Wetter. Mit solch einer Zurückweisung für seinen jüngsten Sohn hätte Matthias Küstermann nicht gerechnet. Der Pflegevater aus Wetter wehrt sich.

Das Entsetzen bei Matthias Küstermann ist weiterhin groß. Das Entsetzen, dass gute Freunde seinen jüngsten Sohn nicht in einer Klasse mit ihren Kindern haben wollten. Weil er ein Pflegekind ist, wie alle drei Kinder der Küstermanns. Bei dem Entsetzen soll es nicht bleiben. Der Kampf des Pflegevaters für Pflegekinder nimmt gerade erst Fahrt auf.

Pflegekinder sind keine Lernbremse

Ausgelöst hat ihn die Schulwahl der Familie Küstermann für ihren Jüngsten. Nein, eine Lernbremse wollten die befreundeten Eltern in der Schule auch ihrer Wahl nicht haben. Eine Lernbremse, weil das Kind nicht bei den leiblichen Eltern groß wird sondern bei Pflegeeltern? Matthias Küstermann konnte sich nur wundern. So viel Diskriminierung hatte er nicht erwartet. So viel Unbelehrbarkeit auch nicht, nachdem er seine Geschichte der Zeitung erzählt hatte.

Funkstille

Statt Versöhnung oder Ausgleich herrschte Funkstille. Briefe der Küstermanns an die Freunde von vorher kamen ungeöffnet zurück. Stattdessen gab es Äußerungen in den Sozialen Medien. Tenor: „Man muss sich schon sehr wundern, was aus dem gemacht wird, was man gesagt hat.“ Es stimmt schon, mit Schönfärberei hat Matthias Küstermann nicht reagiert. Von „diskriminierenden, faschistoiden und gleichsam rechtsradikalen Äußerungen und Haltungen“ spricht er, die ihm aus solcher Art Ablehnung entgegen schlagen.

Unmissverständliches Stopp-Schild

Man kann mit Küstermann darüber diskutieren, ob beispielsweise die Umsetzung von Inklusionsbemühungen an den Schulen schlecht gelaufen ist, weil sie nicht ausreichend vermittelt oder personell unterfüttert waren. Sagt er. Dabei gehe es dann um gute oder schlechte Politik. Pflegekinder aber per se als Störfaktor zu sehen, als Problem und nicht als Mensch, das sei etwas völlig anderes. Sein Credo: „Man darf nicht auf den Menschen zielen.“ Hier setzt er an, wenn er zeigen will, dass die „Zurücksetzung von Minderheiten, hier insbesondere von Pflegekindern, keinen Platz haben darf bei uns.“ Gesellschaft, Politik und Öffentlichkeit müssten ein unmissverständliches Stopp-Schild setzen.

Einrichtung einer Landesdiskriminierungsstelle

Die Küstermanns sind mit ihrem Entsetzen nicht allein. Andere Familien könnten ähnlich Unglaubliches berichten und ergänzen, hat er in einem Brief an die heimische Grünen-Politikerin Verena Schäffer geschrieben. Sie hatte sich öffentlich für die Einrichtung einer Landesdiskriminierungsstelle ausgesprochen. Ein sehr guter Ansatz, findet Küstermann, der allerdings weiter auf eine Antwort von ihr wartet. Wetters Bürgermeister Frank Hasenberg war da deutliche schneller und hat Matthias Küstermann das Gefühl gegeben, verstanden zu sein.

Thema in Schulleiterkonferenzen

Auch im Herdecker Rathaus hat Küstermann beim Schutz von Minderheiten offene Ohren gefunden. Bettina Bothe, als Beigeordnete zuständig für soziale Fragen, wolle die unterschwelligen oder offenen Abwertungen von Pflegekindern als Thema mit in die Schulleiterkonferenzen mitnehmen, habe sie zugesagt. Für Matthias Küstermann ein Anfang. Er kann sich vorstellen, dass der Umgang mit Minderheiten auch einen Schulausschuss beschäftigen kann. Er verfolgt einen Weg der vielen kleinen Schritte. Ein groß angelegter Verein als Lobby der Pflegeeltern soll es ausdrücklich nicht sein.

Freude über Bestärkung

Küstermann freut sich über Bestärkung und bohrt in den selbst gesetzten Grenzen weiter in der Politik. Wie notwendig sein Kampf dabei gerade jetzt ist, zeigt ihm die Äußerung eines AfD-Spitzenpolitikers aus der vorigen Woche. Dessen Äußerung zur Ausgrenzung von Schülern mit Behinderungen hatten vielfach für Protest gesorgt. Inklusion ist für ihn ein „Ideologieprojekt“, das die Schüler nicht weiter bringe und nicht leistungsfähiger mache. Für Küstermann schimmert da durch, wie sich auch die befreundeten Eltern für ihre Kinder freie Bahn verschaffen wollten. In seinem Fall auf Kosten eines Pflegekindes. Mit einem anderen Politiker sieht sich Matthias Küstermann, der in der Verwaltung des Kirchenkreises beschäftigt ist, dagegen im Einklang: „Es bringt nichts zu sagen, Kinder hätten diesen oder jenen Hintergrund. Das sind unsere Kinder“, hat NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst laut Spiegel gesagt.

Wut und Unverständnis bei Kindern

Und wie denken Küstermanns eigene Kinder darüber, dass ihr Vater den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt hat? Diese erfahrene Ablehnung als Pflegekind mache seinen Ältesten „dermaßen wütend“, berichtet Küstermann, dass er sich nun anhören muss: „Papa, du bist viel zu langsam!“ Bei der Tochter mache sich die Zurücksetzung und sein Kampf dagegen in deren Stimmungen bemerkbar. „Und der ,kleine’ Mann“, berichtet Matthias Küstermann, der habe nur gefragt: „Was habe ich denn falsch gemacht, dass die Menschen so etwas sagen?“