Herdecke. Karten zeigen, wo die Hitze in Herdecke künftig besonders zuschlägt. Ein Plan soll jetzt schon Alte, Kranke und Kinder schützen.

Ein paar heiße Tage mehr oder weniger im Jahr machen doch nicht viel aus. Irrtum, sagt Jonas Kettling. Er ist Klimaanpassungsmanager in Herdecke und stellt fest: „Es wird immer häufiger immer heißer.“ Und: „Die Anstiegszahlen sind nicht zu unterschätzen“. Wohlbefinden und Gesundheit hängen von den Temperaturen ab. Eine von Kettlings Aufgaben ist die Ausarbeitung eines Hitzeaktionsplans. Dieser soll allen Herdeckern dabei helfen, mit der zunehmenden Hitze klar zu kommen. Die Freude an wärmeren Tagen soll ihnen das nicht nehmen, aber die Angst vor sengender Sonne im Sommer.

Ungehinderte Sonneneinstrahlung, schwacher Wind, Tagestemperaturen weit über 30 Grad: Bei der Erinnerung an heiße Tage müssen Herdecker gedanklich nicht allzu weit zurück gehen. Der letzte Sommer ist noch nicht vergessen und auch nicht, was Hitze alles bewirken kann: Ausschlag, Krämpfe, Erschöpfung, einen Kollaps – für eine Handvoll Organe hat Jonas Kettling unmittelbare Folgen von Hitze zusammen getragen. Klar ist: Wärmebelastung führt zu Gesundheitsrisiken, erhöht das Unfallpotenzial durch eine geringere Konzentrationsfähigkeit und begünstigt mehr und immer früher im Jahr entstehenden Allergieattacken.

Bilder mit sengender Sonne

Wozu hat das in Herdecke im letzten Sommer geführt? Bilder, die der Klimaanpassungsmanager gemacht hat, geben eine Ahnung davon. Sie zeigen einen Wochenmarkt mit wenigen Besuchern, weil die Sonne auf Budendächer und das Pflaster knallt, ebenso leere Tische vor Cafés und Restaurants, während sich nur ein paar Wölkchen zwischen Sonne und Fußgängerzone schieben. Ebenfalls im Bild: knochentrockene Baumscheiben an der Hauptstraße oder ein heißer Platz in Kirchende. Auf einer Karte aus dem Klimaanpassungskonzept zeigt Jonas Kettling, wo die nächtliche Überwärmung im Jahr 2050 vermutlich besonders hoch sein wird: Tief rot erscheinen die Innenstadt rund um die Bachstraße und das Gebiet zwischen Westender Weg und Huser Feld.

Liegen da oder ganz in der Nähe nicht Kitas, Schulen, Senioreneinrichtungen oder das Krankenhaus? Auf einer weiteren Karte sind sie alle eingetragen, die hitzesensiblen Einrichtungen in Herdecke. Nicht um den Schutz der Gebäude geht es vorrangig, auch wenn die Sonne mit ihrer Kraft Dächern oder Fensterfronten zusetzt. Bei der Klimaanpassung geht es um Menschen, die vor den Folgen des Klimawandels zu schützen sind und entsprechend frühzeitig gewarnt werden müssen. Joans Kettling listet sie auf: ältere Menschen, Vorerkrankte, Schwangere, Säuglinge und Kleinkinder, Sportler oder Menschen, die im Freien starke körperliche Arbeit verrichten müssen. Es wäre beinahe leichter, die Herdecker aufzuzählen, die von der Hitze nicht stark berührt sind. Auf eine aussichtslose Lage bewegen sie sich dennoch nicht zu, selbst wenn für den Ennepe-Ruhr-Kreis statt 35,6 Tage mit mehr als 25 Grad in gut 20 Jahren 51,1 Tage dieser heißen Sommertage erwartet werden.

Ein Plätzchen im Schatten

Das Umweltbundesamt hat dazu ein Plakat gestaltet: Hinter einem großen Sonnensegel sitzt eine Frau auf einem Klappstuhl und liest in einem Buch. Darunter steht: „Klimawandel heißt Verhaltenswandel.“ Auf einen Wandel im Verhalten setzt auch Jonas Kettling. Der Wandel kann beim Entsiegeln und Begrünen von Flächen beginnen, über veränderte Arbeitszeiten im Freien gehen und zu mehr Trinken aus öffentlichen Brunnenanlagen führen. Wichtig aber ist Kettling, dass die Herdecker vermehrt untereinander bereden, wie sie sich auf die neuerliche Zunahme der Temperaturen mit allen Folgen vorbereiten wollen. Deshalb ist Schritt 1 auf dem Weg zu einem Hitzeaktionsplan das Zusammenbringen aller Hauptakteure. Sozialamt, Jugendamt, Schulamt versteht Kettling darunter, die Feuerwehr, das Gemeinschaftskrankenhaus oder die Ärztekammer. Auch die Technischen Betriebe oder das Planungsamt und die Träger all der Kitas und Senioreneinrichtungen will er in das Gespräch einbinden. Letztlich aber hat er alle Herdecker im Blick bei der Organisation des Wandels.

Im Sozialausschuss der Stadt hat er dabei bereits offene Türen eingerannt. Den einen konnten Trinkwasserangebote in der Fußgängerzone gar nicht schnell genug kommen, andere wünschten sich möglichst bald zahlreiche Beschattungsinseln zusätzlich in der City. Und auch an die Spielplätze wurde gedacht. In die Liste der hitzesensib­len Einrichtungen müssten sie noch eingearbeitet werden. So hätte es Jonas Kettling gerne: Dass immer wieder neue Vorschläge hinzu kommen und aufgegriffene Ideen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Der Hitzeaktionsplan für Herdecke ist nicht irgendwann mal fertig, sondern ist Teil der andauernden Anpassung an die Veränderungen des Klimas.

Folgen der Hitze

Im Gehirn verschlechtert sich die mentale Gesundheit, und Gewaltbereitschaft erhöht sich.

In der Lunge verschlimmern sich Atemwegserkrankungen

Bei Schwangeren steigen die Frühgeburtenraten während Hitzewellen spürbar an. Außerdem ist das Risiko für ein geringes Geburtsgewicht erhöht.

Das Herz-Kreislauf-System wird durch Hitze stark belastet. Hitze verschlimmert zudem kardio-vaskuläre Erkrankungen und erhöht das Risiko beispielsweise für Herzinfarkte.

In den Nieren erhöht sich durch Hitze die Wahrscheinlichkeit von Nierenerkrankungen. Das gilt beispielsweise für akute oder chronische Niereninsuffizienz.