Wetter. Nach 50 Jahren bei der Demag in Wetter hat für Ulrich Reiche der Ruhestand angefangen. Zu bereuen hat er nichts.
Wo sein Elternhaus gestanden hat, weiß Ulrich Reiche ganz genau. „Im Kaufland, sozusagen“, lässt er wissen, „da, wo heute die Wursttheke ist.“ Mit Vater und Großvater ist er hier in einem Fachwerkhaus groß geworden. Der Vater war bei der Demag beschäftigt. So wie Ulrich Reiche auch. Für 50 Jahre gab es eine Urkunde. Am Tag darauf fing sein Ruhestand an.
Wie ging’s los bei der Demag?
Mit 14 habe ich meine Lehre als Betriebsschlosser begonnen und danach ununterbrochen in der Instandhaltung gearbeitet. Diese war lange in der jüngst abgerissenen Ausbildungswerkstatt untergebracht, am äußersten Ende des Demag-Grundstücks zur Shell-Tankstelle und zum Schnodderbach hin.
50 Jahre lang immer der gleiche Job…
Bis 1976 gab es noch keine einzige computergesteuerte Maschine. Alles lief manuell. Dann erst kamen die ersten Maschinen mit „Numeric Control“. Die Programme wurden noch mit Lochbändern eingelesen.
Wie bleibt man fit für den Wandel?
Ich bin immer wieder auf Lehrgängen gewesen. Oft waren die beim Hersteller der Maschinen. Auch Service-Lehrgänge gab’s für Schlosser oder Elektriker. Am schönsten war’s in der Schweiz 1989 bei der Firma Studer am Thuner See. Von denen hatten wir eine Schleifmaschine. Oft ging es in die Gegend um Stuttgart und einmal auch in den Norden zu Gildemeister in Hannover.
Was muss bei der Demag instand gehalten werden?
Maschinen, Werkzeuge. Wir sind mit dem Werkzeugwagen losgezogen und haben alles repariert. Seit der Übernahme durch Mannesmann wurde es allerdings immer weniger. Es gab Entlassungen und Aufträge nach außen. Für immer weniger Maschinen wurden auch immer weniger Menschen gebraucht. Von 15 Schlossern sind nur fünf geblieben.
Was macht über Jahre zufrieden an diesem Beruf?
Dass wir es immer hingekriegt haben, ohne personelle Hilfe von außen, höchstens mal unterstützt durch einen Anruf. Es war immer gleich und doch auch eine andere Störung und damit eine andere Lösung. Es macht stolz, wenn die Maschinen schnell wieder laufen. Manchmal waren wir auch mehrere Tage dran, mit einem Elektriker an der Seite. Das wurde immer wichtiger bei den Maschinen.
Die Instandhaltungs ist also eine Art Feuerwehr?
Ja. Wenn es nicht gerade ein Problem bei der Mechanik ist, sind Störungen mitunter schwer zu finden. Hinzu kommt die Wartung. Für die geplante Instandhaltung gibt es extra einmal im Monat einen Regelsamstag mit entsprechendem Freizeitausgleich. Findet sich dabei ein Fehler, der nicht sofort behoben werden muss, wird das auf später verschoben. Die Produktion geht vor.
Vater und Bruder waren bei der Demag. Sind es Ihre Kinder auch?
Unsere Tochter arbeitet bei der Stadt, der Sohn bei Plock. Er hat zwar ein Praktikum bei der Demag gemacht. Aber Werkzeugbau wurde da nicht mehr geboten und außerdem fiel seine Entscheidung in schwere Zeiten bei der Demag.
Und Sie selbst – gab es mal eine Bewerbung außerhalb?
Ein Wechsel war nie Thema bei mir. Ich bin sehr heimatverbunden und ein Optimist. Ich sage mir immer: Das wird schon klappen. Und wir haben es ja auch immer wieder hinbekommen, trotz der vielen Besitzerwechsel und des Stellenabbaus.
Was ist an der Jubiläumsurkunde so besonders wichtig?
In meinem Fall: Dass oben in der Ecke das Logo Demag prangt und nicht etwa Konecranes, dem neuen Eigentümer. Bei meiner Urkunde zu 40 Jahren im Betrieb war das noch anders. Da stand oben groß Terex und unten klein Demag. Für einen alten „Demagogen“ ist das wichtig.
Jetzt ist das Arbeitsbuch zugeklappt?
Der Weg von der mechanischen Maschine bis hin zur High-Tech-Einheit war weit und spannend. Ich würde das jederzeit wieder machen.
Jetzt ist Ruhestand angesagt. Welches spontane Glück verbinden sie damit?
Dass ich ausschlafen kann und nicht mehr schon um 5 Uhr aufstehen muss. Und auch, wenn jetzt gerade Sommer ist: Für den Winter heißt das, nicht mehr bei jeder Kälte raus müssen. Eine Garage haben wir nicht.
Und mittelfristig – wird da Ruhe zum Problem?
Bestimmt nicht. Seit 46 Jahren gehen wir mit Dauerkarte zu Borussia hin. Mein Sohn hat als Hobby Schiffsfotografie. Da gehe ich gerne mit. Lange habe ich meine Tochter als Spielerin beim Fußball begleitet. Auch früher schon hatte ich immer etwas vor.