Herdecke. Warum eine Sprengung des Cuno-Schornsteins in Herdecke unwahrscheinlicher wird und nicht alle Politiker von der Nachnutzung begeistert sind

In zwei Jahren soll der Cuno-Schornstein und damit die weit über Herdecke hinaus sichtbare Landmarke verschwunden sein. Diesen Zeithorizont benannten zwei Vertreter von Enervie jetzt im Ausschuss für Wirtschaftsförderung und Tourismus. Die Idee einer Sprengung des 248 Meter hohen Turms werde zur Zeit „zurückgedrängt“, so Oliver Rabe von Enervie. Ein konventioneller Rückbau wird immer wahrscheinlicher.

Stück für Stück würde der Turm bei einem konventionellen Rückbau abgetragen. Dafür müssten 14 bis 15 Monate veranschlagt werden. Eine Sprengung würde sehr viel schneller zu einem neu nutzbaren Gesamtgelände führen, birgt aber große Risiken. Das ehemalige Kohlenlager und der Turm liegen am Hang oberhalb der Wetterstraße. Eine Sprengung könnte den Hang ins Rutschen bringen, so die Befürchtung.

Der Schornstein aus den achtziger Jahren wird schon viele Jahre nicht mehr genutzt. Eine Beseitigung schien nicht dringend. Das hat sich in den letzten Monaten geändert. Immer wieder sei der Zugang zum Turm verschweißt worden, immer wieder sei die Tür aufgebrochen und für den Aufstieg genutzt worden. „Das lässt sich nicht vermeiden“, erklärte Oliver Rabe den Ausschussmitgliedern.

Vandalismus und Abenteuerlust

Vandalismus und unbefugtes Betreten der Anlage seien zu einer „starken Belastung für das Unternehmen“ geworden, so Rabe weiter. Offensichtlich hätten sich einige Zeitgenossen „in der Corona-Zeit ein Ventil gesucht und aus dem Gelände am Turm einen Abenteuerspielplatz gemacht“. Wiederholt seien Menschen vom Turm mit dem Fallschirm runtergesprungen und dann in den Ruhrwiesen gelandet. Gänsehaut befiele ihn, so Oliver Rabe, beim Betrachten entsprechender Videos.

Zeitlich hängt zunächst einmal alles an der Entfernung des Turms. Bevor seine Reste nicht recycelt oder abgefahren sind, kann das neue Nutzungskonzept nicht zum Zuge kommen. Enervie setzt auf nachhaltige Energieerzeugung. Im Gespräch ist eine großflächige Photovoltaikanlage oder eine Solarthermie-Anlage, wie Dr. Arndt Bohrer erläuterte. Weil eine Solarthermie ihre Spitzen bei der Wärme-Erzeugung im Sommer und zur Mittagszeit hat, die höchste Wärmeabnahme aber im Winter und abends sei, gilt derzeit die Photovoltaik an dieser Stelle als wirtschaftlicher.

In den Reihen der Ausschussmitglieder gab es Unverständnis, dass Enervie für die große Fläche keine andere Nachnutzung anstrebt. Dabei brauche Herdecke doch dringend Flächen für Gewerbe, wie Andreas Disselnkötter von den Grünen in Erinnerung brachte. Entsprechende Überlegungen hätte es durchaus gegeben, so die Vertreter des Unternehmens, sie seien wegen verkehrlicher Probleme aber verworfen worden.

Zufahrt als Problem

Das Problem, so Oliver Rabe, sei die Zufahrt zu dem Gelände auf dem Plateau. Sie führe durch ein Wohngebiet, sei steil und so schmal, dass ein Begegnungsverkehr von Lastwagen nicht möglich sei. Das wollte Andreas Disselnkötter als Hinderungsgrund nicht akzeptieren: Es gebe auch Gewerbegebiete mit reinen Dienstleistern ohne schwere Lastwagen. Oliver Rabe wusste zwar auch von „zahmen“ Gewerbegebieten, wie er selbst sagt, aber auf dem Weg zu dem gerade im Rückbau befindlichen Gelände sei noch nicht einmal eine Begegnung von zwei Personenwagen darstellbar. Für die SPD erklärte Sylke Gröne, dass die Anlieger schon jetzt starken Belastungen ausgesetzt seien.

Trauer um Landmarke

Außerordentlich bedauert wird der geplante Abriss des Turms von Nico Fischer von der PARTEI und Dr. Rutger Booß als Vertreter für die Linke im Fachausschuss. Fischer hätte sich den Schornstein als lizensierten Kletterturm und somit als Landmarke ganz neuer Art vorstellen können. Booß bedauert, dass „der schönste Schornstein weit und breit“ verloren geht. Eine der charakteristischsten Landmarken der Region verschwinde und damit auch ein Stück Industriegeschichte.

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