“ Schnell wird klar: Um dem Laden eine Zukunft zu ermöglichen, brauche es eine gemeinsame Anstrengung. Bedeutet: Um die Umsätze zu steigern, müssen demnach mehr Bürgerinnen und Bürger in dem Geschäft einkaufen. Und es nicht nur für kurze oder kleine Besorgungen nutzen, so der Tenor.
Neu ist die zeitliche Perspektive: Esther Berg teilt mit, dass nach der Unternehmensspende der Cap-Markt nun erst einmal drei Jahre fortbestehen könne.
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Verbesserungsvorschläge
Nur knapp 15 Euro würde jeder Kunde in dem Laden lassen, weiß René Röspel als Vorsitzender der Awo Ennepe-Ruhr. „Und davon muss noch einiges abgezogen werden, dann liegt man am Ende bei weit unter zehn Euro pro Kunde“, fügt Marktleiter Dennis Köster hinzu. Eine Zahl, die deutlich zu gering sei, als dass der Markt dadurch überleben könnte.
Was muss also passieren, um die Erlöse zu steigern? Die Bürgerinnen und Bürger formulieren sowohl Forderungen als auch Vorschläge. Die Awo-Vertreter sichern zu, manches davon prüfen zu wollen. Zugleich betonen sie, dass manches nicht machbar sei. Zum Beispiel sei eine Renovierung, um den mittlerweile zehn Jahre alten Laden attraktiver zu gestalten, derzeit keine Option. „Das ist finanziell einfach nicht möglich, wenn wir nicht mal wissen, wo der Laden in drei Jahren steht“, so Esther Berg.
„Es müssen neue Käuferschichten erschlossen werden“, sagt ein Bürger aus dem Publikum. So solle der Laden bei lokalen Unternehmen zwecks Partnerschaften anfragen, größere Lebensmittellieferungen für diese anbieten. Ein Vorschlag, der bei der Awo-Geschäftsführerin auf Zustimmung trifft: „Das ist eine gute Idee. Wir haben bereits mit Unternehmen gesprochen, die uns signalisiert haben, in Zukunft in dem Laden einzukaufen. Es gibt einen Folgetermin, bei dem wir noch weiteres besprechen werden“, so Esther Berg.
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Während der Debatte zeigt sich, dass der Laden nur überleben kann, wenn mehr Kunden auch dort einkaufen. „Mehr Werbung hat für uns keinen Nutzen. Wenn es uns nicht gelingt, dass die Bürgerinnen und Bürger in den Laden gehen, weil sie eben gerne kommen, können wir das Projekt vergessen. Wir wollen den Cap-Markt behalten, aber dafür brauchen wir das Bewusstsein, hier auch einzukaufen – und das nicht nur für 15 Euro. Das kann keine Basis für einen Lebensmittelladen sein“, sagt der Awo-Vorsitzende René Röspel.
Angebote, Frischfleisch und vegane Produkte
Neben Fragen nach einer Renovierung des Ladens und einer Kooperation mit hiesigen Unternehmen als potenzielle Kunden formulierten die anwesenden Anwohner und auch Politiker weitere Ideen. Eine Zusammenarbeit mit Firmen und Betrieben sei bereits in die Wege geleitet. „Die Evangelische Stiftung Volmarstein will in Zukunft vermehrt im Cap-Markt einkaufen“, sagt Esther Berg, Geschäftsführerin der Awo Ennepe-Ruhr.
„Sie müssen die Arme auch offen halten, mit Angeboten und Werbung mehr potenzielle Kundschaft erreichen“, fordert ein Bürger. Die Hoffnung: Mit Hilfe von Sonderangeboten mehr Kunden in den Dorfladen zu locken. „Der Deutsche geht da einkaufen, wo es am günstigsten ist. In den restlichen Läden kauft man nur Kleinigkeiten“, so die Aussage aus dem Publikum. Doch nur mit Sonderangeboten und Werbung ließe sich der Cap-Markt noch lange nicht retten, erklärt René Röspel als Vorsitzender der Awo Ennepe-Ruhr. Dass die Kunden nur kleine Einkäufe in dem Laden erledigen, sei das größte Problem. „Es muss sich im Bewusstsein der Kunden festsetzten, hier für mehr als 15 Euro einzukaufen und dass sie nicht nur in den Laden kommen, weil sie eine Tüte Mehl vergessen haben“, führt René Röspel aus.
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Eine Frischfleischtheke würde auch helfen, schließlich würden viele für ein solches Angebot weit fahren. Genauso wie ein größeres Angebot an Bio- oder veganen Produkten. „Leider können wir keine Frischfleischtheke hier anbieten“, muss Esther Berg direkt einhaken, „nicht nur aus hygienischen Gründen, sondern auch weil uns der Platz dafür fehlt und wir nicht genügen Kühlkapazitäten oder Mitarbeitende haben. Wenn wir das einrichten würden, wäre unsere Defizit noch höher.“ Auch Marktleiter Dennis Köster lehnt den Wunsch nach mehr Bio-Produkten ab. Das habe er mit seinem Team früher angeboten, doch die Nachfrage sei schlicht zu gering gewesen. „Wir haben leider zu wenige Kunden, die diese Produkte gekauft haben. Den Großteil der Ware musste ich am Ende entsorgen.“
Dafür bietet der Laden für Kunden einen Lieferdienst an. Innerhalb von Volmarstein ist die Lieferung ab einem Mindestbestellwert von 30 Euro noch kostenlos, über die Stadtgrenzen hinaus liegt der Bestellwert bei 50 Euro. Beides kostet bald Gebühren. Den Service weiter auszubauen, stellt sich jedoch ebenfalls als schwierig dar. Dazu seien ein neues Auto und neue Mitarbeiter nötig und somit finanziell aufwendig, erklärt Dennis Köster.
Eine Herzensangelegenheit
Es gibt auch die Möglichkeit, vor Ort einzukaufen und sich die Ware nach Hause bringen zu lassen, damit vor allem ältere Menschen noch den sozialen Kontakt beim Einkaufen aufrecht erhalten können, sagt Köster. Ein Angebot, das unter den anwesenden Bürgerinnen und Bürgern nur zum Teil bekannt war, aber durchaus auf positive Rückmeldung trifft. Zudem kam die Frage auf, ob – wenn eine Frischfleischtheke schon nicht realisierbar ist – Kunden im Cap-Markt Fleisch vorbestellen und abholen können. „Wir bestellen in Kilo-Ware“, erklärt der Marktleiter. Es sei nicht möglich, nur kleine Mengen an Frischfleisch zu bestellen, die Reste würden in den Müll geschmissen werden.
Der Vorschlag, in dem Laden eine Poststelle einzurichten, um eine höhere Frequenz zu erzielen, findet wenig Anklang. Grund: „Dafür bräuchten wir nicht nur mehr Personal, das auch speziell geschult werden muss, sondern auch mehr Platz in den Gängen“, sagt die Awo-Geschäftsführerin Esther Berg.
Bürgermeister Frank Hasenberg appelliert zum Ende an die Anwesenden: „Wir haben hier keinen normalen Supermarkt, sondern ein Inklusionsprojekt. Und allein diese Menschen sind es Wert, hier einzukaufen. Der Markt hat auf Dauer nur eine Überlebenschance, wenn er zu einer Herzensangelegenheit von jedem einzelnen wird. Dass man sagen kann: Das ist mein Laden, hier kaufe ich ein, trotz kleiner Beschwerlichkeiten.“
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