Wetter. Nacht der Industriekultur am 24. Juni: Weil die historische Freiheit umgebaut wird, braucht Wetter einen neuen Spielort zur Extraschicht 2023.
Über die Umgestaltung der historischen Freiheit, die in diesem Jahr beginnen und ungefähr 4,5 Millionen Euro (vielfach abgedeckt über Fördergeld) kosten soll, hat die Lokalredaktion mehrfach berichtet. Können die Reporter denn nichts Neues verkünden? Doch, können sie. Wegen der anvisierten Bauarbeiten am Ortseingang der Harkortstadt stehen die Burgruine und nahe Umgebung in den kommenden Monaten nicht als Kulisse für Aktivitäten zur Verfügung. Einerseits schade, andererseits eine Chance für weitere Standorte.
Damit zur Extraschicht. Die lange Nacht der Industriekultur lockte erstmals 2019 zahlreiche Besuchergruppen aus nah und fern auch nach Wetter. Was damals mit dem 200-Jahr-Jubiläum der Demag und den Erinnerungen an die Mechanischen Werkstätten Friedrich Harkorts begann, ließ sich nach zweifacher Corona-Pause dann 2022 in der Freiheit fortsetzen. Auch für den Sommer 2023 hatten die Planer des Spektakels die hiesige Stadt im Visier. Und fanden für Samstag, 24. Juni, als Spielstätte eine neue Örtlichkeit, die recht alt ist: die Villa Vorsteher, das hiesige Bürgerhaus.
Führungen, Musik und mehr
„Das Unabhängige Kulturzentrum Lichtburg war es, das die Veranstaltung wegen der Baumaßnahmen nicht ausfallen lassen wollte und daher die Villa Vorsteher für die Extraschicht vorschlug“, sagt Jimena Salloch zur Redaktion. Die Sprecherin vom Veranstalter Ruhr-Tourismus teilt zur diesbezüglichen Premiere im Bürgerhaus noch mit, dass sich das Geschehen bei der Nacht der Industriekultur hier sowohl im Inneren als auch außen abspielen werde. Wer die besondere Einrichtung an der Kaiserstraße 132 oder den großen Garten kennt, dürfte sich angesichts zahlreicher Beispiele aus der Vergangenheit bereits jetzt einen abwechslungsreichen Verlauf am 24. Juni 2023 vorstellen können.
Viel Vergnügen auf der Extraschicht in Wetter
„Das Stadtmarketing wird dort dann einige Führungen anbieten, vermutlich binden wir auch das von Vorsteher gestiftete Rathaus mit ein“, erklärt Lichtburg-Geschäftsführer Marcus Boenig auf Anfrage. Nach Abstimmungsgesprächen mit der Stadt kann er zudem verkünden, dass Livemusik von einer Freiluft-Bühne kommen soll. Kulinarische Angebote und eine „farbenprächtige Lichtinstallation“ sollen den langen Abend abrunden. „Nachdem wir zuletzt Friedrich Harkort in den Fokus gerückt haben, steht nun ein anderer Industriekultur-Bezug Wetters und Mäzen im Vordergrund“, so Boenig.
Eine Vorverkaufsstelle für die 21. Extraschicht in 22 Städten der Metropole Ruhr gibt es in Wetter, das 2023 dann zum dritten Mal eine Anlaufstation für Freunde der Kunst und Kultur wäre, bisher noch nicht. Doch für Interessierte läuft seit Kurzem eine Frühbucheraktion: Bis zum 3. Mai kostet das Armband als Zugangserkennung für alle 43 diesjährigen Standorte nur 14 statt 24 Euro am Veranstaltungsabend. Im Ticket enthalten ist – wie üblich – auch die kostenlose Nutzung der Shuttlebusse sowie freie Fahrt in der zweiten Klasse des Öffentlichen Personennahverkehrs bis 7 Uhr am Folgetag. Am 4. Mai beginnt der offizielle Vorverkauf, dann kosten Karten 20 Euro (ermäßigt 16, mit der Ruhr-Top-Card zehn Euro).
Auch interessant
Von 18 bis 2 Uhr erleben Besucherinnen und Besucher dann also auch rund um das hiesige Bürgerhaus mit dem Rasenpark ein Programm, genaue Inhalte stellen die Verantwortlichen demnächst noch vor. In jedem Fall können dann auch Auswärtige erfahren, dass der Kommerzienrat Gustav Vorsteher hier zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts gehörte. Dem Mäzen und Holzgroßhändler, der die tiefe Verwurzelung der Stadt in den Steinkohlebergbau mitbegründete, hat Wetter bekanntlich einiges zu verdanken, und zwar nicht nur die Villa. Die ließ er sich damals als repräsentatives Wohngebäude für sich und seine Frau Anna bauen. Der Ehrenbürger stiftete auch den Harkortturm und den Gemeindesaal. Zudem spendete Vorsteher, der von 1836 bis 1914 lebte und ohne direkte Nachkommen blieb, auch Grundstücke für den Stadtwald sowie für das einstige Krankenhaus, weitere Bauvorhaben unterstützte er.
Teil der Route der Industriekultur
Ruhrtourismus möchte Besuchergruppen bei der Extraschicht sowohl bewährte Standorte als auch Neuerungen präsentieren. 2023 zum Beispiel sind die Fiege-Brauerei in Bochum und der Dortmunder Kulturort Depot nach einer Pause wieder mit an Bord.
Neben der Villa Vorsteher in Wetter, die passenderweise zur Route der Industriekultur gehört, steigen Premieren auch in der Neuen Zeche Westerholt an der Stadtgrenze Gelsenkirchen/Herten, im Museum am Erzschacht in Marl und in der Wolfsburg in Mülheim an der Ruhr. Erstmals öffnet sich zudem die digital immersive Ausstellung „Phoenix des Lumières“ in Dortmund.
200.000 Gäste kamen im Schnitt zu den verschiedenen Veranstaltungen. Die Projektpartner der Nacht der Industriekultur sind Ruhr-Tourismus, Regionalverband Ruhr und Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Weitere Auskünfte etwa zum Vorverkauf auf www.extraschicht.de.
Aus heimischer Sicht lässt sich die Auswahl des Aktionsortes als nachträgliches Geschenk zum Jubiläum auffassen: 2020 wurde die unter Denkmalschutz stehende Villa Vorsteher 125 Jahre alt. Aus diesem Anlass wollte die Stadt für das prunkvolle Wohngebäude, das von 1895 bis 1897 im Wilhelminismus-Stil errichtet wurde, eigentlich einen Tag der offenen Tür organisieren. Doch die Feierlichkeit musste wegen der Corona-Pandemie ausfallen. Ersatzweise entstand bei einem Rundgang ein Video, um das Haus und den wichtigen Mäzen zu würdigen. Nun folgt am 4. Juni gewissermaßen ein prominenter Nachschlag und somit mehr als ein schlichter Ersatz für die verhinderte Freiheit.