Herdecke. .

Eigentlich wäre der Herr längst im Rentenalter: Seit 75 Jahren trägt der Sackträger nun schon seine Kornlast auf dem Rücken und schaut dabei zu, wie zu seinen Füßen das Wasser ins Brunnenbecken plätschert. An die Geschichte des Sackträgerbrunnens hat jetzt Willi Creutzenberg erinnert. In den Herdecker Blättern und im HagenBuch 2013 sind aktuell Beiträge des Lehrers und Heimatforschers erschienen.

Für die Zeitungen von damals war die Enthüllung des Brunnens am 3. Juli 1937 ein großes Ereignis. Auf einer ganzen Seite nahm sich beispielsweise die Bergisch Märkische Zeitung der Feierlichkeiten an. Immer wieder wurde die Idee der „Volksgemeinschaft“ in den Berichten beschworen. „Die Zeitungen in der NS-Zeit haben das sofort überhöht“, stellt Creutzenberg nach der Lektüre fest. Und doch ist er vorsichtig, was die nationalsozialistische Ausprägung der Festlichkeiten angeht. 20 Jahre vorher oder 20 Jahre später habe ein solches Fest sicher in ähnlicher Weise stattgefunden, „aber eben nur ,in ähnlicher Weise’“.

„Zeichen der Gebefreudigkeit“

Gefeiert wurde im Juli 1937 gleich doppelt. Der neue Brunnen war fertiggestellt. Spender war die Kampsträter Nachbarschaft, und die konnte auf 150 Jahre gelebte Nachbarschaft zurück blicken. Zu Beginn des Jahres 1933 war der Obernachbar noch Moritz Blumenthal, ein Jude. Vier Jahre später waren die Nachbarn von der Kampstraße mit ihrem Verein gleich geschaltet wie die übrigen Vereinigungen im so genannten Dritten Reich auch.

Nachbarn müssen zusammenhalten, das hatten die Anwohner der Kampstraße schon früh begriffen und auch fest organisiert. Willi Creutzenberg weiß von vielen Pumpennachbarschaften, die sich um eine gemeinsame Wasserquelle herum gebildet hatten. Nun sollte ein Brunnen Symbol einer solchen Verbundenheit in Herdecke sein. Und Symbolfigur war der Sackträger, der über Jahrhunderte hinweg in der Stadt einen wichtigen Beruf auf den Märkten ausgeübt hatte.

Aber noch andere Berufe waren wichtig in der Geschichte der Stadt, etwa der des Färbers. Und für diese Berufe sollte es auf jeder der acht Seiten des Brunnens ein großes Sandsteinrelief geben. Allein, es fehlte am nötigen Geld. 9000 Reichsmark hätte die Verwirklichung des ersten Entwurfs gekostet. Die abgespeckte Version hatte keine Reliefs mehr, sondern nur noch einfache Steinplatten an den Seiten. Die geschätzten Kosten schrumpften dramatisch auf nicht einmal 3000 Reichsmark.

Am Ende waren es 4423,25 Reichsmark, mit denen der Sackträgerbrunnen zu Buche schlug. Die Nachbarn hatten noch einmal drauf gelegt. Unternehmer und Obernachbar Heinrich Habig freute sich über das „Zeichen der Gebefreudigkeit aller Nachbarn der Kampsträter“.