Herdecke. In den Führungsetagen sind Frauen im Herdecker Rathaus bestens vertreten. Moderne Arbeitszeitmodelle sollen auch den Männern Chancen eröffnen.

Als Katja Strauss-Köster vor 14 Jahren als Bürgermeisterin ins Rathaus einzog, waren beide Beigeordnete Männer. Aktuell gibt es im Spitzentrio der Herdecker Stadtverwaltung neben der Bürgermeisterin und Dennis Osberg noch Bettina Bothe als Beigeordnete, und 14 Männern in Führungspositionen stehen 16 Frauen gegenüber. Die 50 Prozent-Quote ist damit erreicht, kann Gleichstellungsbeauftragte Evelyn Koch in ihrem Gleichstellungsplan für die nächsten fünf Jahre an dieser Stelle feststellen. Ist damit jetzt in Sachen Gleichstellung alles erledigt, und müssen fortan die Männer durch Quoten gefördert werden - Fragen, die bei der Vorstellung des Plans im Rat schon angesprochen wurden.

Wie sehr die Frauen in den vergangenen Jahren das Herdecker Rathaus erobert haben, lässt sich an vielen Zahlen festmachen. Hier ein paar wenige: Der Anteil der Frauen in der Stadtverwaltung insgesamt ist in den letzten fünf Jahren von 51 Prozent auf 56 Prozent gestiegen. In der Gruppe der Beamtinnen ist der Anteil im gleichen Zeitraum von 55 auf 67 Prozent angestiegen. Weniger ein Grund zur Zufriedenheit: In der Betreuung von Schülerinnen und Schülern liegt der Frauenanteil bei 88 Prozent, bei den Reinigungskräften und den Schulsekretariaten bei 100 Prozent. Durch Fördermaßnahmen, so Evelyn Koch, wird versucht, „das Muster der Einteilung der typischen Männer- und Frauenberufe aufzubrechen.“

In vielen Feldern gibt es deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen. So hat die Nachfrage beim Mobilen Arbeiten nicht zuletzt unter dem Eindruck von Corona stark zugenommen. 44 Mitarbeitende der Verwaltung haben von dieser Möglichkeit im Berichtszeitraum ab 2018 Gebrauch gemacht. Es waren deutlich mehr Frauen. Eine Tortengrafik zeigt: 73% Frauenanteil belegen fast drei Viertel der Fläche. Noch krasser ist der Unterschied bei der Elternzeit. 20 Mitarbeitende haben davon in den Jahren 2018 bis 2022 Gebrauch gemacht. Vier waren Männer, sechzehn Frauen.

Diskussion aus der Mottenkiste

Angesichts der vielen Frauen im Rathaus insgesamt, vor allem aber auf den Führungsetagen, fragte Wilhelm Huck von der FDP, ob Frauenförderung dann in Herdecke überhaupt noch ein zeitgemäßes Ziel sei. Andreas Disselnkötter von den Grünen hörte eine Angst heraus „aus der Mottenkiste einer Diskussion, die wir lange hinter uns haben.“ Evelyn Koch jedenfalls versicherte: „Ziel ist es, die 50 Prozent für Frauen zu halten und nicht 100 Prozent.“ Und Bürgermeisterin Dr. Katja Strauss-Köster erklärte in der Debatte: „Ich persönlich präferiere gemischte Teams.“

Für die Bürgermeisterin geht es bei der Gleichstellung nicht nur um das Abarbeiten einer gesetzlichen Vorgabe. Erfolge bei der Gleichstellung sind gleichzeitig gute Argumente bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden. Allein 174 Stellen waren in den letzten fünf Jahren neu zu besetzen. Und die Gewinnung neuer Fachkräfte wird immer schwieriger. Allgemein fehlt es an Personal, und kleine Städte wie Herdecke leiden darunter, dass große Städte ihren Mitarbeitenden meist mehr zahlen können. Umso wichtiger ist es, so die Bürgermeisterin, sich als attraktive Stadtverwaltung zu positionieren: „Eine zeitgemäße Gleichstellungspolitik nimmt diese Herausforderung an und versteht die Gleichstellung der Geschlechter als integralen Bestandteil der Personalpolitik.“

Moderne Technik macht flexibel

Wie aber zeigt eine Verwaltung, dass sie die Zeichen der Zeit verstanden hat und nicht bei der Erfüllung wichtiger Quoten stehen bleiben will? Hier ist es gut, dass Evelyn Koch als Gleichstellungsbeauftragte noch einen zweiten Aufgabenbereich abzudecken hat, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Viele Stellschrauben sind denkbar. Arbeitsorte können flexibler gehandhabt werden, Arbeitszeiten ebenso. Moderne Technik macht neue Formen des Miteinanders in den Ämtern möglich. Und dann, so steht es im Gleichstellungsplan für die nächsten fünf Jahre, sollten sich nicht nur Frauen angesprochen fühlen. Denn gerade das Thema Teilzeit könnten mehr Männer entdecken, wenn sie sich denn verstärkt für Aufgaben im familiären Umfeld zuständig fühlen würden. So kann Evelyn Koch in ihrem Berichtsteil feststellen: „Teilzeit bleibt bislang eine Frauensache.“ In Zahlen: 122 Frauen in Teilzeit stehen in der Herdecker Verwaltung nur 23 Männer in Teilzeit gegenüber. Vor allem Frauen mit Kindern üben nach der Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung aus. Erkanntes Übel insbesondere bei Führungspositionen: Die mit diesen Positionen verbundene Präsenz-Erwartung.

Ein klares Ungleichgewicht gibt es nicht nur bei der Teilzeit, um noch einmal zum Geschlechterverhältnis bei den Stellen zurück zu kommen. Bei der Haustechnik kommen die Frauen aktuell auf einen Anteil von 11 Prozent. Bei der Feuerwehr liegt der Anteil der Frauen bei 13 Prozent. Bei den Technischen Betrieben kommen sie auf 19 Prozent. Da nimmt sich der Anteil der Frauen im Herdecker Rat, der seit der letzten Kommunalwahl bei 36 Prozent liegt, plötzlich geradezu vorbildlich aus.

Junge Kräfte locken

Mit Geschlechtergerechtigkeit will die Stadt Herdecke junge Menschen für den Verwaltungsberuf begeistern.


Moderne Arbeitszeitmodelle sollen dabei Karriere auch möglich machen, wenn Kinder zu betreuen oder ältere Familienmitglieder zu pflegen sind.

Der digitale Wandel wird dabei als Chance begriffen, flexibel auf Wünsche der Beschäftigten zu reagieren.

Das geschieht vor dem Hintergrund starker Konkurrenz.