Herdecke. Erst die Maschinenhalle am Hengsteysee besichtigen, dann nach einem Schluck Wein den Hang hinauf: Seit Juli bietet Project Vino Kombi-Touren an.
Ein schönes Geräusch. Die Gläser klingen, als vier Freunde oben am Weinberg des Koepchenwerks miteinander anstoßen. Eine siebenköpfige Gruppe mit Teilnehmenden aus Herdecke, Hagen und dem Sauerland genießt die Aussicht über dem Hengsteysee. Dann öffnet Hobby-Winzer Elias Sturm noch eine Flasche aus der Pfalz mit dem bemerkenswerten Namen „Weißes Landschwein“, die nach Holunder schmecken soll. Die Ausflügler haben eher ein säuerliches Mundgefühl, ehe sie Fragen zum Anbau an diesem besonderen Ort hier im Ardey-Höhenzug stellen können.
Die Resonanz nach der zweieinhalbstündigen Tour fällt erfreulich für die Anbieter aus. „Eine gute und sinnvolle Kombination“, sagt eine Herdeckerin, die zuvor am Nachmittag rund 60 Minuten technische Erläuterungen in der Maschinenhalle des früheren Pumpspeicherkraftwerks erhalten hat und dann 340 steile Treppenstufen den Hang hinaufgestapft ist. „Geht es nur mir so, oder zittern anderen auch die Beine?“ Alle aus der Gruppe bestätigen, dass der Auf- und Abstieg entlang der alten Druckrohrleitungen anstrengend ist. Doch es lohne sich und sei schön zu sehen, wenn jemand so begeistert über eine Leidenschaft rede wie Elias Sturm.
Neues Angebot seit Juli
Seit diesem Monat bietet der Herdecker mit seinem Project Vino gemeinsam mit der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur Kombi-Touren neben dem RWE-Gelände an. Die starten unten am Ufer, wo in dem Fall Arndt Hartmann als zweiter Vorsitzender der AG Koepchenwerk die altehrwürdigen Maschinensätze zur einstigen Stromproduktion erklärt. Der Gästeführer aus den Reihen der hiesigen Arbeitsgemeinschaft geht auf die Geschichte und Entwicklungen der Pumpspeichertechnik ein, hebt die Pionierleistung des Gründers Arthur Koepchen hervor und kommt immer wieder auf die gewaltigen Dimensionen der Anlage zu sprechen. Die konnte, ehe sie nebenan ein modernes Werk ablöste und Denkmal-Status erlangt hat, binnen 90 Sekunden Energie ins Netz einspeisen.
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Natürlich geht es auch um das riesengroße RWE-Speicherbecken, um die gegenseitige Abhängigkeit vom Hengsteysee und um Wasser. Entsprechend mühelos gelingt der thematische Übergang zum Weingetränk und Anbau. Die Gäste, die allesamt aus der Lokalzeitung von dem neuen Führungsangebot erfahren haben, können direkt ein trübes Tröpfchen probieren. Auf diesen besonderen Riesling von der Mosel ist Elias Sturm bei einem seiner Praktika gestoßen, berichtet der Architektur-Student einleitend.
In lockerem Plauderton schildert der Hobby-Winzer, dass hier wohl 2026 erstmals aus den Trauben Wein entstehe und die Premieren-Flaschen dann an die Rebstock-Paten gehen. Nach dem kräftezehrenden Aufstieg fragt direkt eine Teilnehmerin, wo sie denn ihre Pflanze finden könne. „Wir bringen demnächst Schilder an“, so Elias Sturm.
Nach dem mühsamen Vorbereiten des Bodens auf dem Steilstück mit 58 Prozent Neigung und der Anpflanzaktion von rund 1300 Rebstöcken im Mai 2023 klingt er weiter optimistisch, was das gesamte Project Vino anbetrifft. Auch in der nächsten Zeit stehe regelmäßiges Unkrautjäten auf den gepachteten 3500 Quadratmetern an. „Hier sind schon einige Herausforderungen entstanden, das hat sich alles doch als recht komplex erwiesen, allein wenn ich an den Aufbau einer Infrastruktur denke“, erzählt der Hobby-Winzer und erinnert sich mehrfach an schweißtreibende Arbeiten.
Weitere Termine
Weitere Kombi-Führungen für 25 Euro bietet die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur samstags am 5. und 19. August (15 und 17 Uhr) an, Anmeldung unter www.projectvino.de.
Am Samstag, 12. August, steht ein Treffen für die Paten der Rebstöcke und deren Begleitungen an. Von 12 bis 19 Uhr gibt es in der Maschinenhalle Flammkuchen, Probier-Weine und stündliche Führungen am Hang (keine Anmeldung nötig).
Mit leuchtenden Augen berichtet er vom Gemeinschaftssinn in seinem großen Freundeskreis und nennt ein Beispiel: „Für Pfähle auf Weinbergen eignet sich vor allem Akazienholz. Durch einen Kontakt in unserer Gruppe konnten wir einige Bäume dieser Art fällen und sie für unser biodynamisches Projekt in einem Herdecker Sägewerk zurechtschneiden.“ Außerdem schimmert bei Elias Sturm immer wieder eine Portion Lokalpatriotismus durch, betont er doch: „Wir wollen den Wein auch hier in Herdecke herstellen und abfüllen“, sagt er in Richtung einer Teilnehmerin, auf deren Hemd ein schöner Spruch steht: „Zu Vino sag ich nie no!“