Herdecke. Der Sackträger in Herdecke gehört ebenso wie die Stiftsdame zum Bild der Stadt dazu. Früher war der Sackträger ein angesehener Arbeiter.
Neben der Person der „Stiftsdame“ stellt auch der „Sackträger“ eine Gestalt dar, die in der Geschichte Herdeckes eine wichtige Rolle gespielt hat. Seit etwa 1975 gibt es in Herdecke wieder einen Sackträger, wenn auch in einer anderen Funktion. Zusammen mit der Stiftsdame soll er die Herdecker Geschichte lebendig erhalten und die Stadt nach innen und außen vertreten.
Ihre großen Auftritte haben die Beiden während der Herdecke Maiwoche. Der jetzige Sackträger, Josef „Jupp“ Urbatzka, übernahm 2011 dieses repräsentative Amt von Hans-Georg Kollotzek. Dieser hatte drei Jahrzehnte lang die Herdecker Traditionsfigur verkörpert. Erster Sackträger war übrigens Alfons Köster, ein Onkel von Hans-Georg Kollotzek, der bis zu seinem Tode fünf Jahre im Amt war. So blieb das Amt in der Familie, wie Hans-Georg Kollotzek es bei seiner Amtsübernahme seinerzeit erklärte.
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Die Figur des Sackträgers ist eng mit dem Herdecker Kornmarkt verbunden, der einige Jahrhunderte eine überregionale Bedeutung hatte und für den Ort damals ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor war. Von dem Markt profitierten auch die vielen Gaststätten am Ort, die Markthändler und Marktbesucher mit Speise und Trank versorgten. Die Geschichte des Herdecker Marktes reicht in die mittelalterliche Zeit zurück und hat seinen Grund in der verkehrsgünstigen Lage des Orts am Schnittpunkt von zwei alten und bedeutenden Fernverkehrswegen. 1355 gewährte der damalige Landesherr, Graf Engelbert III. von der Mark, der Siedlung Herdecke das Recht, jeden Sonntag einen Markt und zweimal im Jahr einen Jahrmarkt abzuhalten.
Kirchgänger mitnehmen
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Der Sonntag für den Wochenmarkt war deshalb gewählt worden, weil an diesem Tag Kirchgänger auch aus der Umgebung zur Pfarrkirche in Herdecke kamen und somit auch fremde Auswärtige zum Markt kamen. In der Folgezeit verursachten kriegerische Ereignisse, dass der Herdecker Markt mehrmals ganz oder weitgehend zum Erliegen kam.
Nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg bestätigte der neue Landesherr, der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, am 5. Juli 1649 das alte Marktprivileg. Allerdings durfte der Wochenmarkt nicht mehr am Sonntag stattfinden, da dies eine „Eintheilung“ des Tags des Herrn war, wie es in der Urkunde heißt. Er wurde daraufhin auf den Montag verlegt.
Ab etwa dem 17. Jahrhundert blühte der Herdecker Markt mehr und mehr auf. Um 1630 wurde er von dem Bereich vor dem Stiftsgelände und heutigen Rathausvorplatz und der jetzigen Fußgängerzone zum südlichen Ortseingang verlegt. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert erlebte der Herdecker Kornmarkt seine größte Blüte. 1840 wurden je Markttag durchschnittlich 6000 Scheffel Korn umgesetzt. Das entsprach umgerechnet etwa 330 Kubikmetern oder von mehr als 16 Tanklastzügen mit 2000 Litern Fassungsvermögen.
Lizenz erforderlich
Arbeitswillige Herdecker dürften schon früh ihre Hilfe gegen Entgelt auf dem Markt angeboten haben. Offensichtlich machte man aber mit diesen „freien“ Abladern schlechte Erfahrungen. Doch erst relativ spät, nämlich 1825, ist der Beruf des Sackträgers auf dem Herdecker Markt eingeführt worden. Von nun an durften nur noch vom Rat lizenzierte Sackträger auf dem Markt die Kornsäcke transportieren. Sackträger konnten auch nur in Herdecke ansässige, unbescholtene und verheiratete Personen werden. Zur Kennzeichnung trugen sie an ihrem Kittel ein rundes Metallschild mit der Aufschrift „Sackträger zu Herdecke“ und der Nummer, unter der sie registriert waren.
1826 waren bereits 12 Sackträger tätig. Ihre Hilfe war auch notwendig, da am Markttag keine Fuhrwerke auf dem Marktplatz bzw. der unteren Hauptstraße geparkt werden durften. Sie konnten hier nur kurz halten und mussten dann schnell abgeladen werden. Danach waren sie auf dem als „Parkplatz“ dienenden Bleichstein abzustellen. Das Ab- und Aufladen besorgten die Sackträger. Sie trugen auch die Kornsäcke von Verkäufer zu Käufer und von und zu den Wagen auf dem Bleichstein. Da die 1844/1848 gebaute Bergisch-Märkische Eisenbahnstrecke von Elberfeld über Hagen-Wetter-Dortmund aber an Herdecke vorbeigeführt wurde, verlor der Ort den Anschluss an das moderne Massengüter-Transportmittel und damit seinen bisherigen Standortvorteil. Die Tätigkeit auf dem Herdecker Kornmarkt ging daher immer mehr zurück und kam spätestens in den 1870-er Jahren gänzlich zum Erliegen.
Brunnen erinnert ans Amt
Heute erinnert der 1937 errichtete Sackträgerbrunnen mit der von dem Herdecker Fabrikanten und Mäzen, Heinrich Habig, gestifteten Sackträger-Figur auf dem ehemaligen Marktplatz an der Hauptstraße an den für Herdecke einst bedeutenden Kornmarkt und an die dort tätig gewesenen „Ablader“.