Herdecke. Schornstein und mehr: Manfred Kaufhold berichtet über Diskussionen in den 1970-er und 80-er Jahren, als in Herdecke erste Umweltthemen aufkamen.
Angesichts der langen Geschichte des Cuno-Kraftwerks denken vermutlich viele, dass sich der markante Schornstein ebenfalls schon seit einer gefühlten Ewigkeit neben der Wetterstraße befindet. Die 240 Meter hohe Landmarke entstand dort aber „erst“ 1983/84.
Dabei ist der Standort am Harkortsee für die damalige Elektromark und heutige Mark-E von besonders traditioneller Bedeutung: Was dort 1906 begann, sollte dann einen wechselhaften Verlauf nehmen. Vor allem in den 1970-er und 1980-er Jahren entwickelten sich viele Diskussionen rund um die Stromproduktions-Anlage.
IG und UWG gegründet
Manfred Kaufhold kann als Zeitzeuge von dieser spannenden Phase berichten. Der heute 81-Jährige, der als Dortmunder im „liebenswerten“ Herdecke seine Heimat fand, engagierte sich damals vorübergehend in der Lokalpolitik. Ende 1972 hatte sich hier eine Interessengemeinschaft gegründet, um sich für Naturschutz und ähnliches einzusetzen. „Verantwortliche aus dieser IG Umwelt wollten mich für sich gewinnen und sprachen mich an“, erzählt der Unternehmer, Auto-Journalist und Verleger, der früher auch mal (bis 1973) für Dörken arbeitete und lange Zeit die heimischen TSG-Handballer als Vorsitzender anführte.
1974 entstand aus der IG die UWG. Diese Unabhängige Wählergemeinschaft zog dann 1975 mit mehr als zehn Prozent der Stimmen bei der Kommunalwahl in den Herdecker Rat ein. An deren Spitze: Manfred Kaufhold. „Das war alles mit manchen Wortgefechten, Unterschriften sammeln und Auseinandersetzungen im Wahlkampf schon sehr aufregend – erst recht für einen politischen Neuling, wobei ich, so glaube ich, ganz gut reden konnte. Auch per Lautsprecher.“
„Herdecke liegt uns am Herzen“
Mit dem Schlagwort „Herdecke liegt uns am Herzen“ warb die UWG zu jener Zeit erfolgreich um Zustimmung. Inhaltlich standen neben Schulfragen vor allem Umwelt-Themen auf der Agenda. Klingt heutzutage normal, war es damals aber nicht. Die Bewegung mit solchen Interessen kam erst langsam in Fahrt. „Ich wurde deswegen auch bedroht und habe unschöne Dinge erlebt“, so Kaufhold, der bis 1981 Vorsitzender und bis 1984 Mitglied der hiesigen Wählergemeinschaft war. „Die Leute warfen mir und anderen vor, dass wir Arbeitsplätze vernichten würden. Wir wurden in Anspielung auf die Herkunft einiger Akteure auch als Nacken-Partei herabgewürdigt.“
In Sachen Umweltschutz stand aus heimischer Sicht das Cuno-Kraftwerk im Fokus. Kaufholds Ziel: Er wollte den Bau eines sehr hohen Kühlturms als „riesige Anlage“ verhindern, da dieser nicht in das Landschaftsbild passe. Das sollte nach vielen parteiinternen Debatten schließlich auch gelingen, womit er sein Ziel erreicht sah und er sich bei der nächsten Wahl nur noch auf Platz 5 der UWG aufstellen ließ. Diese erhielt nur vier Mandate im Rat, Kaufhold widmete sich dann seinen beruflichen Aufgaben (etwa bei der Bundeswehr).
Für ihn sei es damals normal gewesen, dass durch Herdecke Züge mit Kohlewaggons zum Cuno-Kraftwerk fuhren. „Ich komme aus einer Bergarbeiter-Familie, mein Opa war unter Tage, bin aber kein Techniker. Ende der 70-er und Anfang der 80-er gab es viele Diskussionen über diese Befeuerung, auch im Zuge der Ölkrise.“ Für ihn war Kohle – die löste ab 1984 an der Wetterstraße wieder Erdgas/Öl als Brennstoff ab – damals kein Teufelszeug, ließe sich anfügen.
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Zudem kommt er auf die Bedeutung der Elektromark (heutige Mark-E) zu sprechen. „Wenn die damals als wichtiger Arbeitgeber in Herdecke etwas wollten und beantragten, gab es im Prinzip immer eine gewisse Neigung zur Zustimmung. Man darf ja nicht vergessen, dass dort teilweise vom Opa über den Vater bis zu den Kindern mehrere Generationen beschäftigt waren. Vor diesem Hintergrund waren Umwelt-Fragen eher zweitrangig.“
Doch dieses Thema sollte an Bedeutung gewinnen. In den politischen Diskussionen jener Zeit (als Stichwort reicht vielleicht „saurer Regen“) tauchte das Cuno-Kraftwerk oft auf. Immer wieder ging es um Erweiterungen, um erste Schritte zur Fernwärme, Vorschriften und Anlagen zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes. Alles in allem eine spannende Zeit, so Kaufhold.